Xi, der Bär und ganz schlechter Horror

Das sieht ihm gar nicht ähnlich – Hongkong verzichtet auf einen abgefahrenen Winnie-Puuh-Film

„Honey honey, how he thrills me, a-ha, honey honey / Honey honey, nearly kills me, a-ha, honey honey“ – so sangen vor knapp 50 Jahren schon Abba. Im Horrorstreifen „Winnie Pu: Blut und Honig“ folgt der Honigliebhaber Winnie (Craig David Dowsett) dem Songtext der Schweden. In Hongkong wurde der Film nun zwei Tage vor seinem Kinostart aus dem Programm der Lichtspielhäuser genommen.

„Honey honey, how he thrills me, a-ha, honey honey / Honey honey, nearly kills me, a-ha, honey honey“ – so sangen vor knapp 50 Jahren schon Abba. Im Horrorstreifen „Winnie Pu: Blut und Honig“ folgt der Honigliebhaber Winnie (Craig David Dowsett) dem Songtext der Schweden. In Hongkong wurde der Film nun zwei Tage vor seinem Kinostart aus dem Programm der Lichtspielhäuser genommen.

Bärchen Winnie Puuh braucht Honig, um seinen etwas schmalen Grips anzuknipsen. Und manchmal bleibt ihm der Kopf dann im Honigtopf stecken, oder er nimmt mit klebrigen Tatzen vor Bienen Reißaus. Und dann vergisst er schier, was er eigentlich wollte – und schleckt und schleckt und schleckt, bis sein Bäuchlein wohlgerundet ist.

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Die Geschichten von A. A. Milne sind durch die „Winnie Pu“-Disney-Filme samt Merchandise-Spielzeugpalette weltweit bekannt geworden. Mit dem ängstlichen Tiger Tigger, dem Depri-Esel I‑Aah, dem naseweisen Hasen Rabbit und dem unterschätzten Schweinchen Ferkel ist Pu im Hundertmorgenwald unterwegs und lehrt sein vornehmlich kindliches Publikum alles über Selbstvertrauen und den Wert von Freundschaft.

Der chinesische Präsident Xi kann Pu nicht aufs Fell gucken

Xi Jinping mag Pu nicht. Wohl weil es Leute gibt, die sagen, die Ähnlichkeit zwischen dem Trickfilmbär und ihm, dem chinesischen Staatschef, sei frappierend. Sie ist bei einem ersten Check zahlreicher Seit-an-Seit-Internet-Memes jetzt nicht so radikal frappierend wie etwa die von Deutschlands Bundeskanzler Scholz mit dem heute nicht mehr ganz so präsenten amerikanischen Trickfilmmännchen Mr. Magoo. Aber mit etwas bösem Willen kann man sie unterstellen, und das tun Xis Gegner immer wieder gern.

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Zwar sollte ein Staatspräsident über solchen Späßen stehen und auch mal über sich selbst lachen können, und er könnte ja auch die Werte der tierischen Waldbewohner als hilfreich beim Großwerden der Kinder seines eigenen Landes gutheißen. Aber Xi fand schon 2013 das erste Meme – eine Bilderkombi von sich (mit Bäuchlein) und dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama (eher schlaksig), neben denen sich Pu und Tigger als Doubles bewegten – nicht erbaulich.

Wann etwa der vorletzte Pu-Streifen „Christopher Robin“ in der Volksrepublik Xis zu sehen sein wird, ist offen – 2018 wurde der Film von der chinesischen Zensur verboten. Einen Monat zuvor hatte der englische Komiker John Oliver wiederholt über Xis Genervtsein über sein Pu‑Double gespöttelt und dies in Verbindung mit der offiziellen Missachtung der Menschen­rechte in China in Verbindung gebracht – weshalb die Website von HBO von China zeitweilig gesperrt wurde. Und jetzt hat die frühere britische Kronkolonie Hongkong den Kinostart von „Winnie Pu: Blut und Honig“ abgesagt – zwei Tage bevor er Premiere haben sollte.

Erst hat der Film die Zensur passiert, dann ist „etwas“ geschehen

Der Film hatte vor knapp drei Wochen die örtliche Zensur passiert, wie der britische Regisseur und Drehbuchautor Rhys Frake-Waterfield dem US‑Branchenmagazin „Variety“ mitteilte. Er war ursprünglich für mehr als 30 Kinos in Hongkong vorgesehen gewesen. „Plötzlich“ sei „etwas“ geschehen, und mehrere Kinoketten hätten den Film „gleichzeitig“ aus ihren Sälen genommen. Auch dem zuständigen Hongkonger Indie-Vertrieb VII Pilars wurde kein konkreter Grund genannt.

Aber natürlich gibt es Mutmaßungen, was „etwas“ sein könnte. In jüngsten Jahren richtete sich das 1997 unter chinesische Herrschaft zurückgekehrte Hongkong, dem eigentlich 50 Jahre Sonderweg zugesprochen waren, immer wieder mal nach den Wünschen der chinesischen Staatsführung. Und Bär Winnie zählt zu den Empfindlichkeiten des chinesischen Staatsführers. „Das kann kein Zufall sein“, raunte Frake-Waterfield auch gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

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Der Petz des „Blut und Honig“-Films sieht aus wie ein Mensch mit Bärenmaske

Dabei sieht sich der Bär hier gar nicht ähnlich. Der Titelheld von „Winnie Pu: Blut und Honig“ ist ein Mordsbrummer, der aussieht wie ein Mensch mit Bärenmaske. In dem Zero-Budget-Realfilm kehrt ein erwachsener Christopher Robin mit seiner Freundin in den Hundert­morgenwald zurück, wo es nicht gut steht um die mentale Verfassung der am Ende seiner Kindheit von ihm zurückgelassenen tierischen Freunde. Aus Pu und Ferkel (am 31. Dezember 2021 endete ihr Copyright) sind psychopathische Killer geworden, sie haben schon den armen I‑Aah verspeist, und sie betrachten auch Christopher Robin nicht mehr als liebens­werten Kumpel.

Im Trailer sieht man noch ein paar junge hübsche Frauen in ein Häuschen im Hundert­morgen­wald ziehen. Sie giggeln und fläzen sich in sexy Bikinis im Pool, was gemäß den Genreklischees auch kein gutes Zeichen ist. Der neue Pu-Streifen ist denn auch ab 18 Jahren freigegeben, das Poster zeigt den einstigen Freund aller Kinder mit einem Messer in der einen und einem abgetrenntem Frauenkopf in der anderen Hand, und seine gedrungene Silhouette erinnert eher an Michael Myers aus der „Halloween“-Horrorreihe – nur eben mit putzig-runden Petzöhrchen.

Dieser Pu hätte ein schlechtes Licht auf Xi geworfen

Geringer Verstand – großer Blutdurst – Frauenfeindlichkeit: Was für ein Xi-Jinping-Bild hätte nun wohl ein solcher Slasher-Pu den Hongkongern und Hongkongerinnen vermittelt? Vielleicht hätten die dortigen Kinofans beim Zuschauen gar an die Verfolgung der Uiguren gedacht oder dass die Volksrepublik unter Xi weltweit die meisten Todesstrafen vollstreckt.

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Ein 84-Minuten-Gimmick mit einem im Trailer komplett ungruselig wirkenden Monster, das aus den liebreizendsten und unschuldigsten Kinderbüchern gekrochen ist, würde in anderen Ländern keine hundert Leute ins Kino locken. Wollte man in Hongkong lieber nicht darauf wetten? Fürchteten die Verantwortlichen eine neue Protestwelle von Leuten, denen bei Ansicht des Films klarer denn je würde, dass sie nicht unter die Herrschaft von Pu‑Jinping geraten wollten?

„Technische Gründe“ wurden vorab für die Absage einer Preview ins Feld geführt. Auf „Spiegel.de“ wird aber über politische Gründe gemutmaßt. Freilich: Nichts Genaues weiß man nicht.

Putin klagt wegen des Hauselfs Dobby - War nur Spaß!

Während von Olaf Scholz (Magoo) und Barack Obama (Tigger) keine Zensurversuche überliefert sind – lupenreine Demokraten können eben mit Albernheiten umgehen oder sie ignorieren – sind autoritärere Staatslenker traditionell weniger erhaben über derlei Respekt­losigkeiten. Dabei braucht man – um den türkischen Spöttern die optischen Parallelen zwischen Präsident Recep Tayyip Erdogan mit dem Mordfrosch Gollum aus den „Herr der Ringe“-Filmen zu bestätigen – schon einiges an Fantasie.

Und am Ende war die Geschichte einer Klage des russischen Präsidenten Putin, dem der notorisch gedemütigte Hauself Dobby aus den „Harry Potter“-Streifen nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich sehr ähnelte, doch nur eine Satire des Moskauer Wochenblatts „Nowaja Gazeta“ gewesen.

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Adolf Hitler immerhin soll getobt haben, als Charlie Chaplin 1940 in „Der große Diktator“ den eitlen, selbstverliebten Brüllpopanz Adenoid Hynkel spielte. Hier war die über das gemeinsame Stutzerbärtchen hinausgehende Ähnlichkeit der Kunstfigur mit dem obersten Nazi freilich voll beabsichtigt. Die Aufführung des Meisterwerks in (West-)Deutschland fand denn auch erst 1958 statt, als eine Generation ohne NS‑Erfahrung kinoreif wurde.

„Der Film hat kein Interesse an der Winnie-Pu-Vorlage“

Vorauseilender Gehorsam? Man kann das Canceln von „Winnie Pu: Blut und Honig“ natürlich auch wohlwollend auf die in diesem Fall einmütig hundsmiserablen Kritiken aus vorherigen Abspielländern schieben und dass man sich in Hongkong die wertvollen Kinosäle eben nicht mit Müll verstopfen will. „Rühren Sie etwas Arsen in den Honig und fangen Sie an zu essen“, ätzte die britische Tageszeitung „The Guardian“ über einen Film, „der nicht das geringste Interesse an der Winnie-der-Pu-Vorlage zeigt“.

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„Er ist nicht lustig genug, um etwas Gescheites über seinen Gag zu sagen, und er ist nicht aufregend genug, um ein kompetenter Horrorfilm zu sein“, urteilt die „New York Times“. „Was eine halbwegs anständige, dumme Idee hätte sein können“, meint die Unterhaltungswebsite „Collider“, „wird zu einem Albtraum voller schlechter Entscheidungen und schrecklichem Filmemachen.“ „This bear is shit in the woods“, fasst „Empire“ sich kurz.

Das Geräusch, dass Sie jetzt womöglich hören, sind Alan Alexander Milne und Walt Disney, die jeder für sich in ihren Gräbern rotieren. Ein Deutschlandstart von „Winnie Pu: Blut und Honig“ ist für den 11. Mai dieses Jahres vorgesehen.

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