„Beflügelt – Ein Vogel namens Penguin Bloom”: Wie eine kleine Elster eine Familie rettet

Kuschelig: Sam Bloom und die kleine Elster namens Penguin.

Kuschelig: Sam Bloom und die kleine Elster namens Penguin.

Hannover/Sydney. Ihr Unfall ist jetzt acht Jahre her, Sam. Denken Sie noch jeden Tag daran?

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Sam Bloom: Ja, jeden Tag, wenn ich aufwache, denke ich, nicht schon wieder, nicht wieder ein weiterer Tag. Ich muss einfach immer daran denken, was ich normalerweise getan hätte. Ich wäre surfen gegangen, wäre mountainbiken oder auf Buschwanderungen gegangen … Das alles ist ziemlich frustrierend. Das Seltsame ist: Jedes Mal, wenn ich träume, sitze ich nicht im Rollstuhl. Dann bin ich wieder wie früher und kann herumlaufen. Ich habe eigentlich nie einen Albtraum, wenn ich schlafe, mein Albtraum beginnt, wenn ich aufwache.

Was genau ist passiert?

Sam Bloom: Wir waren seit drei oder vier Tagen in Thailand und hatten ein wirklich schönes Hotel. Dann sah eines der Kinder diese Treppe, die zu einem Flachdach führte. Wir gingen hoch, und ich lehnte mich an ein Geländer, das verrottet war. Es brach weg, und ich stürzte mit hinab. Ich kann mich nicht mehr an den Unfall selbst erinnern, aber ich stürzte sechs Meter tief und brach mir den Rücken, hatte einen Schädelbruch und viele andere Verletzungen, darunter Blutungen im Gehirn.

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Cam Bloom: Es war unglaublich schrecklich. Zu meinem Glück habe ich es nicht gesehen, aber zwei der Jungs haben es gesehen, und unser Leben ist innerhalb von Sekunden auf den Kopf gestellt worden. Wir wussten nicht, ob Sam überleben würde. Anfangs waren wir in einem kleinen Krankenhaus, doch ihre Verletzungen waren viel zu schwer für die dortigen Ärzte. Also packten sie uns alle in einen Krankenwagen, und wir fuhren dreieinhalb Stunden zu einem privaten Krankenhaus, während Sams Leben in der Schwebe war. Dort wurde Sam drei Tage später operiert, als sie endlich stabil war. Schrauben und Metallteile wurden in ihren Rücken eingeführt, aber nie wurde gesagt, dass sie gelähmt sein würde. Erst in Australien erfuhr sie die schreckliche Wahrheit, als ein Arzt ihr sagte, dass sie nie wieder gehen würde.

Wie haben Sie die ersten Monate zu Hause in Erinnerung?

Cam Bloom: Als Sam aus dem Krankenhaus nach Hause kam, war das letztendlich die schwierigste Zeit. Wir hatten uns alle unglaublich darauf gefreut und dachten, jetzt wird alles so viel besser und Sam wird glücklich sein, aber dann passierte genau das Gegenteil.

Sam Bloom: Wenn du im Krankenhaus bist, bist du offensichtlich nicht die Einzige im Rollstuhl. Als ich nach Hause kam, holte mich die Realität meines neuen Lebens ein, und ich hasste es. Ich kann den Strand von unserem Haus aus sehen und die perfekten kleinen Wellen, und ich saß da und es machte mich wütend und traurig. Als ich nach Hause kam, konnte ich weder das Haus putzen noch die Kinder irgendwohin bringen. Und dann kamen Freunde zu Besuch und sagten mir, dass sie am Strand waren und es so schön sei, und ich wollte das nicht hören. Ich war eifersüchtig auf ihr Leben, denn das war ja auch mein Leben gewesen, und ich liebte mein Leben, und es wurde mir weggenommen. Deshalb habe ich am Anfang alle weggestoßen. Ich wollte niemanden sehen, auch weil es mir peinlich war. Ich war früher sehr aktiv. Ich war Stürmerin in der Fußballmannschaft gewesen, und jetzt saß ich im Rollstuhl und brauchte Hilfe.

Die Elster wurde aus dem Nest geweht

Irgendwann in dieser Anfangszeit kam Penguin, die Elster, in Ihr Leben.

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Sam Bloom: Zu diesem Zeitpunkt war ich drei Monate zu Hause. Eines Tages besuchte ich meine Mutter, und mein Sohn Noah fand dort diese kleine Elster, die aus ihrem Nest geweht worden war. Wenn wir sie dort gelassen hätten, wäre sie gestorben. So haben wir sie nach Hause gebracht. Sie war einfach bezaubernd und verletzlich zugleich, und sie nahm die Aufmerksamkeit von mir weg. Ich hasse es, im Mittelpunkt zu stehen, und mochte es nicht, wenn alle immer fragten: “Wie geht es dir?” In gewisser Weise war Penguin wie ein Baby – sie brauchte unsere Fürsorge, und mir wurde klar, dass es mir auch besser ging, wenn ich mich um jemand anderen kümmern konnte.

Und sie hat sich ja auch bestens ins Familienleben eingefügt.

Cam Bloom: Wir haben unsere ganze Energie darauf verwendet, uns um sie zu kümmern. Und irgendwie fühlte es sich auch so an, als ob sie Mitgefühl hätte. Sie kuschelte sich an uns und sehnte sich ganz klar danach, ein Teil unserer Familie zu sein. Ich denke, das Beste daran war, als sie mit der Zeit stärker wurde, das Fliegen im Wohnzimmer lernte und all diese tollen Meilensteine erlebte: Zum ersten Mal draußen zu fliegen und ins Tal zu segeln … Das zu sehen war einfach großartig. Penguin erkundete tagsüber oft die Nachbarschaft, aber immer, wenn die Jungs von der Schule nach Hause kamen, kam sie hereingeflogen und landete in der Küche.

Penguin verbrachte viel Zeit mit den Kindern

Sie wusste also, wann es 15.30 Uhr war?

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Cam Bloom: Ja, sie rief quasi nach den Kindern, und die wiederholten ihren Ruf. Sie hatte diesen wirklich schönen, recht einzigartigen Gesang, der nicht nach einer Elster klang. Penguin verbrachte viel Zeit mit den Kindern, saß oft auf Noahs Kopf, während er Gitarre spielte, oder flog über dem Trampolin, während die Jungen hüpften.

Sam Bloom: Sie war sehr liebevoll. Sie war ein bisschen wie ein Hund. Ich konnte sie einfach rufen, dann kam sie angerannt und sprang auf meinen Schoß oder meine Schulter. Normalerweise hat jeder Angst vor Elstern, da sie einen böse anfliegen können, aber sie können eben auch sehr freundlich und liebenswert sein.

Ich glaube, meine Genesung verlief parallel mit Penguins.

Sam Bloom

Wie hat Penguin Ihnen und Ihrer Familie geholfen?

Sam Bloom: Ich glaube, meine Genesung verlief parallel mit Penguins. Während sie stärker wurde und schließlich davonflog, half sie mir, mich wieder mit der Natur zu verbinden und Vertrauen wiederzufinden. Mein Ehrgeiz kehrte zurück, und ich hatte Spaß, im Kajakfahren und Surfen an Wettbewerben teilzunehmen.

Würden Sie im Nachhinein sagen, dass Penguin Ihr Leben verändert hat?

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Cam Bloom: Ja, es war ein unglaublicher Wendepunkt für unser Wohlergehen. Und es hat eine Kette von Ereignissen ausgelöst, die zu dem Buch, dem Film und vielen anderen wundervollen Möglichkeiten geführt haben, für die wir wirklich dankbar sind. Also ja, man könnte sagen, sie hat unser Leben verändert. Es ist auch ziemlich cool, dass Sam zweifache Weltmeisterin im Parasurfing geworden ist!

Inzwischen gibt es ein Buch über Ihre Geschichte, und jetzt kommt der Hollywoodfilm dazu in die Kinos.

Sam Bloom: Als wir das erste Buch veröffentlichten, war das Feedback unglaublich. Wir bekamen Tausende ­E-Mails, handgeschriebene Briefe und Nachrichten von Menschen aus der ganzen Welt, viele mit Wirbelsäulenverletzungen und viele, die ebenfalls lebensverändernde Ereignisse hinter sich hatten. Ich bin mit vielen von ihnen in Kontakt geblieben. Das Schöne ist, wenn du einmal einen schlechten Tag hast, kannst du ihnen einfach eine Nachricht senden und jammern, und sie verstehen dich komplett. Dann musst du lachen und fühlst dich gleich so viel besser.

Vermittelt der Film realistisch, wie Ihr Alltag mit einer Behinderung aussieht?

Sam Bloom: Ich denke, das Filmteam hat einen unglaublich guten Job gemacht. Als sie das Buch einkauften, sagte ich: Ich wünsche mir eigentlich nur, dass sie es real und ehrlich machen. Ich wollte kein Hollywood-Happy-End, bei dem alles perfekt ist. Mein Leben ist immer noch ein Kampf. Zum Glück waren wir als Executive Producer von Anfang bis Ende dabei. Auch der Regisseur wollte, dass der Film ein wahres Abbild unseres Lebens wird. Deshalb haben sie ihn bei uns zu Hause gedreht. Naomi trug sogar einige meiner Klamotten!

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Ich würde alles tun, um wieder mein altes Ich zu sein.

Sam Bloom

Am Ende ist auch Gutes aus dem Unfall entstanden. Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie es tun?

Sam Bloom: Ja, ich würde es sofort tun. Ich würde alles tun, um wieder mein altes Ich zu sein und mein altes Leben zurückzuhaben. Ich bin immer noch frustriert und würde gern mit den Jungen Buschwanderungen machen oder Mountainbike fahren.

Cam Bloom: Aber wir fühlen trotzdem, dass wir uns glücklich schätzen können, unsere Geschichte teilen zu dürfen. Es gibt so viele andere Menschen, die schreckliche Unfälle hatten. Ja, es hat unser Leben dramatisch verändert, aber wir hatten einen internationalen Bestseller, einen Film, und jetzt kommt ein weiteres Buch im Oktober heraus.

Sam Bloom: Und unsere Geschichte hat es geschafft, die ganze Welt zu erreichen, das ist wirklich cool. Aber in erster Linie bin ich einfach dankbar, hier zu sein und meine Kinder aufwachsen zu sehen.

Das ist die Geschichte hinter dem Film

Die Geschichte der Familie Bloom ist traurig und schön zugleich. Traurig, weil ein junger Vogel seine Familie verloren hat, traurig, weil eine Mutter von drei Söhnen seit einem Sturz im Urlaub gelähmt ist. Und schön, weil ein kleiner, hilfloser Vogel mithilfe der Blooms überlebte – und es im Gegenzug schaffte, die australische Familie aus einem existenziellen Tief herauszuholen und sie wieder Freude am Leben verspüren zu lassen.

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Zunächst teilte der Familienvater und Fotograf Cameron Bloom diese Geschichte auf Instagram. Nachdem sie dort Tausende berührte, ist sie inzwischen in zahlreichen Ländern als Fotobuch (Knaus Verlag) erschienen, und Hollywood hat sie verfilmt. “Beflügelt – ein Vogel namens Penguin Bloom” läuft ab 19. August im Kino – mit Naomi Watts (“21 Gramm”) und Andrew Lincoln (“The Walking Dead”) in den Hauptrollen.

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