Die Toten Hosen, Westernhagen und Harry Styles: die neuen Albumhighlights
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Geburtstagskinder aus Düsseldorf: Die Toten Hosen – (von links) Michael Breitkopf „Breiti“, Andreas von Holst „Kuddel“, Andreas Frege „Campino“, Vom Ritchie und Andreas Meurer „Andi“ – legen heute (27. Mai) die 40-Jahre-Bilanz „Alles aus Liebe“ vor – mit sieben neuen Songs.
© Quelle: Gregor Fischer
Wir feiern heute mit einem Album 40 Jahre Die Toten Hosen – Rock‘n‘Roll mit Punknote, der seit 40 Jahren Flagge zeigt gegen die Trägen, die Flachen und die Rechten der Republik. Auch heute noch gesellen sich Haltung und Krach zu (inzwischen mehr) Melodie. Pussy Riot spielten diese Woche in Ljubljana, die Band, die uns schon vor zehn Jahren mit einer Protestaktion in Moskaus Christus-Erlöser-Kathedrale gezeigt hat, was Haltung und wes Geistes Kind Wladimir Putin ist. Für die Konzerte der Tour musste Sängerin Maria Alchojina aus Moskau fliehen. Sie hat viel Wagemutiges gesagt und will dennoch wieder zurück. Neue Platten gibt es auch, klar, dafür bitte weiterlesen:
Mary Gauthier und der Trost für die Hinterbliebenen
Das Boot ist leer auf dem Cover von Mary Gauthiers neuem Album. Und „Dark Enough to See The Stars“ ist ein Album über Verlust, Trauer und die Sehnsucht, Halt zu finden in „this broken heart fall apart world“, wie es im Eingangssong heißt. Es sind Americana-schimmernde Postkarten darauf wie „Amsterdam“, eine Erinnerung an eine schöne Zeit in der Stadt der Blumen und Kanäle, und es finden sich zärtliche Ergebenheitsadressen wie „Thank God for You“ für den Menschen, der die eigene Abwärtsspirale aufgehalten und in einen Regenbogen verwandelt hat. Es ist unmöglich, von der Frau aus Louisiana mit der rauchigen, lebensschweren, zugleich sinnlichen Stimme nicht gefesselt zu sein.
Eine Jugend auf der Straße, eine steinige Biografie mit zu viel Alkohol und ein später Beginn als Country- und Folkbardin in den Dreißigern. Gauthier, die zuletzt mit traumatisierten US-Kriegsveteranen Songs schrieb und sie auf dem erschütternden Album „Rifles & Rosary Beads“ (2018) versammelte, lässt nun ihr Corona-Album folgen. Der schon ältere, mit Beth Nielsen Chapman geschriebene Titelsong hat angesichts der Trauer um an die Pandemie verlorene „dear ones“ endlich eine Albumheimat gefunden. Die Ballade „How Could You Be Gone?“ und „Where Are You Now?“ sind tröstliche Umarmungen, Balsam für all die, die jetzt mitten im Auge der Pandemie stehen und die auch jemanden betrauern, vermissen, die wissen, dass der nächste Wirbel im Herbst wartet und verwundert bis fassungslos die tatenlos-fröhlichen Corona-Ignoranten aus der Politik bestaunen. Nur noch 110 Corona-Tote in Deutschland pro Tag? Immer noch zwei Busse voller Menschen, die lieber leben würden.
Mary Gauthier – „Dark Enough to See The Stars“ (In The Black Records)
Avi Kaplan und die Anbetung der Königin
Avi Kaplan veröffentlicht nach zwei EPs sein Debütalbum auf Fantasy Records, dem Label, für das schon die legendäre Folk-Queen Odetta aufnahm und das die Swamprock-Hitgötter Creedence Clearwater Revival in die Plattenregale der Welt trugen. Das macht durchaus Sinn. Der 33-jährige Kalifornier mit der beeindruckenden Bassstimme, der mit der A-Cappella-Formation Pentatonix drei Grammys einfuhr, passt ins Folk(-rock)-Schema des ursprünglichen Jazzlabels. Seine Americana ist freilich Cinemascope-Musik. Hört man „Into the Blue“ sind da twangende CCR-Gitarren, „Knocking on Heaven‘s Door“-Frauenchöre und Kaplans gospelnde Inbrunst, wiewohl die anfangs offene Anrufung „I‘ve been missing you by my side“ sich dann doch auf eine irdische Liebe bezieht als auf die zum Hohen Wesen.
Ein Album, entstanden aus der auslaugenden Exzessivität des Musikerlebens und den privaten Entbehrungen: der andauernden Entfernung und – sehenden Auges – der Entfremdung von seinen Lieben. Davon handelt nicht nur der Eröffnungssong, die von Reue getragene Countryballade „(The Last Thing I Need) Is The First Place I Go“. Und es ist die Dringlichkeit, Differenziertheit und Monumentalität von Kaplans Stimme, die aus ohrschmeichelnden Songs wie der sphärischen Ballade „Floating on A Dream“, dem Johnny-Cash-Song-haften „On My Way“, dem kathedralischen Nachruf „He Don‘t Love You Right“ (wo Kaplan ins Falsett steigt) und dem „Hit“ der Platte „I‘m Only Getting Started“ (der entfernt an „Thunder“ von Imagine Dragons erinnert) Bedeutsames macht. „My Queen“ – der Abschluss ist erhaben und überirdisch schön, die Anbetung einer Frau in hoher, fleischlichen Gelüsten abholder Minne. Nur zur Gitarre. Gebeugt sei sein Knie, rein sein Herz, singt der Ritter Kaplan. Eins der eindringlichsten Solodebüts seit Jackie Levens „The Mystery of Love is Greater Than the Mystery of Death“.
Avi Kaplan – „Floating on A Dream“ (Fantasy)
Marius und die Menschenliebe unter Alkohol
„Ich vermisse New York City, Paris, zu früh gegangene Freunde, zu umarmen, Solidarität, meine Band“, singt Marius Müller-Westernhagen. Fragt: „Is this the end?“ Und zieht das Fazit: „Ich will raus hier!“. Ein wenig Alterspatina hat sich seit 2014 hörbar in die Stimme hineingefressen – nicht nur bei diesem Pandemiesong. Aber Uns Marius kann immer noch spitze Schreie und das herrlich desparate Heulen. Und er rockt auch auf diesem neuen Album einige exquisite und rustikale Americana, rauen Rock‘n‘Roll mit reichlich Rolling-Stones-Würzung. „Das eine Leben“ heißt sinnig das in New Jersey aufgenommene Album des inzwischen 73-jährigen, der in „Schnee von Gestern“ nicht aus Überzeugung die markante Zeile „Jedem, dem ein Hirn geblieben, kann sich nur besaufen und alle Menschen lieben“ singt, sondern weil die Welt dieser Tage nicht mehr so recht begriffen werden kann.
„Achterbahngedanken“ hat er und die Angst vor der Endlichkeit zittert in seinen Worten, während er späte Sehnsüchte artikuliert, die mit Frauen zu schlafen etwa, und Gott zur Konstruktion erklärt. Manche Zeilen geraten durchaus ein bisschen zu pompös. Nach der „Freiheit“ besingt er in einer Sechsminutenballade die „Wahrheit“ – hier ist sie, die andere, die heute so oft fehlt. Großer Song, großes Gitarrensolo. „Ich werde dich lieben bis in den Tod“, versichert er uns zu Pianoforte und Orgel. Dito, Marius, auch, weil du manchmal singst wie der Yoda: „Ja was ist das denn für ein Leben / wenn dein Leben war gelogen“.
Westernhagen – „Das eine Leben“ (Sony)
Wilco und der letzte Tanz mit der süßen Sugar Kane
Der Albumtitel hatte manchen irritiert. Würden Wilco, die inspirierten Mannen um das Genius Jeff Tweedy, auf „Cruel Country“ wieder zurückkehren zum Sound, den das Mastermind aus Uncle-Tupelo-Zeiten auf die frühen Alben hinübergerettet hatte. Würde es ein artiges, kleines Album werden wie „Star Wars“ (2015) und „Schmilco“ (2016), mit denen Wilco absichtsvoll aus dem Prunkrahmen der Band traten, die in Kritikeraugen ausnahmslos popmusikalische Großtaten ablieferte. Nope. Hier seufzt zwar immer wieder die Steel Guitar, aber „Cruel Country“ ist ein Songalbum mit spezieller Wilcountry-Klangfarbe, eine Platte, mit der die Band als eine Gemeinschaft gefeiert wird, die sich hinter Studiomauern glücklich in der Musik auflöst. In alldem ist es „Sky Blue Sky“ am nächsten, einem der unbestrittenen Meisterwerke Wilcos. 21 Songs pure Schönheit warten jetzt – vom schunkelnden „I Am Your Mother“ mit seiner Merseygitarre bis zum muckelig gezupften Mariachi von „The Plains“.
„Alles kann sich ändern / auch der Teufel manchmal“, raspelt der große Lakoniker Tweedy auf „Ambulance“ zur gezupften Akustikgitarre heiser mit seiner unvergleichlich müden Aschestimme. Er säuselt im süffigen „All Across The World“ vom Leben der Menschen in Krisen, und – hey! – das ist wieder eine dieser umwerfend schlichten Melodien wie sie sich zuhauf auf „Being There“ (1995) und „Summer Teeth“ (1999) fanden und eben auch hier finden – Harmonien, die sich sofort ins Herz graben (bitte weiterhören mit „Hearts Hard to Find“ und „Tired of Taking It Out on You“!). So viele betörende Songs, aber längst nicht alle ohne Wagnis: „Bird Without A Tail/Base of My Skull“ hat ein jazziges Gitarrensolo, Pianoballade meets Progrock gibt‘s im spacigen Achtminüter „Many Worlds“. Und im dunkel funkelnden „Tonight‘s The Day“ wechselt permanent der Rhythmus, „der letzte Tanz mit Sugar Kane“ darin bezieht sich hoffentlich auf die Monroe in Billy Wilders „Manche mögen‘s heiß“. Wer hätte nicht gern mit ihr getanzt? Oder, wie es in einem anderen Song heißt: „The Universe / could be worse“.
Wilco – „Cruel Country“ (dBpm Records)
Harry Styles und das Wissen um die Wurzeln
Immer wieder ist man bass erstaunt, wieviel an guter, stilbunter Popmusik in den Protagonisten von Teenie-Hypes steckt. Boygroups haben uns Robbie Williams‘ Soloblüte beschert. Der Mann aus der zweiten Take-That-Reihe wurde der Superstar der Nullerjahre, der entertainen konnte wie Freddie Mercury und Hits auf den Markt warf, als wäre er der Goldesel. Nicht zu vergessen *Nsync-Mann Justin Timberlake, dessen Horizont weit über die aktuellen Dance-Moden bis in den Folk hineinreichte. Man mochte den munteren Himbeerpop von One Direction, gewiss, aber was der einstige Bandkobold Harry Styles auf seinem dritten Soloalbum liefert, geht weit über das hinaus, was das „X Factor“-Quintett vermochte.
Wieviel dabei seinen „Mitarbeitern“ Thomas Hull, Tyler Johnson und Kid Harpoon zu verdanken ist, bleibt offen. Dass die aktuelle Single „As It Was“ an die Norweger von A-ha (und auch an einige andere Synthpophelden der Achtzigerjahre erinnert) ist noch kein Beweis für einen Connaisseur, und die Beatles hat bis heute ja wohl jeder auf der Pfanne, der Popmusik liebt – sie finden sich im zarten „Boyfriends“ wieder, dem Song, in dem der Überzeugungslondoner die fehlende Tiefe ebendieser Freundschaften vermisst („sie nehmen dich für selbstverständlich / sie wissen nicht, dass sie dich missverstehen“). Aber in „Harry‘s House“ ist auch Platz für die Siebziger-Jahre-Funkgötter Earth Wind & Fire und für den Jazzrock der legendären Steely Dan (und ihrer legitimen Erben Prefab Sprout). Der Mann weiß viel über die Pophistorie, und webt sie in seinen Styles-Sound, und das macht uns lull und lall. Er ist, um eine Zeile aus dem dezenten Dancetrack „Daylight“ zu verwenden „unser Honiglöffel“. Wir kleben an seiner Musik.
Harry Styles – „Harry‘s House“ (Columbia)
Andrew Bird und die zwei Wesen des Menschen
Das Lied zur Zeit ist „Atomized“ – das Lied von der Auflösung der Sicherheiten, der Gemeinwesen, des Individuums. Inspiriert ist es von Schriften, Gedanken, der im vorigen Dezember verstorbenen „New Yorker“-Essayistin und Publizistin Joan Didion (der Andrew Bird auch den song „Lone Didion“ widmet) zum Auseinanderfallen des Lebens im Amerika der Sechzigerjahre. Für Andrew Bird ein anhaltender Prozess. „Die Dinge brechen auseinander“, singt Bird mit beinahe Sting-haftem Timbre von des Menschen Verzweiflung angesichts seiner begrenzten Zeit. Seine schwirrende Violine und seine Stimme malen gemeinsam eine betörende Melodie. Aber – gegenläufig zum Titel dieses eingängigsten unter vielen eingängigen Sogs des Mannes aus Chicago, dessen Ursprünge im Jazz liegen: Immer wieder auf diesem Album nähern sich Streichinstrument und Stimme so sehr an, dass sie wie einander durchdringend wirken und kaum noch zu trennen sind.
„Inside Problem“ ist ein Album über die Oberfläche und das Darunter. Über die zwei Ichs jedes Menschen – das, das nach außen tritt, gezeigt wird, kontrolliert nur einen Bruchteil von ihm sichtbar werden lässt, das von Aufrichtigkeit aber auch von Verstellung dominiert sein kann. Und das innere Ich, das verborgen bleibt, das eine schwere See sein kann, eine beunruhigende Gegenwelt zum äußeren Ich unerfindliche Abgründe, die der Bewohner dieser Welt oft kaum selbst auszuloten vermag. Bird schmückt die Schwere dieser Gedanken mit dezenten Grooves („Underlands“), mit Folkpop („Fixed Positions“), und Reggae („Stop‘n‘Shop“). Alles so ohrfein, dass die Songs in einer besseren Welt Hits wären. „Ich will, dass du mich heimsuchst“, wünscht sich Bird vom „Faithless Ghost“ in einem nach diesem betitelten wunderschön-rumpligen Stück Americana. Sein Album sucht uns heim.
Andrew Bird – „Inside Problems“ (Lone Vista Recordings)
Wucan und die Wut auf die „fetten Deutschen“
Es geht eine helle Flöte, der Frühling ist über dem Land. Nur, dass Francis Tobolsky, die Sängerin der Dresdner Band Wucan ihr Instrument richtig frutten lassen kann wie es ab 1968 Ian Anderson bei Jethro Tull tat. Hier kommt Rock, Hardrock, der – anders als der chromglänzende Metal – gespielt wird, um eine spannende Topografie der Sounds und Rhythmen zu erzeugen, in Liedern, die die Zehn-Minuten-Grenze ungeniert sprengen können, wie „Physical Boundaries“ beweist. Es geht in Songs wie „Kill The King“ oder „Don‘t Break The Oath“ zurück in die Zeiten von Tulls „Locomotive Breath“, Purples „Black Knight“, Golden Earrings „Radar Love“ und „The Witch“ von den Rattles, in Zeiten, als experimentierfreudig und leidenschaftlich alles von Folk bis Funk in den Rock gewoben wurde. Leidenschaft zeichnet das Album „Heretic Tongue“ aus,und Wucan wissen auch, wo ein Rap gesetzt werden muss.
Haltung hat das Quartett überdies. Mit ihrer eindringlichen sirenenhaften Stimme, die an Edna Bejarano und Jefferson Airplanes/Starships Grace Slick erinnert, kommt Tobolsky auch mal in der Muttersprache rüber. „Fette Deutsche“ erzählt in durchaus altpoetischer Weise („Ratten nur folgen der falschen Sorge Spiel“) von den behäbigen Ausblendern und Zusammenhängenichterkennern im Land, die keinen Zuzug wünschen und Angst haben, von ihrem überreichen Leben auch nur ein halbes Brötchen an Bedürftige abgeben zu müssen. Wucan ziehen zornig dagegen und fordern in „Zwischen Liebe und Zorn“ eine „Revolution“, singen von „Kommune“ und „Genossen“. Freilich standen ganz am Ende dieser Menschheitsumwälzungen der Krieg oder das Leid der Uiguren.
Wucan – „Heretic Tongues“ (Initiative Musik/SPV)
Aurel und die Liebe der Matrosen
Hier kommt dagegen was für ältere Eskapisten, die Postvatertagsplatte fürs Fernweh beim nächsten Bollerwagenziehen. Die liefert ein Herr mit dem kaiserlichen Namen Aurel. Stefan Aurel Schlabritz legt mit seiner Band auf „Land in Sicht“ ab und an. Vier Stücke sind Coverversionen, neun der Seemannslieder und seemannsliederverwandten Lieder stammen aus eigener Feder und huldigen dem Mannsein und dem Spannungsfeld der geteilten Liebe zur Liebsten und dem Meer. Und in „Die Kippe“ geht es um den alten Aberglauben, der in jeder Kneipe nördlich von Göttingen verbreitet wird – dass nämlich ein Seemann stirbt, wenn man seine Zigarette an einer Kerze anzündet. Dass es für solche Musik immer noch massig Publikum gibt, beweisen ja nun schon recht ausdauernd Santiano.
Aurel kann das auch und so schippert er zwischen Schlager und softer Americana. Lolitas Klassiker vom „Seemann“, der das Träumen lassen soll, klingt stimmlich nach Ronny und Freddy, wird soundmäßig aber eher an Popcountry à la Bellamy Brothers angelehnt, der auch bei anderen Stücken wie „1000 Meere“ und „Raus in die Ferne“ durchklingt“. „Rolling Home“ hat schon vor fast 50 Jahren Achim Reichel auf seinem „Shanty Alb‘m“ rauer verrock‘n‘rollt. Gelegentlich geht auch Gitarrist Gerd „Gerdfather“ Lehmkuhl ans Mikrofon. Und so gibt es auch kratzigere Gesänge nach dem Vorbild von Hans Hartz und Gunter Gabriel. Was braucht eine geübte Landratte für einen Tag am Meer: Möwen, Matjesbrötchen und diese lustige Platte im Autoradio. Und wenn‘s beim nächsten Mal weniger weichgespült werden könnte, nehmen wir das Freddy-Quinn-Cover „Junge, komm bald wieder“ als Abschiedswink für Käpt‘n Aurel.
Aurel – „Land in Sicht“ (Hypertension)
Die Toten Hosen und das Geschenk des Himmels
So kann die Rubrik nicht enden. Und so gehen wir zu einer Truppe, bei der auch „Land in Sicht“ ist, die ihre Bilanz „Alles aus Liebe“ nennen und die ihre „40 Jahre Die Toten Hosen“ in eine 43 Song starke Jubiläumssause verwandelt haben. Es kracht rein mit der „Opel-Gang“ und „Eisgekühlter Bommerlunder“, man wird zurück in die Zeit geworfen, als die Düsseldorfer die Punkflagge aus den Kellern totgesagter Rocksounds holten, als all die wilden Zweiminutensongs noch gleich klangen und zugleich auch nicht. Und es geht bis heute, wo die Hosen eben auch melodiesatte Midtempo-Mitgrölhymnen für Großkonzerte liefern. Der Eingangssatz „Die Hosen sind kein Punkrock mehr“ des neuen Songs „Alle sagen das“ zwinkert diesem inzwischen nervtötenden Gejammere der Altfans über Hosen-Chartsstoff wie „Tage wie diese“, „Das ist der Moment“ und „Unter den Wolken“ zu und legt einen punkigen Schweinsgalopp darunter. Und mit „112″ wird dann gleich eine weitere Hymne dieser Art geliefert, ein Dreieinhalbminutenbiopic: „Wir sind die Band, die euch der Himmel schickt!“ singen sie und machen „Feuerholz aus deinem Klavier.“ Das können die! Und vielseitig und experimentierlustig sind sie mindestens seit dem Album „Auf dem Kreuzzug ins Glück“ von 1990. 1001 Sound hier. Mit „Teufel“ sogar ein (Antichrist-)Schlager! Boah-ey!
„Es ist auch mein Land und ich kann nicht so tun als ob es mich nichts angeht“ singt Campino nochmal und „Es ist auch dein Land“ – eine Neueinspielung des alten Fingerzeig-gegen-Rechts-Lieds, das wichtiger ist denn je in Zeiten, in denen Faschosprech und Faschohass auf politischen Bühnen dröhnt, in Demos aller Art die Fahnen schwenkt und sogar zur Wahl steht (wie in Demokratien eben möglich). Die Toten Hosen haben – Poppunks hin oder her – nach wie vor Arsch drin. Danke für die ersten 40! Und bitte noch nicht gleich Anker werfen!
Die Toten Hosen – „Alles aus Liebe“ (JKP)
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