Trauer um Jean-Paul Belmondo: der Draufgänger mit dem breiten Grinsen
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Jean-Paul Belmondo in einer Szene aus „Die Millionen eines Gehetzten“ aus dem Jahr 1963.
© Quelle: imago images/Prod.DB
Hannover. Das müssen die in Hollywood ja auch erst mal hinkriegen: so lässig zu rauchen, so leidenschaftlich zu küssen und so spöttisch mit breiten Lippen zu grinsen. So einem Mann kann die Welt nichts anhaben – auch dann nicht, wenn er schon tödlich getroffen auf dem Asphalt liegt, so wie Belmondo als Kleinkrimineller Michel in Jean-Luc Godards Gangsterstück „Außer Atem“. 1959 war das, Belmondo gerade 26 Jahre alt. Bis heute fragt man sich, wie es seine Filmpartnerin Patricia alias Jean Seberg übers Herz bringen konnte, diesen unwiderstehlichen Autodieb an die Polizei zu verpfeifen.
Der Film machte Belmondo, der am Montag in Paris im Alter von 88 Jahren starb, berühmt und läutete zugleich den Siegeszug der Nouvelle Vague ein. Von nun an riss sich Frankreichs Regieelite um den coolen Typen mit der Boxervisage, der in Jeans und Lederjacke eine so gute Figur machte. Belmondo, der Sohn einer Tänzerin und eines Bildhauers, arbeitete mit François Truffaut („Das Geheimnis der falschen Braut“), Claude Chabrol („Schritte ohne Spur“), Claude Lelouche („Der Mann, der mir gefällt“) oder Louis Malle („Der Dieb von Paris“). Und dabei hatte ihm ein Freund seines Vaters einst attestiert, er solle auf keinen Fall eine Schauspielkarriere anstreben, da ihm das Talent dazu fehle.
Französische Filmlegende Jean-Paul Belmondo ist tot
Der große französische Schauspieler starb im Alter von 88 Jahren, nach mehr als 80 Filmen, in denen er mitwirkte.
© Quelle: Reuters
Vieldeutigkeit machte Belmondo aus
Regisseur Jean-Pierre Melville drehte mit Belmondo „Die Millionen eines Gehetzten“ (1963) und pries seinen Star als einen Schauspieler, der einfach alles könne. Allein Alain Delon rangierte in dieser großen Zeit des französischen Kinos mit Belmondo auf Augenhöhe, aber der verfügte nie über die grandiose Selbstironie des Kollegen – gemeinsam begannen sie ihre Karriere 1957 im selben Film, in der Krimikomödie „Sei schön und halt den Mund“.
Belmondo war in seinen besten Rollen immer alles in einem: knallhart und komödiantisch, brutal und sanft, angeberisch und verschlossen. Diese Vieldeutigkeit machte es ihm auch leichter, ins populäre Fach zu wechseln, als er im französischen Arthouse nicht mehr so gefragt war – oder vielleicht auch keine Lust mehr darauf hatte. Belmondo konzentrierte sich verstärkt auf Action. Gewissermaßen firmierte er als die europäische Antwort auf Clint Eastwood oder Charles Bronson.
Belmondo war „Der Greifer“, „Der Windhund“ oder „Der Profi“, in jedem Fall aber der Draufgänger, der stolz darauf war, seine Stunts selbst zu erledigen. Er sprang aus Hubschraubern oder turnte in luftiger Höhe auf dem Eiffelturm herum. Erst als er sich beim Dreh von „Der Boss“ – damals war er 52 – eine schwere Kopfverletzung zuzog, nahm er Tempo aus seinem atemlosen Leben und wandte sich dem Theater zu.
Sein breites Grinsen war sein Markenzeichen
Zwischen seinen Auftritten als Schauspieler und denen im echten Leben mochte er nie recht unterscheiden. Auch eine spätere Karriere als Rennfahrer fällt in diese Rubrik. Seinen Ruf als Frauenheld verteidigte er, etwa durch Beziehungen mit Bond-Girl Ursula Andress oder mit der italienischen Schauspielerin Laura Antonelli.
In den Ruhestand mochte er sich auch dann noch nicht begeben, als er einen Schlaganfall erlitt und am Stock gehen musste und seine Probleme beim Sprechen kaum zu überhören waren. In „Ein Mann und sein Hund“ war er 2008 noch einmal zu sehen und gab einen vereinsamten Obdachlosen.
Wer je erlebt hat, wie Belmondo in einem Kino beim Filmfestival in Cannes unter großer Anstrengung die Bühne erklomm und die Zuschauer ihn mit endlosen Ovationen feierten, der verstand, was die Franzosen und Belmondo – Spitzname Bébel – miteinander verband. Auf sein breites Grinsen wollten sie nicht verzichten. Jetzt trägt die Kinowelt Trauer.