Kulturtipp für zu Hause: Topmodels, menschlich gesehen
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Ein Meisterwerk: Peter Lindberghs Bild von Uma Thurman (New York, 2016).
© Quelle: PETER LINDBERGH
Peter Lindbergh holte sich Göttinnen vor die Kamera. Oder wie Göttinnen seit den Achtzigerjahren hießen: Supermodels. Doch Lindbergh überließ sie nicht dem quietschbunten Umfeld jener Zeit, er lichtete sie in Schwarz-Weiß ab – und das auf wunderbar natürliche Weise. Heute erscheint das nicht mehr sonderlich erwähnenswert. Aber als Peter Lindbergh, der 1944 als Peter Brodbeck auf die Welt kam, begann, seinen besonderen Fotostil zu entwickeln, war dies revolutionär.
Kunsthalle Düsseldorf zeigt 140 Fotografien
In der Kunsthalle Düsseldorf hängen zurzeit rund 140 Fotografien aus den frühen Achtzigerjahren bis in die Gegenwart. Da das Museum wegen des Coronavirus zurzeit geschlossen hat, zeigen wir hier auf RND.de eine Auswahl seiner Bilder. Die Models, die er fotografierte, bekamen durch ihn etwas zutiefst Individuelles, Normales. Die Göttinnen wurden menschlich, ohne dass ihnen das schadete. So steht Milla Jovovich auf einem der Bilder in einem Sommerkleid mit Zigarette in der Hand, so als ginge sie gerade an einem sonnigen, nicht allzu heißen Nachmittag durch ihren Garten spazieren.
Uma Thurman stützt ihren Kopf mit der Hand, ihr Gesicht liegt im Halbschatten. Sie sieht vollkommen natürlich, keineswegs entrückt oder abgehoben aus. Und auch Claudia Schiffer zeigt Peter Lindbergh ungeschminkt, so als stünde sie nicht vor einer Kameralinse, sondern allein an einem See. Das ist das Besondere an Peter Lindbergh, dass die Superstars der Modebranche ihm dermaßen vertrauten, dass sie, zumindest wirkt es so, alle Masken fallen ließen. Ein Großteil der Arbeiten in Düsseldorf ist nach Aussage des Kunstpalasts noch nie gezeigt worden.
Peter Lindbergh dokumentierte in den Neunzigerjahren den Aufstieg von Superstars wie Linda Evangelista, Cindy Crawford und Naomi Campbell. Lindbergh fotografierte Anna Wintours allererstes “Vogue”-Cover 1988. Und er veränderte in den Neunzigern die Modewelt noch einmal. Denn er erfand die szenische Modestrecke. So lichtete er Milla Jovovich ab, wie sie in einem Auto vor Außerirdischen flieht. Modestrecken wurden durch ihn zu einem beliebten Erzählstil der Modefotografie.
Peter Lindbergh erlebte die Eröffnung der Ausstellung nicht mehr
Die Präsentation seiner Bilder in Düsseldorf war die erste Ausstellung, die Peter Lindbergh selbst konzipiert und kuratiert hatte. Er wählte die Bilder aus und kümmerte sich auch um das Licht in den Räumen. Doch noch vor der Eröffnung der Ausstellung starb Lindbergh überraschend am 3. September 2019 in Paris. Zu seiner Beerdigung kamen nicht nur Topmodels wie Kaia Gerber, Gigi Hadid, Cindy Crawford und Naomi Campbell, sondern auch Hollywoodstars wie Charlotte Rampling, Bradley Cooper und Julianne Moore sowie natürlich US-“Vogue”-Chefredakteurin Anna Wintour.
Wunderbarer, bilderreicher Katalog zur Ausstellung
Begleitet wird die Ausstellung im Kunstpalast von einem wunderbaren, bilderreichen Katalog. Schwarz-Weiß-Bild reiht sich an Schwarz-Weiß-Bild, es ist eine wahre Pracht. Ein Abschiedstext seines Freundes Wim Wenders rundet diesen Katalog ebenso ab wie ein längeres Interview mit Peter Lindbergh, das der Generaldirektor und künstlerische Leiter der Stiftung Museum Kunstpalast in Düsseldorf, Felix Krämer, mit ihm geführt hat.
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Liebte die Schönheit: Der Fotograf Peter Lindbergh.
© Quelle: Federico Gambarini/dpa
Die Bilder in dem Katalog verdeutlichen noch einmal, dass es Lindbergh weniger um die einzelnen Kleidungsstücke und Modeartikel ging, die die Models zeigen sollten. Lindbergh erzählte Geschichten, vermittelte Atmosphäre und bettete Models und Mode in die Schönheit der Welt, nein, seiner Welt ein.
Die Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf ist regulär noch bis zum 1. Juni zu sehen. Danach soll sie ab dem 20. Juni im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg und anschließend in Darmstadt und Neapel gezeigt werden. Inwieweit die Coronakrise sich auf diese Termine auswirkt, ist noch völlig unklar.
Der Katalog “Untold Stories” ist bei Taschen erschienen, umfasst 320 Seiten und kostet 60 Euro.