Teil-Lockdown trifft Kinos, Theater und Museen: „Kultureller Kahlschlag ohne Beispiel“

Ein Mann sitzt mit weitem Abstand zu anderen Gästen in einem Kinosaal.

Ein Mann sitzt mit weitem Abstand zu anderen Gästen in einem Kinosaal.

Berlin. Mit Protest und Unverständnis reagiert der Kultursektor auf die neuerlichen Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie. Theater, Opern- und Konzerthäuser sowie Kinos müssen im November für einen Monat schließen. Darauf hatten sich Bund und Länder angesichts der bundesweit steigenden Corona-Fallzahlen am Mittwoch geeinigt. Branchenvertreter befürchten einen „kulturellen Kahlschlag“.

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Kinos

Eigentlich ist jetzt die wichtige Zeit für Kinos, die grauen Monate sind die guten. Wenn es draußen nieselt und schon nachmittags dunkel wird, laufen die Blockbuster. In diesem Jahr allerdings sind die Starts vieler Filme abgesagt - und Kinos sollen wieder schließen. Ein Monat Stillstand, um das Virus auszubremsen.

„Wir können alle nur inständig hoffen, dass der Patient Deutschland Herrn Söders ‚Vier-Wochen-Therapie‘ auch wirtschaftlich überlebt“, sagt Christine Berg vom Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF Kino) mit Blick auf Aussagen von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Nur wenn es jetzt sofort unbürokratische Finanzhilfen gebe, würden Kinos diese „erneute Radikalkur“ durchstehen.

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Schon im Frühjahr hatten viele Einrichtungen bundesweit geschlossen. Seitdem haben viele Häuser investiert. In Plexiglasscheiben an der Kasse, in Online-Ticketsysteme, in Desinfektionsmittel. Vor allem in Abstand. Im Kino bleiben Plätze frei - und die Säle jetzt vorläufig wieder komplett leer. Der Kinoverband spricht deshalb von einem „ständigen Auf und Ab“. „Die Kinos übernehmen eine große Verantwortung für ihre Besucher und dennoch nützt ihnen das überhaupt nichts“, teilte HDF-Vorstand Berg mit. „Wir sind fassungslos.“

Constantin-Chef Martin Moszkowicz.

Constantin-Chef Martin Moszkowicz.

Wirtschaftlich sei das Ganze eine Katastrophe, sagt auch Christian Bräuer von der AG Kino. Dem Verband gehören Arthouse-Kinos an. Auch sie sähen natürlich die Entwicklung der Infektionen mit Sorge. Aber Kinos seien sichere Orte, das hätten sie mit der Umsetzung von Hygienekonzepten bewiesen. „Das Publikum ist sehr diszipliniert.“

Die Schätzungen, wie viel Minus die Kinos in diesem Jahr einfahren, gehen auseinander. Die Filmförderungsanstalt hatte eine Analyse beauftragt, die im Sommer ein Minus zwischen 225 Millionen und 325 Millionen Euro prognostizierte. Das war noch vor Ankündigung der zweiten Schließung. Beim HDF ist derzeit von einem prognostizierten Verlust von etwa einer Milliarde Euro die Rede.

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Constantin-Chef Martin Moszkowicz sagt: „Ich glaube, dass die Menschen die Kultur brauchen, um über so schwere Zeiten hinwegzukommen.“ Man müsse immer im Hinterkopf behalten, „dass wir dabei sind, einen großen, wichtigen Teil unserer Kultur zu beschädigen oder zu verlieren“, fügte der Produzent („Fack ju Göhte“) hinzu.

Theater

Der Bundesverband Schauspiel (BFFS) kritisierte die geplante Schließung von Theatern als unsinnig. „Gerade kleinere und nicht öffentlich geförderte Häuser werden diesen erneuten und vollkommen unnötigen Schlag vor den Bug nicht überleben“, heißt es in einem offenen Brief, den der Schauspielverband online veröffentlichte. „Ein kultureller Kahlschlag ohne Beispiel wird die Folge sein.“

Als „sehr bitter“ bezeichnet der Intendant des Hamburger Thalia-Theaters, Joachim Lux, die bevorstehende Zwangspause. Die neue Chefin der Münchner Kammerspiele, Barbara Mundel, warf der Politik „komplette Willkür“ vor. In einer Demokratie müssten die Regeln für den Umgang mit der Corona-Seuche verhandelt werden. „Lernen und verhandeln kann man aber nicht, wenn mit Verboten und Willkür durchregiert wird“, sagte Mundel der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag).

Joachim Lux, der Intendant vom Theater "Thalia".

Joachim Lux, der Intendant vom Theater "Thalia".

Etwas Verständnis zeigt Hannovers Schauspiel-Intendantin Sonja Anders. Die Schließung der Theater und Konzerthäuser sei „bitter“. Dennoch sei die Entscheidung der Politik zu erwarten gewesen, sagte sie in Hannover. „Mit der Schließung kommen wir einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung nach, auch wenn wir nicht oft genug betonen können, dass unsere Hygiene-Konzepte im Theater sehr gut funktionieren - und bisher in Deutschland keine Infektionsherde von einem Zuschauersaal ausgegangen sind.“ Sie betont: „Die Theater sind sichere Orte.“

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Der Intendant der Württembergischen Staatstheater, Marc-Oliver Hendriks, kritisiert dagegen „Symbolpolitik“. Nun fielen Theater „als Diskursorte mit einer wichtigen gesellschaftlichen Funktion aus“, kritisierte Hendriks. Auch der Generalintendant des Mecklenburgischen Staatstheaters, Lars Tietje, übte harte Kritik. „Der Mensch ist ein soziales Wesen und braucht Gemeinschaft und Kultur“, betont er.

Museen

Für die vorübergehende Schließung von Museen wegen der Corona-Pandemie fordert der Deutsche Museumsbund einen finanziellen Ausgleich. „Auch Museen arbeiten wirtschaftlich, es gibt zudem viele private und vereinsgeführte Museen, die laufende Kosten haben“, sagt der Präsident des Deutschen Museumsbundes und Direktor des Badischen Landesmuseums, Eckart Köhne. Er weist darauf hin, dass Museen freie Mitarbeiter und Solo-Selbstständige beschäftigen. „Da sehen wir uns als Museen genauso wie Wirtschaftsunternehmen.“

Eckart Köhne vom Deutschen Museumsbund.

Eckart Köhne vom Deutschen Museumsbund.

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Bei den von der öffentlichen Hand getragenen Museen sei der Appell, dafür zu sorgen, dass es nicht mittel- und langfristig zu Problemen komme. Es werde alle Anstrengungen brauchen, nach der Krise wieder ein geregeltes gesellschaftliches Leben möglich zu machen, sagt Köhne. „Die Museen sind ein unverzichtbarer Bestandteil, und es kann nicht sein, dass nach Corona auch noch eine Sparwelle auf uns zukommt.“

RND/dpa

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