Die Leiden der Prinzessin: Im Kinodrama „Spencer“ glänzt Kristen Stewart als Diana

Plötzlich Prinzessin: Kristen Stewart als Diana in einer Szene des Films „Spencer“.

Plötzlich Prinzessin: Kristen Stewart als Diana in einer Szene des Films „Spencer“.

Bei der Anfahrt zur royalen Weihnachtsfeier verirrt sich Prinzessin Diana. Sie steigt aus ihrem Sportwagencabrio aus (offenes Verdeck im Winter!), stöckelt in einen Tankstellenpub und fragt ein paar verblüffte britische Untertanen: „Wo zum Teufel bin ich hier?“ Womöglich ist die Frage aber gar nicht ans gemeine Volk gerichtet, sondern mehr noch an sich selbst. Verwunderlich ist ihre Odyssee jedenfalls, schließlich ist Diana in dieser Ecke Englands aufgewachsen.

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Das Verirrtsein lässt sich durchaus sinnbildlich verstehen in Pablo Larraíns Kinospuk „Spencer“, der von Prinzessin Dianas letzter Weihnachtsfeier 1991 mit der königlichen Familie auf dem Landsitz Sandringham House in Norfolk erzählt. Damals, so wird es hier nahegelegt, entschied sie sich, aus dem goldenen Käfig auszubrechen und ihre Ehe mit Prinz Charles zu beenden.

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Verspätet trifft die Prinzessin, geboren als Diana Frances Spencer, in dem von einem Wassergraben umgebenen Gemäuer ein, das Kamerafrau Claire Mathon („Porträt einer jungen Frau in Flammen“) wie das eiskalte Schloss in einem bösen Märchen filmt. Die kratzige Musik von Radiohead-Musiker Jonny Greenwood tut ein Übriges, um sich zu gruseln.

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Verzweiflung beim Blick

Von nun an wird Diana bei jeder familiären Zusammenkunft auf sich warten lassen oder gar nicht auftauchen und lieber die Kloschüssel in ihren Gemächern – Pardon! – vollkotzen. Qualen bereiten ihr die Begegnungen mit den Royals – sieht man von denen mit ihren Söhnen William und Harry ab, deren Verzweiflung beim Blick auf ihre verhaltensauffällige Mutter wächst.

Dianas mangelnde soziale Kompatibilität bringt es aber auch mit sich, dass man die anderen kaum zu Gesicht bekommt. Nur ein einziges Mal führt Diana (Kristen Stewart) eine skurrile Konversation mit der Queen, als diese mit ihren Corgis Gassi geht. Geistern gleich scheinen sich die Familienmitglieder in unterkühlten Gängen zu verflüchtigen, in denen es sich nur mit Mänteln und Decken aushalten lässt.

Prinzessin Di glaubt tatsächlich, nächtens ein Gespenst zu entdecken, das ihr eigenes blasses Gesicht unter einer dunklen, mittelalterlichen Robe trägt: Anne ­Bo­leyn, die zweite der sechs Ehefrauen von Heinrich VIII., die dieser 1536 wegen vorgeblichen Ehebruchs und Hochverrats enthaupten ließ.

Ihren Kopf fordert hier aber niemand, Prinzessin Diana erleidet ganz im Gegenteil eine Art Fürsorgefolter. Mit regelmäßigen Ansagen wird sie aufs nächste Dinner wie eine Astronautin vor dem Countdown vorbereitet. Quasi im Stundentakt wird die vorgeschriebene Kleidung zurechtgelegt – oder ihre Gardinen werden wegen angeblich lauernder Fotografen zugetackert.

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Spione im Dienste der Queen

Er habe eine Fabel inszeniert, die auf einer wahren Tragödie beruhe, erklärt der chilenische Regisseur Pablo Larraín im Filmvorspann. Er weiß ja auch nicht, was wirklich hinter den Gardinen von Sandringham House passiert ist (das für den Filmdreh größtenteils nach Deutschland ins Schlosshotel Kronberg bei Frankfurt und ins Schloss Marquardt bei Potsdam verlegt wurde). Da geht es ihm nicht anders als den Machern der Netflix-Serie „The Crown“.

Schon einmal ist Larraín zu einem verzweifelten Menschen hinter einer Ikone vorgedrungen: In „Jackie“ empfand er nach, wie Jackie Kennedy nach dem Tod ihres Präsidentenmannes zur einsamsten Frau der Welt wurde – damals gab Natalie Portman eine grandiose Vorstellung. Das gelingt nun Kristen Stewart. Wunderbar ist die Szene, als sie einen Fasan in einem recht einseitigen Gespräch darum beneidet, weil dieser sein farbenprächtiges Gefieder behalten darf und sich nicht umziehen muss.

Stewart gibt eine Frau außer sich, die ein letztes Mal den Widerstand im Lager des Feindes probt. Das Personal empfindet Diana als Spione im Dienste der Queen, allen voran den zu ihrer Betreuung abkommandierten Major Gregory (Timothy Spall mit herrlich gespitztem Mund). Die ihr vertraute Kammerzofe Maggie (Sally Hawkins) ist mehr Fantasiegestalt als real, der Nachfolgerin traut sie nicht und komplimentiert sie hinaus: „Gehen Sie jetzt bitte, ich möchte masturbieren.“ Zumindest in diesem Moment fällt es leicht, die kratzbürstige Prinzessin zu lieben.

Je länger der Film dauert, desto mehr erscheint Dianas Einheirat in die königliche Familie als grandioses Missverständnis: Niemand hat ihr vorab das Handbuch mit der Jobbeschreibung als zukünftige Königin Englands ausgehändigt.

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Im Billardzimmer versucht Charles, Versäumtes nachzuholen: „Was du nicht verstehst, ist, dass es uns zweimal geben muss. Da ist die öffentliche Person, und da ist der Mensch. Das Volk möchte nicht, dass wir Menschen sind.“ Er hat diese Schizophrenie verinnerlicht.

Diana wird das niemals tun. Sie möchte Mensch bleiben. In diesem komisch-schrecklichen Kinospuk wird die Tragödie erkennbar, die mit einem tödlichen Unfall 1997 in einem Pariser Tunnel endete. Da nannte sich Prinzessin Diana wieder Spencer.

„Spencer“, Regie: Pablo Larraín, mit Kristen Stewart, Timothy Spall, Jack Farthing, 117 Minuten, FSK 12

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