Rückkehr der Museen: „Wir wollen kein virtuelles Museum im digitalen Raum nachbauen“

Tipp, tipp, tipp und ab in die weltweite Kulturszene: Streaming macht’s möglich.

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Frau Eschenfelder, haben sich Ausstellungen per Livestream beziehungsweise als Onlineangebot in den vergangenen Monaten bewährt?

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Die Coronak-Krise hat in den Museen schlagartig die Notwendigkeit der Digitalisierung vor Augen geführt. Im Städel-Museum waren wir vorbereitet. Es hat sich bewährt, dass wir bereits vor fünf Jahren mit unserer digitalen Erweiterung an den Start gegangen sind: Die digitale Strategie und damit das Angebot zahlreicher digitaler Vermittlungs­formate für unsere Besucherinnen und Besucher waren bereits erprobt. So waren wir während der Lockdown­zeiten gut auf die Ausnahme­situation einer Museums­schließung vorbereitet.

Was bedeutet das Konzept der digitalen Erweiterung genau?

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Unsere digitalen Aktivitäten und Initiativen verfolgen nicht den Zweck, ein virtuelles Museum im digitalen Raum nachzubauen. Die digitalen Angebote des Städel-Museums sind als eigenständiges, kostenfreies Programm zu verstehen, welches das analoge Programm im Museum komplementär ergänzt – mit Digitorials, einem Onlinekurs zur Kunst der Moderne, einer digitalen Sammlung, Podcasts, Filmen und vielem mehr. Und unser Publikum war dankbar, dass diese sehr qualitätsvollen Angebote zur Verfügung standen. Die Nutzerzahlen haben sie je nach Angebot verdoppelt, teilweise sogar verzehnfacht.

Digitale Angebote werden im Städel-Museum ständig weiter­entwickelt

Wird es nun, da die Museen wieder real besucht werden können, auch weiterhin Online­angebote aus Ihrem Haus geben?

Wir entwickeln unsere digitalen Angebote stetig weiter. Das Modell hybrider Kultur­erlebnisse in analogen und digitalen Formaten hat die Pandemie noch bestärkt. Wichtig dabei ist, dass die Vorteile des jeweiligen Mediums gezielt eingesetzt werden: Das unmittelbare Erlebnis des Originals gelingt beim analogen Besuch, die umfangreiche Vermittlung von Kontext­informationen eher digital. So hat etwa die große Nachfrage des Publikums nach digitalen Angeboten während der Corona-Krise auch gerade im Bildungsbereich zu einem ungeheuren Schub geführt.

Dr. Chantal Eschenfelder leitet im Städel den Bereich Bildung & Vermittlung.

Dr. Chantal Eschenfelder leitet im Städel den Bereich Bildung & Vermittlung.

Inwiefern?

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Wir haben etwa unsere „Bildungswoche“ 2020 neu und vor allem digital konzipiert. Die „Bildungswoche“ kam erstmals in die Schulen und Kitas: Einen ganzen Monat lang standen kostenfreie Arbeitsblätter und Workshop­anleitungen zum Download bereit. Es wurden Handelswege, Klimawandel oder Kinderrechte zum Thema der Auseinander­setzung mit der Kunst. Die Materialien ließen sich in den Unterricht einbinden und eigneten sich gleichermaßen fürs Homeschooling. Der Besuch des Städel-Museums war Teil des Angebots. Die Kinder und Jugendlichen konnten mit der Teilnahme im Anschluss ins Museum.

Welche Schwierigkeiten sehen Sie bei der digitalen Vermittlung von Ausstellungen?

Bei der digitalen Kunst­vermittlung fehlt die im Museum stets erlebbare Faszination des Originals. Insofern ist auch das Erlebnis eines Ausstellungs­besuchs selbst nicht digital zu vermitteln. Viele Institutionen laufen Gefahr, dieses Manko mit technischer Beeindruckung kompensieren zu wollen. Die Strategie, technische Features als Hauptattraktion einer digitalen Anwendung zu implementieren, hat sich jedoch als kurzlebig erwiesen. Immer wieder führen Versuche einer reinen Übertragung des realen in den virtuellen Museumsraum zu Sackgassen, da sie das Interesse ihrer Nutzer eigentlich nicht bedienen können.

Was machen Sie anders?

Das Städel-Museum nutzt den digitalen Raum in Ergänzung zur physischen Sammlungs­präsentation als Ort der Rekontextualisierung. Daher haben wir das Digitorial als innovatives Format für eine inhaltliche Vorbereitung auf den Ausstellungs­besuch entwickelt. So können sich Besucherinnen und Besucher mit den Schwerpunkten der Schau vertraut machen. Als mehrstimmige Erzählung mit verschiedenen Ebenen bietet das Digitorial innovatives Storytelling und eine Verschränkung von Bild, Ton, Film und Text. Es entsteht eine neuartige Vernetzung der Inhalte. Sehen, lesen und verstehen – ganz individuell gesteuert, zu Hause, im Café oder auf den Weg zur Ausstellung. Wir wissen, dass die Besucherinnen und Besucher durch das Digitorial informierter ins Museum kommen und deshalb ein viel bereichernderes Besuchserlebnis haben.

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Erreicht werden soll ein breites Publikum

Welche positiven Erfahrungen bei der alternativen Übertragung von Kultur­veranstaltungen nehmen Sie aus den vergangenen Monaten mit in die Zukunft?

Mit unserem neuen Programm „Museum für zu Hause – live“ etwa, einem eigens für den digitalen Raum entwickelten Angebot an interaktiven Online­touren und Online­sessions, erreichen wir ein breites Publikum und können die Interaktion und das Gespräch über Kunst wieder fördern. Das freut uns sehr. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer schalten sich deutschlandweit dazu, auch international verzeichnen wir ein wachsendes Publikum. Wir haben dieses neue Format bewusst entwickelt, um dem Bedürfnis nach Führungen und Kunstbetrachtung insbesondere in der zweiten, längeren Lockdownzeit zu entsprechen. Es ist ein sozialer Kunsterlebnis­raum im Digitalen entstanden, der Kunst­begegnungen, Einführungen in die aktuellen Sonder­ausstellungen und überraschende Verbindungen zwischen den Themen unserer Zeit und den großen Meisterwerken des Städel-Museums und der Liebieghaus-Skulpturen­sammlung bietet.

Was nehmen Sie noch Positives mit?

Positiv war auch, dass wir mit der bereits erwähnten digitalen „Bildungswoche“, die vor der Pandemie jährlich rund 4000 Schülerinnen und Schüler mit Lehrerschaft zu einem besonderen Vermittlungs­programm ins Städel-Museum lockt, nun rund 17.000 Kinder und Jugendliche erreichen konnten – auch deutsche Schulen im Ausland haben Materialien heruntergeladen, eine Chance für einen weiteren Ausbau in der Zukunft. Und die für das Programm entwickelten Willkommens­filme wurden rund 43.000-mal aufgerufen. Es war ein voller Erfolg und die nächste „Bildungswoche“ ist bereits in Planung.

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