Quarantänekreation: Ein Pferd aus Pappe kommt in Canberra ins Museum
Ein Museum in Canberra bekommt einen Neuzugang: ein Papierpferd namens Russell.
© Quelle: David Marriott
Sydney.Das australische Nationalmuseum in Canberra ist ein ehrwürdiges Museum. Es beherbergt die wichtigsten Artefakte des Landes – angefangen bei indigenen Schätzen der Ureinwohnerinnen und Ureinwohner bis hin zu den Navigationsinstrumenten von Kapitän James Cook, der Australien einst für die britische Krone in Besitz nahm. Nun erhält das Museum in der australischen Hauptstadt einen überraschenden Neuzugang: ein Papierpferd namens Russell.
Bisher war der Pappgaul im Besitz von David Marriott, einem britischen Art-Director, der in Sydney lebt und arbeitet. Marriott bastelte den Hengst bereits Anfang des Jahres. Damals saß er alleine in einem Hotelzimmer in Brisbane. Nach einer Reise nach Großbritannien musste er zwei Wochen in einem Quarantänehotel absitzen – eine der Maßnahmen Australiens im Kampf gegen das Coronavirus. Der künstlerisch begabte Marriott fand das „Luxusgefängnis“ härter zu ertragen, als er sich das gedacht hatte. In einem Telefoninterview sagte er damals: „Freiheit ist eben ein kostbares Gut.“
Kunst aus Müll
Anstatt aber in Traurigkeit zu versinken, wurde der 58-Jährige kreativ. „Auf Reisen habe ich immer einen Malblock und Wasserfarben dabei und so fing ich an, den Blick vom Hotelzimmer aus zu malen“, berichtete er. Dann habe er Bücher gelesen und Fernsehen geschaut – doch danach gingen ihm die Ideen ein wenig aus.
Schon bald fielen ihm jedoch die Berge an Müll auf, die jede einzelne Mahlzeit im Hotelzimmer generierte. „Zu jedem Essen erhält man diese braunen Papiertüten mit den Gerichten und Snacks“, erklärte er. Da kämen im Laufe der Zeit eine Menge Container und Material zusammen. „Ich habe alles behalten, sauber gemacht und sortiert, um es zu recyclen.“ Als jedoch am dritten Tag eine Schüssel mit in der Tüte war, sei ihm die Idee gekommen, dass sich daraus ein toller Hut bauen ließe. Dann trennte er die Papiertüten auseinander – die, wie er meinte, ein „tolles Material“ seien – und fing an zu basteln. Für TV-Werbungen, die er in seinem Beruf als Art-Director produziert hatte, hatte Marriott bereits beim Requisitenbau mit Hand angelegt. „Das Wissen, das ich dabei über die Jahre angesammelt habe, kam mir zugute“, sagte er.
Wilder Westen im Hotel
Aus den Materialien bastelte er sich ein Cowboy-Outfit und schließlich – mithilfe des Bügelbretts und einer Schreibtischlampe im Hotel – einen Kompagnon, dem er den Namen Russell gab. Russell ist ein Pappgaul, dessen Maul beweglich ist – ein nettes Feature, das der Künstler gleich zum Einsatz brachte, als er anfing, kurze Videos von seiner Wildwest-Landschaft im Hotelzimmer zu drehen und sich mit Russell zu unterhalten.
Fotos seiner künstlerischen Eskapaden lud er auf Facebook, die kurzen Videos auf Vimeo. Daraufhin hätten ihn plötzlich Menschen aus aller Welt kontaktiert, berichtete Marriott. Es sei schön, gerade in dieser schwierigen Zeit anderen eine Freude zu machen, meinte Marriott. „Das Beste war jedoch, dass die Bilder meine Mama zum Lachen brachten“, sagte er.
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Anstatt während der Quarantäne in Traurigkeit zu versinken, wurde ein 58-Jähriger kreativ.
© Quelle: David Marriott
Ein „klimatisierter Stall“ für Russell
Marriott hatte Australien zuvor aus einem traurigen Grund verlassen müssen. Nachdem sein Vater nach einem Sturz im Februar in Großbritannien ins Krankenhaus musste, infizierte er sich dort mit Covid-19 und verstarb schließlich an den Folgen der Erkrankung.
Doch auch den Hotelangestellten bereitete Marriott eine nette Abwechslung. Als er sich beispielsweise einen Spaß erlaubte und einen Gassigeh-Service für Russell anforderte, schrieb der Hotelmanager amüsiert zurück: „Ich muss alle Personen (Pferde wie jeden anderen) bitten, für die Dauer der Quarantäne im Zimmer zu bleiben. Ich vertraue darauf, dass Ihr edles Ross das aushält.“
Nach Ablauf der Quarantänezeit wollte Marriott seinen neuen Freund Russell am liebsten im Hotel lassen, doch Kollegen überzeugten ihn, den Pappgaul mit nach Hause zu bringen. Denn zu diesem Zeitpunkt war Russell in Australien bereits eine echte Berühmtheit geworden. Die große mediale Aufmerksamkeit rief zudem das Museum auf den Plan. Dieses wollte sich zwar bisher nicht zu dem eher ungewöhnlichen Neuzugang äußern, es schickte laut Marriott aber „spezielle Kunstkuriere“, um Russell sicher zu verpacken und nach Canberra zu transportieren. „Ich bin mir sicher, sie haben einen schönen klimatisierten Stall für ihn!“, kommentierte Marriott auf Facebook.