Kulturtipp für zu Hause: Edward Hopper, der Maler zur Corona-Krise

Weltberühmt: Edward Hoppers Gemälde “Nighthawks”.

Weltberühmt: Edward Hoppers Gemälde “Nighthawks”.

Kein Maler trifft mit seinen Bildern zurzeit die wegen der Corona-Krise von Isolation und sozialer Distanzierung geprägten Zeit so wie Edward Hopper. Seine berühmten Bilder zeigen einsame Menschen, wie sie alleine zu Hause sitzen und lesen oder versonnen aus dem Fenster starren. Sie zeigen Häuser, die allein und abgeschottet in der Landschaft stehen, und Städte, die wie ausgestorben wirken.

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Vom Coronavirus konnte der 1967 gestorbene US-Amerikaner natürlich nichts wissen. Aber trotzdem werden seine Bilder in diesen Tagen in den sozialen Netzen vielfach geteilt und diskutiert. Denn sie spiegeln das Lebensgefühl dieser Tage wider. Viele Menschen haben in diesen Tagen nicht das Glück, wenigstens mit Freund/Freundin, Familie oder der WG-Gemeinschaft verbringen zu können. Sie sitzen allein in ihrer Wohnung oder in ihrem Haus und sind so etwas wie fleischgewordene Hopperfiguren. Was für einen triste Zeit.

Ausstellung in Basel konzentriert sich auf Landschaftsgemälde

Ohne das Coronavirus könnten jetzt Hopper-Bilder unter ganz anderen Voraussetzungen in Basel betrachtet werden. In der Fondation Beyeler konzentrieren sich die Kuratoren auf seine Landschaftsbilder. Eine Seite Hoppers, die noch nicht so bekannt ist wie seine ikonischen Gemälde, „Nighthawks” etwa oder „Gas”. Da die Ausstellung momentan aber wegen des Coronavirus geschlossen ist, zeigen wir auf RND.de eine Auswahl an Gemälden aus der Ausstellung, aber auch aus dem Begleitkatalog und dem kleinen Band „Hopper A–Z”, die beide bei Hatje Cantz erschienen sind.

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Der schmuck- und eindrucksvolle Katalog zeigt, was wir verpassen. Die frühen Gemälde des 1882 in Nyack/New York geborenen Malers erinnern noch stark an die impressionistischen Einflüsse dieser Frühzeit. Berühmt geworden ist Edward Hopper aber durch seinen figurativen und realistischen Stil. Seine Gemälde sind Abbilder einer von Vereinzelung und Vereinsamung geprägten amerikanischen Gesellschaft. Barack Obama war von Hopper sogar so begeistert, dass er sich zwei seiner Landschaftsbilder ins Oval Office hängen ließ.

Edward Hopper beeinflusste zahlreiche Filmemacher

Mit seinem Lichtspiel hat Edward Hopper zudem Generationen von Filmemachern beeinflusst. Hopper selbst war ein großer Kinofan. Wenn er unter Malblockade litt – was häufiger vorkam – floh er ins Kino. So erinnern manche seiner Bilder, wie etwa das berühmte „Gas” mit dem einsamen Tankwart im Wald oder „Summer Evening”, bei dem ein junges Paar auf der Veranda steht und sich unterhält (vielleicht sind es aber auch Geschwister, die zusammen schweigen, oder ein Ex-Paar, dessen Schweigen gleich in Gewalt mündet, das weiß man bei Hopper nie genau), an Filmstills.

So zeigt und erzählt der Katalog in einem überzeugenden Text, wie sehr Alfred Hitchcock von Edward Hopper begeistert war. Der Meister des Suspense hat – um nur ein Beispiel zu nennen – Hoppers Gemälde „House by the Railroad” als Vorbild für die Bates-Villa in „Psycho” genommen. Aber auch Wim Wenders gehört zu den großen filmedrehenden Hopper-Fans. Sein Film „Paris, Texas” ist eine Hommage an den Maler. Wenders hat nun extra für die Ausstellung in Basel einen 3-D-Film gedreht, der zeigt, wie einzelne Szenen aus Hoppers Bildern weitergehen könnten.

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Denn Edward Hopper war ein Meister des vorletzten Moments. Der Betrachter fragt sich oft, was wohl vor der dargestellten Szene passiert ist und wie es im nächsten Schritt weitergeht. Im Film lassen sich diese Geschichten erzählen. Bei Hoppers Bildern laufen die Filme in unseren Köpfen ab.

Edward Hopper trug immer ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe mit sich herum. Im Original. Denn Hopper hatte in der Schule Deutsch gelernt und las die deutschen Geistesgrößen im Original. Das Goethezitat lautet: „Sieh, was doch alles Schreibens Anfang und Ende ist, die Reproduktion der Welt um mich durch die innere Welt, die alles packt, verbindet, neu schafft, knetet, und in eigener Form, Manier, wieder hinstellt, das bleibt ewig Geheimnis, das ich auch nicht offenbaren will den Gaffern und Schwätzern.”

Genau diese Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Welt ist es auch, was Hopper in diesen Tagen wieder so aktuell werden lässt. Normalerweise sind die Grenzen zwischen Außen- und Innenwelt fließend. In unserer coronainfizierten Welt aber grenzt sich das Innen gegen das (möglicherweise erkrankte) Außen ab. Wir ziehen uns zurück in eine Kokonwelt, die wir abschließen, so, wie Hopper seine nicht selten türenlosen Häuser abgeriegelt hat. Zurück bleiben wir als Menschen, die im Moment oft nicht viel mehr haben als ihre angsterfüllte und einsame Innenwelt. Wir sind momentan Hopperfiguren.

Katalog ist ein guter Ersatz für die Ausstellung

Das berühmte Gemälde „Nighthawks” wäre in der Ausstellung in Basel nicht zu sehen. Auch im Ausstellungskatalog, der neben vielen Abbildungen auch sehr informative Texte über Hopper und die Landschaft, Hopper in Cape Ann – wo er mit seiner Frau Jo, so oft es ging, den Sommer verbrachte – oder Hopper und der Film enthält, findet es sich nicht. Dagegen zeigt das kleine Büchlein „Hopper A–Z” das berühmte Gemälde von den beiden Nachtschwärmen in der Bar. Dieses Buch des Kurators der Ausstellung, Ulf Küster, ist eine wunderbare kleine Einführung in Werk und Leben des melancholischen Magiers Hopper, das ebenfalls zur Schau in Basel erschienen ist.

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Edward Hopper, etwa 1937

Edward Hopper, etwa 1937

Und so wie wir in diesen Tagen hoffen, dass unsere soziale Isolation, das Homeoffice und die erzwungene Kontaktlosigkeit zu anderen Menschen bald ein Ende haben wird, so hoffen wir für die Frau in dem Gemälde „Cape Cod”, die aus ihrem eng zulaufenden, schießschartenartigen Erkerfenster schaut, dass sie vielleicht gar nicht einsam ist. Sondern ihr liebender Mann oder eine gute Freundin gerade mit dem Auto auf den Hof gefahren ist und ihr nun Gesellschaft leisten wird. So wie in Hoppers Gemälden ist auch in unserer Corona-Gegenwart das, was man sieht, mindestens genauso wichtig, wie das, was man nicht sieht.

Die Ausstellung Edward Hopper. Ein neuer Blick auf die Landschaft” in der Fondation Beyeler in Basel läuft regulär noch bis zum 17. Mai. Inwieweit sich die Corona-Krise auf die Dauer der Ausstellung auswirkt, ist noch unklar.

Der Katalog zur Ausstellung ist bei Hatje Cantz erschienen, umfasst 148 Seiten und kostet 58 Euro.

Das kleine, feine Buch Hopper AZ” (ebenfalls bei Hatje Cantz) mit 120 Seiten und 37 Abbildungen kostet 18 Euro.

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