Ein Abenteurer mit Mission
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James Cameron und Suzy Amis Cameron bei der Weltpremiere von „Avatar: The Way of Water“ im Odeon Luxe Leicester Square in London.
© Quelle: Getty Images
Überschäumende Freude bei einer Oscarverleihung ist beinahe Pflicht. Von Schauspielern werden Gefühlsausbrüche erwartet. Emotionen, ob gut gespielt oder tatsächlich empfunden, gehören zur Jobbeschreibung. Aber dieser Ausruf erstaunte dann doch – und stammte noch dazu von einem Regisseur: „Ich bin der König der Welt“, verkündete James Cameron 1998 auf der Oscarbühne.
Doch dürfte kaum jemand dem Kanadier diese Selbstkrönung übel genommen haben. Erstens zitierte er damit nur seinen Kinohelden Jack (Leonardo DiCaprio) am Filmbug der „Titanic“, und zweitens hatte er mit genau diesem Film soeben elf Oscars gewonnen. So etwas hatte bis dahin nur „Ben Hur“ geschafft (und danach nur der Abschluss der „Der Herr der Ringe“-Trilogie). Zudem schickte sich der Schiffsuntergang der „Titanic“ an, der erfolgreichste Film an der Kinokasse zu werden. Der teuerste Film war er sowieso.
Eindeutig gehört der 1954 geborene Filmemacher dem Hollywoodadel an, bloß ist er keine so auffällige Majestät wie beispielsweise George Lucas. Camerons Einfluss auf Hollywood rangiert jedoch in ähnlichen Sphären.
Ein Visionär hinter der Kamera
Lucas’ „Krieg der Sterne“ war jener Film, den Cameron nach eigenem Bekunden am liebsten selbst gedreht hätte, zuallererst wegen der Spezialeffekte. Cineastische Zaubertricks liebt Cameron – und zwar so sehr, dass er die Geschichte zu seinem ersten „Avatar“-Film schon geschrieben hatte, als diese sich noch gar nicht visuell umsetzen ließ. Erst mit ausgefeiltem 3-D-Verfahren und der Performance-Capture-Technik – Mimik und Gestik werden durch Marker am Körper abgetastet und auf Computermodelle übertragen – brach er schließlich zu seiner Weltraumreise auf.
Mit jedem neuen Werk trachtet Cameron danach, die Kinokunst weiter voranzutreiben. Der Mann ist ein Visionär hinter der Kamera, der nach dem Motto lebt: Warum es sich leicht machen, wenn es auch schwer geht?
Bei seinem ersten Ausflug auf den Planeten Pandora schulterte der Perfektionist die 14 Kilogramm schwere 3-D-Kamera selbst. Er hatte sie schließlich zusammen mit seinem Team konstruiert. Wäre er nicht Regisseur geworden, hat er mal gesagt, dann vielleicht Antarktis- oder ein Ozeanforscher nach der Art von Jacques Cousteau.
13 Jahre lang haben die Fans auf den zweiten „Avatar“-Film warten müssen, der in Deutschland nun endlich am 14. Dezember in den Kinos startet. Der Druck auf Camerons Schultern muss unermesslich sein. „Den überdimensionalen Erfolg des ersten Films nur annähernd erreichen zu wollen wäre ein dämliches Unterfangen“, hat er jüngst dem „Stern“ gesagt. Und doch weiß er genau: Genau daran wird er gemessen bei Produktionskosten von mindestens 350 Millionen Dollar.
Auftrag: Die Rettung des Kinos
Drei weitere „Avatar“-Filme hat er bereits in der Pipeline. In großen Teilen sind sie schon abgedreht. Die Branche hofft, dass seine Filmreihe das schafft, was James Bond im Vorjahr nur bedingt gelungen ist: Der „Avatar“-Nachschub im Zweijahresrhythmus soll das Kinopublikum zurück in den dunklen Saal holen.
Erfolgreich waren seine Filme bislang auch deshalb, weil sie Ungewöhnliches kombinieren: Bei allem Hang zu Superlativen pocht in Cameron das Herz eines Autorenfilmers. Bei seinem Regiedebüt – dem Pulp-Film „Piranha 2 – Fliegende Killer“ (1981) – war er nachts in das Schneidewerk des Produzenten eingebrochen, um den Film nach seinen Vorstellungen zu vollenden. Der Produzent machte Camerons Änderungen später wieder rückgängig.
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Ihr Planet wird bedroht: Sam Worthington als Jake Sully und Zoe Saldana als Neytiri in einer Szene des Films „Avatar 2: The Way Of Water".
© Quelle: -/20th Century Studios/dpa
Camerons erster „Terminator“-Film von 1984 entwickelte sich zu wahrem Kult und erhob Arnold Schwarzenegger zum Star (obwohl – oder gerade weil? – dieser im ganzen Film nur rund 70 Wörter spricht). Cameron hatte von einem Maschinenskelett gealbträumt und war so zu dem Stoff eines zeitreisenden Androiden inspiriert worden. Den ersten Teil drehte er noch für eine Handvoll Dollar, die Fortsetzung „T 2″ (1991) kostete als erster Hollywoodfilm mehr als 100 Millionen, spielte aber auch das Fünffache ein.
Auch zu „Avatar“ wurde Cameron durch einen Traum angestiftet: Seiner Mutter waren im Schlaf blaugefärbte Frauen begegnet. Allerdings hatten diese sechs Brüste, was ihm dann doch zu gewagt erschien.
Für Filmproduzenten ist Cameron der reinste Horror. Er überzieht Drehpläne und Budgets mit schöner Regelmäßigkeit. Und wer hätte darauf gewettet, dass ein paar überdimensionierte blauhäutige Wesen auf einem fernen Planeten weltweite Begeisterungsstürme entfesseln würden?
Viele erwarteten 2009, dass „Avatar“ ein Flop würde. Noch in der Postproduktion habe man ihn den „größten Idioten in der Geschichte Hollywoods“ genannt, hat Cameron mal gesagt. Dann übernahm der Film mit rund 3 Milliarden Dollar wiederum die Spitze bei den Einspielergebnissen und hält sie bis heute.
Im neuen Film versprechen besonders die Unterwasseraufnahmen ein Fest fürs Auge. Seine Darsteller und Darstellerinnen mussten in einem riesigen Wassertank das Freitauchen lernen. Angeblich stellte Kate Winslet mit mehr als sieben Minuten und 14 Sekunden den Rekord auf. Schon Camerons Thriller „Abyss“ (1989) spielte unter Wasser.
Seiner Zeit voraus
Im Meer kennt sich Cameron bestens aus: Mit einem Mini-U‑Boot tauchte er nicht nur zur „Titanic“; sondern auch zum knapp 11.000 Meter tiefen Marianengraben im Pazifik. Die renommierte National Geographic Society hat ihn zum „Explorer in Residence“ erkoren.
Aus den Tiefen der Ozeane ist Cameron mit einer Mission wieder aufgetaucht: Die Schönheit der Welt möchte er seinem Publikum vor Augen führen. Er will daran erinnern, wie frevelhaft es ist, sie zu zerstören. Auch im wahren Leben kämpft er gegen Klimawandel und Umweltsünden. Er protestierte an der Seite von Indigenen gegen einen gigantischen Staudamm in Brasilien. Als die Ölplattform Deepwater Horizon 2010 explodierte, bot er an, die Ölpest im Golf von Mexiko mit seinen U‑Booten zu bekämpfen und das Leck abzudichten.
Ein Filmemacher mit Mission, der am Filmset nur veganes Essen serviert: So etwas macht Hollywood normalerweise skeptisch. Bei Cameron machen die Produzenten eine Ausnahme. Vielleicht haben sie auch erkannt, dass er immer wieder mal seiner Zeit voraus ist. Cameron inszenierte schon vielschichtige Frauenfiguren wie zum Beispiel Rose in „Titanic“, als sich Blockbuster-Kollegen über Geschlechtergerechtigkeit noch gar keine Gedanken machten.
Jüngst hat der 68-Jährige Andeutungen gemacht, dass er den Staffelstab beim vierten oder fünften „Avatar“-Film an einen Jüngeren übergeben könnte. Vom Rentnerleben hält er aber nichts: Der Abenteurer mit Mission will sich stärker dem Naturschutz widmen.