Häusliche Gewalt: Chinesische Sängerin wagt sich an ein Tabuthema

Die chinesische Sängerin Tan Weiwei.

Die chinesische Sängerin Tan Weiwei.

Taipeh. „Zwietracht, Vergewaltigung, Ehebruch. Durchtrieben, gierig, kriecherisch.“ Die chinesische Musikerin Tan Weiwei reiht in ihrem neuen Song 16 Wörter wie diese aneinander, Sie haben eines gemeinsam: In jedem ist auf Chinesisch das Zeichen für „Frau“, „nu“, enthalten.

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Mit der kraftvolle und schockierenden Verwendung der Wörter, mit denen häufig Frauen verunglimpft werden, will die Sängerin ein Augenmerk auf das Problem häuslicher Gewalt lenken. Damit trifft sie einen Nerv in China, wo es Opfer trotz eines wachsenden öffentlichen Bewusstseins schwer haben, Gerechtigkeit zu erlangen. In sozialen Medien loben Nutzer Tan dafür, ihre Stimme erhoben und Aufmerksamkeit für ein Problem geweckt zu haben, das viele nicht öffentlich diskutieren.

Ihr Song „Xiao Juan“ nimmt Bezug auf einige tragische Fälle, die eine landesweite Diskussion und Rufe nach einem besseren gesetzlichen Schutz für Frauen ausgelöst haben. So starb im September eine junge Tibeterin, nachdem ihr Exmann sie mit Benzin angezündet hatte, während sie aus ihrer Küche einen Livestream sendete. Im Oktober machte das Video eines Mannes in Shanxi die Runde, der offenbar seine Frau zu Tode prügelte, während Passanten tatenlos zusahen.

Schätzung: Jede dritte Ehefrau in China betroffen

„Mit Fäusten, mit Kerosin, mit Säure (...) Den Abfluss hinuntergespült, vom ehelichen Haus in die Versenkung im Flussbett“, singt Tan. „Meinen Körper gefangen und meine Zunge abgeschnitten, weben sich leise Tränen in die Seide und in den Brokat.“

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Frauen, die in China von ihren Männern oder anderen männlichen Angehörigen angegriffen werden, haben meist nur wenig Chancen auf Gerechtigkeit, nur wenige Fälle werden angezeigt. Häusliche Gewalt ist in der Volksrepublik erst seit 2015 ein eigener Straftatbestand. Der staatliche Frauenverband schätzt, dass etwa eine von drei verheirateten Frauen im Land entsprechende Erfahrungen macht. Im Jahr 2018 verzeichnete der Verband jedoch lediglich 39.371 offizielle Berichte von den schätzungsweise 270 Millionen Familien landesweit.

In den vergangenen Jahren gingen mehr Frauen mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit. Mit der Ausbreitung der weltweiten #MeToo-Bewegung beschuldigten Dutzende junge Chinesinnen namhafte Männer öffentlich der sexuellen Belästigung. Einige zogen sogar vor Gericht. Die meisten Opfer häuslicher Gewalt bringen diesen Mut aber noch nicht auf.

Im weitverbreiteten Kurznachrichtendienst Weibo wurde ein Hashtag mit dem Titel „Die Songs von Tan Weiwei sind wirklich mutig“ mehr als 340 Millionen Mal angesehen - deutlich mehr als die 5,2 Millionen Views für das Musikvideo zu dem Lied. Viele bemerkten, dass Tans Song auf echte Todesfälle anspielen könnte, über die in den Nachrichten berichtet wurde.

Geschichten von Frauen in elf Liedern

Tans jüngstes Album „3811“ erzählt in elf Liedern die Geschichten verschiedener Frauen, von einer Dichterin aus der Tang-Dynastie bis zu einem zwölfjährigen Mädchen namens Aguo, das in einer rituellen Zeremonie zum Übergang zur Frau einen Baum heiratet. Doch die meiste Beachtung fand der letzte Song auf dem Album, „Xiao Juan“, der den Opfern häuslicher Gewalt gewidmet ist.

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Tan fordert darin, dass dieser Opfer nicht als „Xiao Juan“ gedacht wird, was in China einem anonymen Namen entspricht, wie er in Medien oder Polizeiberichten verwendet wird. „Wir heißen nicht "Xiao Juan"“, singt sie. „Kenne meinen Namen. Erinnere Dich an meinen Namen.“

RND/AP

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