Hannes Jaenicke: “Wir manipulieren unsere Erde”

Hannes Jaenicke: “Wir werden irgendwann gezwungen sein umzudenken. Wäre schön, wenn das passiert, bevor es zu spät ist.”

Hannes Jaenicke: “Wir werden irgendwann gezwungen sein umzudenken. Wäre schön, wenn das passiert, bevor es zu spät ist.”

Herr Jaenicke, wozu braucht es einen Kinofilm darüber, wie der Mensch die Erde ruiniert: Sehen wir das nicht täglich in der “Tagesschau”?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Nee, diese Bilder sehen Sie nirgendwo anders. Die Filmemacher haben drei Jahre lang mit enormem Aufwand überall auf der Welt gedreht. Mich hat die Bilderwucht von “Die Epoche des Menschen” an die grandiose Doku “Koyaanisqatsi” erinnert. Das will etwas heißen: Die ist von Anfang der Achtziger – und vermutlich nur noch Leuten bekannt, die 60 Jahre alt sind so wie ich.

Sie sprechen den Text zu den Bildern: Erklären Sie doch mal den Begriff Anthropozän aus dem Filmuntertitel.

Vorher wusste ich auch nicht, was das heißt und wie man das schreibt. Jetzt weiß ich es: Die Erdgeschichte wird in Phasen eingeteilt. Erstmals sind wir nun in einer Phase, in der nicht mehr die Natur die Evolution bestimmt, sondern der Mensch. Dieser Planet ist sozusagen nicht mehr Herr seiner selbst, sondern der Mensch manipuliert seine weitere Entwicklung.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Hat die Erde genug vom Menschen?

Die Erde wird sich immer weiter drehen. Die Frage ist nur, in welchem Zustand. Wenn wir so weiter machen, wird das irgendwann eine Art Wüstenplanet. Die Ozeane verkommen zu Müllhalden. Und wir werden mit unkontrollierbaren Unwettern zu kämpfen haben.

Sind Eingriffe des Menschen automatisch immer schlecht?

Nein, vor der industriellen Revolution war der Umgang des Menschen mit dem Planeten verkraftbar. Erst seitdem plündern wir ihn aus – egal ob es um Bodenschätze, Fischfang oder fossile Energien geht.

Welche Bilder dieses Films haben Ihnen besonders wehgetan?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Ich habe lange in Köln gelebt und war im Hambacher Forst. Geradezu gespenstisch waren für mich deshalb die Aufnahmen vom Garzweiler Braunkohletagebau. Da sind aber auch diese gespenstischen Szenen von der Müllhalde bei Nairobi: Man sieht, in welchen Massen wir Konsummüll produzieren. Oder Bilder aus der Atacamawüste in Chile, die langsam umgemodelt wird in eine einzige Lithium-Mine.

Kann man E-Autos nach diesen Aufnahmen überhaupt Erfolg wünschen?

Wenn wir die Batterien vernünftig recyceln, wie das zum Beispiel Tesla schon tut, dann ja. Wir müssen lernen, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Am wichtigsten ist das beim Plastik, von dem immer noch 15 Millionen Tonnen jährlich in die Ozeane gelangt.

Sehen Sie denn irgendwo Fortschritte?

Kommt darauf an, wo Sie hingucken. Es gibt Länder, die uns Europäern meilenweit voraus sind. Costa Rica wird demnächst CO₂-neutral sein. Kenia geht drastisch gegen Leute vor, die mit Plastiktüten herumlaufen, Ruanda hat die Plastiktüte schon 2008 verboten.

Lehrt uns Corona etwas über die Verwundbarkeit der Welt?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Diese Krise war nicht nur eine Verschnaufpause für die Natur, sondern auch für uns gehetzte Menschen, die plötzlich mal Zeit hatten, nachzudenken. Leider gibt es viele Verantwortliche, die nun sagen, wir müssen so schnell wie möglich dahin zurück, wo wir vor der Krise waren. Das ist ziemlich dumm und kurzsichtig.

Zweifeln Sie etwa an der Intelligenz des Homo sapiens?

Jeden Tag, von morgens bis abends.

Kommt der Zuschauer womöglich schuldbeladen aus diesem Film?

Nein, diese Doku kommt eben nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daher. Hier wird auch keine Weltuntergangsstimmung beschworen. Aber die Bilder bewirken etwas in den Köpfen.

In der Doku steht eine Elefantenschützerin in Kenia vor Tausenden Stoßzähnen und sagt, sie habe den “Geruch des Todes” in der Nase: Haben Sie den auch schon gerochen?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Fürs ZDF habe ich 2016 einen Film über Elfenbeinhandel gedreht und exakt dieselben Erfahrungen gemacht. Wenn wir weiter so viele Elefanten umbringen, werden wir sie in 20 Jahren nur noch im Zoo zu Gesicht bekommen.

Was ist zu tun?

Vielleicht müssen wir den Chinesen doch mal ins Gewissen hämmern, dass es so nicht weiter geht. Warum kann man in jedem zweiten chinesischen Elektroladen iPhone-Hüllen aus Elfenbein kaufen? Fast alle Tierprodukte, die zur Ausrottung von diversen Arten führen, landen auf dem chinesischen Markt. Das fängt mit Haifischflossensuppe an, geht mit Tigerpenis und Löwenknochen weiter und hört beim Elfenbein nicht auf. Man kann auf China wütend werden, auch wenn man nicht Donald Trump heißt.

Werden die afrikanischen Tierreservate die Corona-Krise überstehen?

Der Ausfall des Tourismus ist eine Katastrophe. Die Wilderei geht durch die Decke, weil die Leute nichts mehr zu essen haben. Afrikanische Staaten müssen unterstützt werden. Sonst haben die Menschen dort keinen Grund mehr, ihre Natur zu schützen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Am Ende des Films ringen Sie sich zu Hoffnung durch: Der Mensch kann sich besinnen. Glauben Sie daran?

Die Antwort ist klipp und klar ja – schon deshalb, weil der Leidensdruck irgendwann so groß sein wird, dass wir etwas ändern müssen. Spätestens dann, wenn die Meere leergefischt sind. Wenn wir am Plastikmüll ersticken. Wenn der CO₂-Ausstoß weiter so rapide steigt. Wir werden irgendwann gezwungen sein, umzudenken. Wäre schön, wenn das passiert, bevor es zu spät ist.

Mehr aus Kultur

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken