Gibt Frankreich Afrikas Kulturgüter zurück?

Große königliche Statuen des Königreichs Dahomey aus den Jahren 1890-1892 im Quai Branly Museum-Jacques Chirac. Laut Schätzungen befinden sich 85 bis 90 Prozent des afrikanischen Kulturerbes in Europa. Allein in den Sammlungen des Pariser Musee Quai Branly sollen sich rund 70 000 Artefakte aus Subsahara-Afrika befinden.

Große königliche Statuen des Königreichs Dahomey aus den Jahren 1890-1892 im Quai Branly Museum-Jacques Chirac. Laut Schätzungen befinden sich 85 bis 90 Prozent des afrikanischen Kulturerbes in Europa. Allein in den Sammlungen des Pariser Musee Quai Branly sollen sich rund 70 000 Artefakte aus Subsahara-Afrika befinden.

Paris. Die Forderung ist so alt wie die Unabhängigkeit der einstigen afrikanischen Kolonien Frankreichs. Lange wurde sie von afrikanischen Intellektuellen oder Politikern geäußert – nie aber von einem französischen Präsidenten. Bis Emmanuel Macron vor einem Jahr in der Hauptstadt von Burkina Faso, Ouagadougou, seine Rede über das Verhältnis Frankreichs zu den einstigen Kolonialstaaten hielt. „Das afrikanische Kulturerbe muss in Paris zur Geltung gebracht werden, aber auch in Dakar, Lagos, Cotonou“, sagte Macron. „Ich will, dass bis in fünf Jahren die Bedingungen für eine temporäre oder definitive Rückgabe des afrikanischen Kulturgutes nach Afrika geschaffen werden.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Mit einer detaillierten Aufstellung über Art und Ausmaß dieses Kulturerbes wurden die französische Historikerin Bénédicte Savoy und der senegalesische Ökonom Felwine Sarr beauftragt. Monatelang forschten sie über den Ursprung von Kunstwerken, die sich überwiegend im Pariser Museum für außereuropäische Kunst, im Musée du quai Branly, befinden, das 2006 der damalige Präsident Jacques Chirac initiiert hat. Am Freitag wurde ihr Bericht offiziell veröffentlicht.

85 bis 90 Prozent des afrikanischen Kulturerbes befinden sich in Europa

Demzufolge befinden sich 85 bis 90 Prozent des afrikanischen Kulturerbes außerhalb des Kontinents – ein Ungleichgewicht, wie es sonst nirgendwo existiert. Deshalb schlagen die beiden Forscher eine Rechtsänderung hinsichtlich des französischen Kulturerbes vor, das eine Rückgabe auf Antrag eines afrikanischen Staates hin ermöglicht. Sie empfehlen bilaterale Abkommen, um Kunstwerke jeweils jenen Staaten auszuhändigen, die heute den damals geplünderten Gebieten entsprechen. „Es geht nicht darum, die einen zu bestrafen und alles den anderen zurückzugeben“, sagen Savoy und Sarr. „Aber die afrikanische Jugend hat ein Recht auf ihr Kulturerbe. Die Afrikaner haben nicht einmal Zugang zur Kreativität ihrer Vorfahren.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Gezählt haben sie rund 90.000 afrikanische Kunstwerke in den nationalen Sammlungen, überwiegend im Museum am Quai Branly. Die meisten dieser Schmuckstücke und Masken, Statuen oder Kultobjekte stammen aus dem Subsahara-Afrika und gelangten zwischen 1885 und 1960 nach Frankreich, also während der Kolonialzeit.

Ein System der Plünderungen

Den Wissenschaftlern zufolge gab es ein regelrechtes „System“, nach dem über Plünderungen und Diebstähle hinaus Kunstwerke zu Spottpreisen gekauft und dann in Frankreich weitaus teurer wieder verkauft wurden. Sie hätten die konkrete Geschichte des Erwerbs jedes einzelnen Objektes erforscht, um möglichst neutral und ohne von einer Ideologie geleitet zu sein vorzugehen.

Dennoch gelten viele ihrer Vorschläge als „explosiv“, wie es das Wochenmagazin „Le Point“ formuliert: „Was wird in den Museen bleiben? Werden komplette Bereiche des Quai Branly leer sein?“ Der Anwalt Yves-Bernard Debie warnt vor „einer Infragestellung der Geschichte und des Rechts“. Andere befürchten, eine „Büchse der Pandora“ würde geöffnet: Müssten dann nicht auch die vom Italiener Leonardo da Vinci geschaffene „Mona Lisa“ im Louvre oder der aus Ägypten stammende Obelisk auf der Place de la Concorde in Paris zurückgegeben werden?

Wird die französische Regierung den Empfehlungen folgen?

Marie-Cécile Zinsou, Direktorin der Kunststiftung Zinsou in Benin, weist darauf hin, dass nicht alle afrikanischen Staaten bereits über die erforderlichen Infrastrukturen und Museen verfügten: „Es heißt nicht, dass die Staaten, nur weil die Möglichkeit offen ist, kämpfen werden, um ihre Objekte zu erlangen. Aber der Ball liegt in unserem Feld.“ Zunächst aber gilt abzuwarten, inwiefern die französische Regierung den Empfehlungen folgt.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Von Birgit Holzer

Mehr aus Kultur

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken