Film über Proteste in Belarus: „An der Zeit, zu schreien, nicht mehr allein zu sprechen“
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Regisseur Aliaksei Paluyan kommt für den Film „Courage“ im Rahmen des Filmfestivals Berlinale Summer Special in Berlin an.
© Quelle: Michael Sohn/POOL AP/dpa
Berlin. Der Regisseur Aliaksei Paluyan will mit seinem neuen Dokumentarfilm „Courage. Kunst und Demokratie in Belarus“ auf die Unterdrückung der Demokratiebewegung in seinem Heimatland aufmerksam machen. Es herrsche Alarmstufe Rot in Belarus, sagte der 31-Jährige am Freitag vor der Premiere bei der Berlinale. „Nun ist es an der Zeit, zu schreien, nicht mehr allein zu sprechen.“ Er wolle bei Festivals das Vorgehen des Machtapparats in Minsk immer wieder thematisieren.
Die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja forderte von der EU mehr Tempo bei neuen Sanktionen gegen Machthaber Alexander Lukaschenko. Es könne alles viel schneller und entschlossener passieren, sagte sie bei einer Pressekonferenz. „Damit die Menschen, die im Gefängnis sitzen, weniger leiden müssen.“ Der Bürgerrechtlerin zufolge sitzen derzeit 55 Kulturschaffende in Haft, darunter die frühere Stuttgarter Kulturmanagerin Maria Kolesnikowa.
„Wir arbeiten die Revolution auf“
Die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch sagte, die Verantwortung der Künstler sei groß. „Wir arbeiten die Revolution auf.“ Kunstschaffende hätten in der Vergangenheit zu lange geschwiegen. „Ich hoffe, wir werden alle überleben. Niemand möchte Stiefel anziehen und auf dem Schlachtfeld sterben.“
Alexijewitsch lobte zugleich die Gewaltfreiheit der Proteste im vergangenen Sommer und Herbst. Sie hätten sich damit von der Brutalität des „Regimes“ abgehoben. Die Autorin und Tichanowskaja mussten ihre Heimat unter dem Druck der Repressionen gegen Andersdenkende verlassen.
Regisseur Paluyan sagte vor Beginn der Berlinale-Vorführung, alles passiere nur eine Flugstunde von Berlin entfernt. Nach Aufforderung durch Paluyan hielt das Berlinale-Publikum Blätter mit Porträts von in Belarus inhaftierten Oppositionellen in die Höhe.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sagte am Rand der Vorführung, die Berlinale habe immer den Anspruch, ein politisches Festival zu sein, und löse das einmal mehr ein. „Ein Film wie dieser hat eine breite Öffentlichkeit verdient“, sagte Grütters der dpa. „An dem Film wird sichtbar, dass es einmal mehr die Kraft der Kultur ist, vor der autoritäre Regime und Diktaturen Angst haben.“
Brutales Vorgehen gegen friedliche Demonstranten
In dem beim Berlinale Summer Special gezeigten Dokumentarfilm von Paluyan, der in Deutschland lebt, geht es um drei Schauspieler, die vor und während der Revolution gegen Lukaschenko begleitet werden. Nach Angaben des Filmverleihs ist ein Werk über den friedlichen Aufstand der Menschen in Belarus gegen Ungerechtigkeit und gegen die brutale Unterdrückung der Demokratiebewegung entstanden.
„Es fällt mir schwer, solche Filme zu sehen, wie Menschen verprügelt, getötet und gefoltert werden“, sagte Tichanowskaja, die sich zuvor am Freitag mit Politikern mehrerer im Bundestag vertretenen Parteien getroffen hatte. „Der Film zeigt, wie sehr wir uns verändert haben. Diese Veränderung ist mit großen Opfern verbunden.“
Nach der weithin als gefälscht geltenden Präsidentenwahl in Belarus vor zehn Monaten gingen Sicherheitskräfte mitunter brutal gegen friedliche Demonstranten vor. Zehntausende Menschen kamen vorübergehend in Haft, Hunderte wurden verletzt, mehrere getötet. Lukaschenko ist seit rund 27 Jahren an der Macht. Die EU erkennt denn 66-Jährigen nicht mehr als Präsidenten an.
RND/dpa