Viel Glanz, wenig Hintergrund

Sex mit dem Mikrofonständer: die volle „Elvis“-Dröhnung im Kino

Der King und seine größten Fans: Austin Butler als Elvis in einer Szene des Films „Elvis“.

Der King und seine größten Fans: Austin Butler als Elvis in einer Szene des Films „Elvis“.

Eben noch lässt sich der kleine Elvis von Rhythm-and-Blues-Klängen in East Tupelo, Mississippi, elektrisieren, da erobert der erwachsene Presley auch schon die Bühne: Die Hüften zucken, der Körper katapultiert sich auf die Fußspitzen, und der ganze Unterkörper scheint in einem einzigen Vorwärtsruck zu explodieren: Der King of Rock ‘n‘ Roll ist im Kino in Bestform zurück – frisch, verwegen, sexy. Wer vermisst da noch das Original?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

So viel lässt sich über Baz Luhrmanns Elvis-Presley-Ekstase schon nach wenigen Minuten sagen: Der 30-jährige US-Schauspieler Austin Butler ist eine treffliche Besetzung für dieses Filmporträt der Musikerlegende. Man begreift sofort, dass diese provozierenden Bewegungen in den Fünfzigern das Publikum kirre machten und die Sittenwächter auf den Plan riefen. Elternverbände und religiöse Gruppierungen liefen Sturm gegen den Mann, der auf offener Bühne gewissermaßen Sex mit dem Mikrofonständer hatte.

Butler singt in diesem Film die Songs, jedenfalls einige, in den zahlreichen Liveauftritten selbst. Bei anderen wird seine Stimme durch jene des echten Elvis verstärkt, die annähernd drei Oktaven umfasste.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Seltsam nur, dass der Sänger bei Luhrmann kaum altert und sich schon gar nicht in einen Fettwanst verwandelt, wie es beim echten der Fall war. Im Zweifelsfall bevorzugt der Regisseur die attraktive Elvis-Variante, so wie es ihm überhaupt zuallererst um Schauwerte geht – auch wenn er Elvis‘ Geschichte von den Anfängen im Schwarzenviertel in Mississippi bis zu den pillensatten Nächten in einsamen Hotelsuiten in Las Vegas erzählt.

Klang- und Tongewitter

Aber was heißt bei dem Exzentriker Luhrmann schon erzählen? Der Film ähnelt eher einem donnernden Klang- und Tongewitter. Die volle Dröhnung Elvis Presley soll es sein, eine fiebernde, überbordende, zweieinhalbstündige Hommage. Der Rausch der superschnellen Schnitte, Farbgewitter und Splitscreens lässt einem keine Zeit zum Durchschnaufen.

Wenn der Australier schon in „Moulin Rouge!“ (2001) exaltiert bei der Sache war (und etwas dezenter auch in „Der große Gatsby“, 2013), dann hat er nun das wahre Objekt seiner Begierde gefunden. Dieser Film kommt einer glamourösen Elvis-Revue, einem Best-of des Künstlers gleich.

Dabei hatte sich Luhrmann einen besonderen Dreh einfallen lassen, um das Leben des bis heute erfolgreichsten Solokünstlers zu sortieren, der mehr als eine Milliarde Platten verkaufte. Er nimmt die Perspektive des genauso aalglatten wie habgierigen Managers „Colonel“ Tom Parker (Tom Hanks) ein. Parker verkündet hier gleich zu Beginn: „Ich habe der Welt Elvis Presley gegeben. Ohne mich hätte es ihn so nicht gegeben.“

„I hate Elvis“

Der Film hätte sich zum Duell zwischen diesen beiden verdichten lassen. Parker machte aus Elvis eine Marke – bis hin zu Ansteckplaketten mit der Aufschrift „I hate Elvis“ für all jene, die ihn eben nicht liebten (den Button „I love Elvis“ gab es sowieso). Bis zu 50 Prozent des Gewinns kassierte Parker. Und als der „King“ schon tablettenkrank und ausgelaugt in den Seilen hing, da schickte er ihn noch immer auf die Bühne im Hotel International in Las Vegas.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Doch der verzweifelte Kampf eines Künstlers um seine Autonomie gerät immer wieder aus dem Fokus in diesem pompösen Kinospektakel. Hier ist die Show wichtiger als die Substanz.

Erst in der zweiten Filmhälfte wird die Tragik dieses im Alter von gerade einmal 42 Jahren beendeten Lebens spürbar. Dann lässt Luhrmann ein wenig Raum für die Traurigkeit eines Mannes, dem sein Leben außerhalb der Bühne inklusive Ehefrau Priscilla (Olivia DeJonge) abhandengekommen war. Ob Elvis wirklich an der übergroßen Liebe zu seinem Publikum starb, wie Parker mutmaßt?

Für Tom Hanks ist der „Colonel“, der gar keiner war, sondern ein Hochstapler aus den Niederlanden, die wohl unsympathischste Rolle seiner Karriere. Unter einer dicken Latexschicht verwandelt er sich in einen Menschenmanipulator. Wie eine listige Spinne zieht Parker im Hintergrund die Fäden.

In Elvis‘ Gegenwart mag die Frage, wie weit er sich afroamerikanische Musik aneignete, niemanden interessiert haben. Ein Film aus dem Jahr 2022 kann dieses Problem nicht komplett ignorieren. Luhrmann und seine Drehbuchautoren suchen einen denkbar einfachen Ausweg: Sie zeigen seine Freundschaft mit B. B. King (Kelvin Harrison Jr.). Und auch Elvis Presleys ausführlich gezeigter Schock über die Ermordung von Martin Luther King soll die Verbundenheit mit seinen schwarzen Vorbildern demonstrieren.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Wuchtig reiht sich „Elvis“ ein in die Reihe von Musikfilmen wie „Rocketman“ oder „Bohemian Rhapsody“. Erschöpft verlässt man das Kino. Wer mehr über Elvis wissen möchte, sollte eine Biografie zur Hand nehmen, um all die Splitter zu einem Bild zu formen. Gut unterhalten fühlt man sich in „Elvis“ aber auf jeden Fall.

„Elvis“, Regie: Baz Luhrmann, mit Austin Butler, Tom Hanks, Olivia DeJonge, 159 Minuten, FSK 6

Laden Sie sich jetzt hier kostenfrei unsere neue RND-App für Android und iOS herunter

Mehr aus Kultur

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken