Echter Knochenjob: „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ mit Michael „Bully“ Herbig
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Der Boandlkramer alias Michael „Bully“ Herbig entdeckt seine Gefühle.
© Quelle: Leonine
Was ist schlimmer als der personifizierte Tod, der vor der Tür steht? Ein russischer Kommunist vor der Tür, mit dem im Nachkriegsdeutschland der Fünfzigerjahre im hellblau-weiß-seligen Bayern allzeit gerechnet wird.
Allerdings sind Tod und Kommunist schwer zu unterscheiden, weil sie aus bayerischer Sicht ähnliche Ziele verfolgen: „Irgendwann gehört ihr alle mir“, sagt der in schwarze Fetzen gekleidete Typ, den man mitsamt Hut jederzeit als Vogelscheuche aufs Feld stellen könnte. Und seine Zuhörer bemerken: „So reden nur die Kommunisten, die wollen Weltherrschaft.“
Es handelt sich dann aber doch um den Boandlkramer (Michael „Bully“ Herbig), wie der Tod euphemistisch im Süden Deutschlands genannt und so psychologisch auf sicherem Abstand gehalten wird. Der Name setzt sich zusammen aus „Boandl“ für Gebeine und „Krämer“ für einen Händler, der vorrangig an der Haustür Geschäfte macht. Ein echter Knochenjob eben, jedenfalls wenn man ihn schon seit Ewigkeiten ausübt.
Das Ganze muss man sich in der bayerischen Mundart vorstellen, die in Joseph Vilsmaiers letztem Film „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ ohne Untertitel gesprochen wird – nicht jedes Detail ist für Preußen hundertprozentig zu verstehen. Aber das macht nichts. Der Film wartete lange schon auf seinen Kinostart – und ist nun zumindest vorerst bei Amazon Prime gelandet.
Es handelt sich hier um eine reichlich exotische Angelegenheit: um einen Heimatfilm mit ordentlichem Klamaukfaktor, a Gaudi halt, die übergangslos Züge einer Art Reality-Fernsehshow annimmt, sobald der Teufel (Hape Kerkeling) ins Spiel kommt.
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Gestorben ist der Regisseur Vilsmaier im Februar vorigen Jahres in München, ebenda, wo er 81 Jahre zuvor auf die Welt gekommen war. Dass sein letzter Kinofilm nun noch einmal eine solch urbayerische Angelegenheit ist, stimmt tröstlich – erzählte doch Vilsmaiers erster 1989 vom Leben der niederbayerischen Bäuerin Anna Wimschneider. Schon „Herbstmilch“, mit Vilsmaiers späterer Frau Dana Vávrová in der Hauptrolle, zeigte den Regisseur als sanften Heimatfilmer.
Sanft ist hier nun allerdings wenig: Es handelt sich um die krachlederne Parodie eines in den Fünfzigerjahren beliebten und später in Verruf geratenen Genres – nur dass hier nun Tod und Teufel als komische Vögel mit von der Partie sind. Und dann ist da noch die vermeintliche Witwe Gefi (Hannah Herzsprung), die sich in die Hände eines sympathischen männlichen Versorgers (Florian Brückner) begeben will, der schon parat steht.
Gefis Sohn Maxl (Josef Staber) aber wartet immer noch bei der Ankunft eines jeden Zuges am Bahnhof darauf, dass der in russischer Kriegsgefangenschaft verschollene Papa aussteigt – einmal ist hier auf alten „Wochenschau“-Aufnahmen Bundeskanzler Konrad Adenauer zu erspähen, der verspricht, die letzten deutschen Kriegsgefangenen aus dem kommunistischen Reich zurückzuholen. Und dann verliebt sich der Boandlkramer in die Gefi, als er deren verunglückten Bub im Himmel abliefern soll.
Von Liebe keine Ahnung
Sowohl das hier vermittelte Frauenbild als auch die arglose Einbettung in die alles andere als unschuldige Kriegshistorie verursachen Stirnrunzeln. Aber die Drehbuchautoren Herbig, Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt, ist länger tot“) und Ulrich Limmer (arbeitete mit Vilsmaier bei „Comedian Harmonists“ zusammen) wollen niemandem Böses. Das Trio möchte das Publikum mit einem Kinoschmarrn bespaßen. Dreh- und Angelpunkt ist der Boandlkramer, den Herbig für Vilsmaier auch schon 2008 in „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“ verkörpert hat. Auch in der – nun ja – Fortsetzung ist der Tod ein Tollpatsch mit dem Herz am rechten Fleck, wenn er ein solches hätte.
Von Liebe versteht der Boandlkramer rein gar nichts. Deshalb sucht er die Unterstützung eines Schwerenöters (Sebastian Bezzel), den er großzügig im Himmel und nicht in der fest für ihn gebuchten Hölle abgegeben hat.
Herbig, kaum zu erkennen unter seiner Maske, legt den Boandlkramer mit ordentlich Slapstick an. Die vielleicht schönste Szene: Sein Tod tanzt der Angebeteten zuliebe so, wie er es sich im Dorfkino bei Laurel und Hardy abgeschaut hat.
Vor diesem Tod muss niemand Angst haben, er ist ein eher bemitleidenswerter Geselle. Der schmierige Teufel mit Föhnlocke dagegen residiert in einem Kristallkabinett wie ein auf Abwege geratener TV-Showmaster – Fernsehballett und eingespielte Lacher inklusive. Als Einlassdame hat er ein Ex-Model (Nadja Auermann) engagiert. Kerkeling ist eine gute Wahl für den Job.
Aber auch er haucht diesem aufgemotzten Märchen keine diabolischen Züge ein. Hinter der zur Schau gestellten Frechheit lauert die Harmlosigkeit. Kein Wunder, dass Gott das Weite im Himmel gesucht hat. Immerhin hat er einen Zettel hinterlassen. Drauf steht: „Brauche Zeit zum Nachdenken.“
„Der Boandlkramer und die ewige Liebe“, bei Amazon ab 14. Mai, Regie: Joseph Vilsmaier, mit Michael Herbig, Hannah Herzsprung, Hape Kerkeling, 87 Minuten