Dieselbe Inszenierung – mit schwarzen Schauspielern
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Die Kopie: Inszenierung von Anta Helena Recke.
© Quelle: Münchner Kammerspiele
München. Bühnenbild, Dramaturgie, Kostüme, Dialoge: Fast alles an der Inszenierung in den Münchner Kammerspielen kommt dem Zuschauer bekannt vor. Die junge Regisseurin Anta Helena Recke hat in weiten Teilen eine Inszenierung von Anna-Sophie Mahler kopiert, die 2015 an derselben Bühne Premiere feierte, zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde und immer noch auf dem Spielplan steht. Mit einem Unterschied: Die Darsteller sind diesmal keine Weißen. Das Stück „Mittelreich“ dreht sich um einen grantelnden Wirt am Starnberger See; es handelt sich um die Bühnenadaption eines Romans des Theaterschauspielers Josef Bierbichler („Das weiße Band“). Die Rezensionen der jüngsten Inszenierung fielen größtenteils negativ aus, die „Süddeutsche Zeitung“ titelte: „Schwarz allein reicht nicht.“ Die „Neue Zürcher Zeitung“ ging gar irrtümlich davon aus, dass es sich bei den Darstellern um Flüchtlinge handelte und kritisierte den fremden Blick auf den bayerischen Stoff – als wenn Auswärtige nur in Dokumentarstücken über ihr eigenes Schicksal berichten dürften.
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Das Original: Inszenierung von Anna-Sophie Mahler.
© Quelle: Münchner Kammerspiele
Die Diskussion zeigt, für wie selbstverständlich kulturelle Homogenität auf deutschen Bühnen genommen wird: Niemand käme wohl auf die Idee, eine Inszenierung zu kritisieren, weil nur weiße Darsteller mitspielen. Es würde einfach nicht weiter auffallen. Auch die Ankündigung des Intendanten Matthias Lilienthal spricht Bände: Es soll neben den zwei geplanten Vorführungen nun noch weitere geben, das käme das Theater jedoch teuer zu stehen, weil die Darsteller allesamt Gäste seien. Im Ensemble deutscher Stadttheater sucht man – mit Ausnahme des Berliner Maxim-Gorki-Theaters – eben meist vergeblich nach Diversität. Recke selbst versteht ihre Inszenierung im Kontext der Appropriation Art, eine Spielart der Konzeptkunst, bei der Künstler mit strategischer Überlegung die Werke anderer Künstler kopieren. Die Inszenierung ist also im Kontext der alten Version zu sehen. In einer Szene – es herrscht im Spiel gerade Karneval – geht die Strategie besonders gut auf: Recke wiederholt hier die Blackfacing-Szene aus Mahlers Inszenierung. Ähnliche Szenen hatten in der Vergangenheit Rassismus-Debatten ausgelöst, in München blieb diese aus. Erst jetzt in der verfremdeten Kopie wird die Absurdität deutlich: Wenn Dunkelhäutige sich schwarz anmalen, um dem Bild zu entsprechen, dass sich das weiße Publikum von ihnen macht.
Von Nina May/RND