Die vier vom Brennpunkt – so ist David Wnendts Film „Sonne und Beton“
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Lass es Liebe sein: Vincent Wiemer (links) als Julius und Elisabeth Albin als Denise in einer Szene des Films „Sonne und Beton“.
© Quelle: -/Constantin Film/dpa
Es ist das Jahr 2003, Hitze brütet über der Stadt, telefoniert wird noch mit dem alten Nokia-Handy, und im Fernsehen spricht Bundeskanzler Schröder über die Agenda 2010. Die interessiert die Jugendlichen in den Betonburgen der Neuköllner Gropiusstadt nun wirklich nicht. Auf ihrer Agenda stehen Abhängen, Drogenverticken, Kleinkriminalität und ein bisschen Spaß haben. Wer dort lebt, ist Gangster oder Opfer.
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Zur letzten Kategorie gehören der ängstliche und körperlich schwache Lukas (Levy Rico Arcos), der sensible Gino (Rafael Luis Klein-Heßling) und der nicht gerade helle Julius (Vincent Wiemer). Als sie im völlig vermüllten Park Gras kaufen wollen, geraten sie zwischen die Fronten rivalisierender Dealer und Lukas wird elend verprügelt.
Obendrein soll er 500 Euro Schutzgeld auftreiben, sonst geht’s der Familie an den Kragen. Zum Trio stößt noch der kubanisch-deutsche Sanchez (Aaron Maldonado-Morales), der auf die Idee kommt, in die Schule einzubrechen und die neuen Computer zu klauen und zu verhökern. Natürlich geht alles schief.
David Wnendt („Kriegerin“) bringt frischen Wind ins deutsche Kino mit der Verfilmung des titelgebenden Bestsellers von Comedian und „Gemischtes Hack“-Podcaster Felix Lobrecht. Ein rohes und raues Stück Kino mit Härte, Feingefühl und Kompromisslosigkeit. Das berühmt-berüchtigte Berliner Viertel, das inzwischen von Gentrifizierung bedroht ist und dessen graue Hochhäuser von außen farblich aufgepeppt sind, wird realitätsnah als Brennpunkt sozialer Konflikte gezeichnet – ein Teufelskreis von Ungerechtigkeit und brachialer Gewalt. Verständnislose Väter und überforderte Lehrer haben den Draht zu den Jugendlichen verloren, die in einer anderen Welt leben.
Wnendt ist authentisch und zeigt Figuren in ihren Widersprüchen
Du hast keine Chance, aber nutze sie. Nach diesem alten Spontispruch handeln die Heranwachsenden, die von „Kanacken“ reden und alle „ficken“, andere als „Lauch“, „schwul“ oder „behindert“ beschimpfen und sich an frauenfeindlichem Deutschrap aufgeilen, obgleich sie eigentlich von Mädchen träumen, aber mit primitiver Anmache im Bus jede vergraulen.
Lobrecht pfiff auf politische Korrektheit und verheimlichte nicht die türkischen und arabischen Wurzeln der Drogendealer, das nimmt auch Wnendt auf, reproduziert aber keine Klischees oder Vorurteile, sondern zeigt die Figuren in ihren Widersprüchen. Die Authentizität des Romans spiegelt sich auch im Film, der den Spagat zwischen Problemlastigkeit und Alltagskomik schafft und unterhält, ohne das Thema zu verwässern, weil er sich an der Lebenswirklichkeit vieler 15-Jähriger orientiert.
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Die im aufwendigen Streetcasting ausgewählten phänomenal guten Hauptdarsteller im gleichen Alter stehen erstmals vor der Kamera – als normale und nicht immer coolste Jungs, die oft auf dicke Hose machen, auch wenn sie nur ihre Sehnsüchte und Ängste kaschieren. So wie viele gleichaltrige Kids, die sich mit ihnen identifizieren können.
„Sonne und Beton“, Regie: David Wnendt, mit Levy Rico Arcos, Vincent Wiemer, Rafael Luis-Klein-Heßling, 119 Minuten, FSK 12 (ab 2. März im Kino).