Der King in Cannes: Elvis-Presley-Biopic mit Tom Hanks
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/ZLSGUWBZNZAI5EOZDX25EJ6ZKA.jpg)
Bereit für die große Show: Tom Hanks, Olivia DeJonge und Austin Butler bei der „Elvis“-Premiere in Cannes.
© Quelle: Getty Images
Noch in der Nacht vor der großen Sause hatten die Handwerker mit Hochdruck an der Partylocation getüftelt. Pünktlich am Premierenabend erstrahlte dann die Aufschrift „Elvis“ über dem Eingangstor am Strand – in jenen blau-roten Farben, wie sie einst auch über dem Hotel International in Las Vegas geleuchtet hatten, wo das Objekt der Begierde über Jahre auf der Bühne stand: Regisseur Baz Luhrmann hat seinen heiß ersehnten Biografiefilm über die Rock-‘n‘-Roll-Legende Elvis Presley nach Cannes gebracht.
Eine kluge Terminierung war das: Erschlafft biegt das Festival vor der Preisverleihung am Samstag auf die Zielgerade ein. Kurz zuvor lässt der „King“ den Adrenalinspiegel noch einmal in die Höhe schnellen. Für Partystimmung ist der australische Regisseur Luhrmann der Richtige. Er feierte in Cannes schon mit „Moulin Rouge!“ (2001) und „Der große Gatsby“ (2013).
Nun serviert er eine volle Dröhnung Elvis Presley, eine atemlose, überbordende, zweieinhalbstündige Hommage. Der anstrengende Rausch der superschnellen Schnitte, Farbgewitter und Split-Screens lässt einem keine Zeit zum Durchschnaufen. Der ganze Elvis soll es sein von den Anfängen im Schwarzenviertel in Mississippi bis zu den drogensatten Nächten in einsamen Hotelsuiten.
Dazwischen jede Menge Konzertauftritte: Überzeugend trägt sie der 30-jährige US-Schauspieler Austin Butler mit energiegeladenem Schwung vor – und mit jenen sexy Hüftbewegungen, die das weibliche Publikum einst kirre machten und im männlichen die Sittenwächter auf den Plan riefen. Und dann ist da noch die Liebe zu Priscilla (im Film gespielt von Olivia DeJonge, in Cannes aber leibhaftig auf dem roten Teppich).
Aalglatter Manager „Colonel“ Parker
Dabei hatte sich Luhrmann einen besonderen Dreh einfallen lassen, um das Leben des bis heute wohl erfolgreichsten Solokünstlers einzufangen. Er erzählt aus der Perspektive des genauso aalglatten wie habgierigen Managers „Colonel“ Tom Parker (Tom Hanks). Dieser sagt im Rückblick, als der Musiker schon tot ist: „Ich habe der Welt Elvis Presley gegeben.“
Der Film hätte sich als Duell zwischen diesen beiden verdichten lassen. Parker machte aus Elvis eine Marke – bis hin zu Ansteckplaketten mit der Aufschrift „I hate Elvis“, für all jene, die ihn eben nicht liebten. Doch der verzweifelte Kampf eines Künstlers um seine Autonomie gerät immer wieder aus dem Fokus in diesem pompösen Spektakel. Hier ist mehr Show als Substanz auf der Leinwand.
Erst in der zweiten Filmhälfte wird die Tragik dieses im Alter von gerade einmal 42 Jahren beendeten Lebens spürbar. Da lässt Luhrmann ein wenig Raum für die Traurigkeit eines Mannes, dem sein Leben außerhalb der Bühne entglitten war.
Tom Hanks mal unsympathisch
Für Tom Hanks ist der „Colonel“, der gar keiner war, die wohl unsympathischste Rolle seiner Karriere. Unter einer dicken Latex-Schicht verwandelt er sich in einen Menschenmanipulator, der Presley in die Erschöpfung treibt. Und doch: Es steckt ein Resthauch Beschützer in der „Colonel“-Figur. Vielleicht ist Elvis tatsächlich an seiner ausufernden Liebe zu den Fans gestorben, wie Parker sagt.
„Elvis“ lief beim Festival außer Konkurrenz, aber auch der Wettbewerb geht weiter. Wie so oft hat Cannes ein paar Altmeister zu viel programmiert, die ihre Arbeit fortschreiben. Sie verkörpern gewiss nicht die Zukunft des Kinos, für die sich das Festival zuständig fühlt.
Französin Claire Denis überrascht mit romantischem Thriller
Die Französin Claire Denis überraschte mit einem romantischen Thriller: In „Stars at Noon“ unternimmt sie einen Ausflug ins heutige Nicaragua. Eine lebensclevere amerikanische Journalistin und Gelegenheitsprostituierte (Margaret Qualley) und ein dubioser britischer Geschäftsmann (Joe Alwyn) kommen sich im schwülen Zentralamerika näher.
Der Reiz entsteht aus dem Lügengespinst, in dem sich diese Beziehung verheddert. Die beiden Ausländer verlieren sich in einem Land, das sie nicht verstehen, geraten in die Quere von Geheimdiensten und dann in den Dschungel. Mehr Atmosphäre als Spannung birgt diese Verfilmung des Romans von Denis Johnson. Die Regisseurin hat den bedrohlichen Bürgerkrieg aus der Vorlage kurzerhand durch die aktuelle Covid-Pandemie ersetzt.
Zwei Cannes-Veteranen filmten tatsächlich altmeisterlich: Hätten die belgischen Dardenne-Brüder Luc und Jean-Pierre nicht schon zwei Goldene Palmen („Rosetta“, „Das Kind“), würde man ihnen glatt noch eine in die Hand drücken wollen. In „Tori and Lokita“ stellen sie sich so bedingungslos auf die Seite zweier afrikanischer Immigranten, dass einem der Wahnsinn der europäischen Asylpolitik vor Augen geführt wird.
Noch zwei Schwergewichte in Cannes am Start
Nur weil Lokita (Joely Mbundu) in Belgien keine Aufenthaltsgenehmigung erhält, rutschen sie und der elfjährige Tori (Pablo Schils) in den Drogendealersumpf ab. Die Katastrophe zieht unabwendbar herauf, aber die beiden kämpfen weiter. Es gibt im Kino größere Helden als Comicsuperhelden.
Mindestens noch zwei Schwergewichte sind in Cannes am Start: die US-Amerikanerin Kelly Reichardt und der Japaner Hirokazu Kore-eda. In früheren Jahren hat die Jury sich gern mal für einen der letzten Filme im Angebot entschieden. Ob das nun wieder so ist? Einen echten Favoriten hat der Wettbewerb bislang nicht hervorgebracht.