Bilder von Frauen: Die vergessenen Künstlerinnen am Bauhaus

Die Stadt Dessau wurde nach dem erzwungenen Ortswechsel zum bedeutendsten Standort des Bauhauses, das bis heute sichtbare Spuren hinterlassen hat.

Die Stadt Dessau wurde nach dem erzwungenen Ortswechsel zum bedeutendsten Standort des Bauhauses, das bis heute sichtbare Spuren hinterlassen hat.

Hannover. Da ist Alma Buscher. Ihr Holzspielzeug sollte der Kinderfantasie Raum geben. Ein paar Formen – Dreiecke, Würfel, Kugeln – gaben den Kleinen die Möglichkeit, Gebäude, Schiffe, Gedankenwelten zu bauen. Entwickelt hat die Künstlerin dieses noch heute erhältliche Spielzeug am Bauhaus in Weimar. Das Bauhaus ist berühmt, aber Alma Buscher kennen heute nur noch wenige.

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Da ist Ilse Fehling. Auch diese ungemein produktive Frau studierte am Bauhaus. Sie ließ sich eine Rundbühne für ein Marionettentheater patentieren, schuf Skulpturen, Plastiken und arbeitete mit Keramik. An sie erinnert sich ebenfalls kaum jemand.

Und Lucia Moholy. Die Fotografin, Lektorin und Kunstkritikerin hielt zwischen 1923 und 1928 Gebäude, Werke und Angehörige des Bauhauses in ihren Aufnahmen fest. Ohne ihre Fotos ist heute keine Dokumentation über die weltberühmte Kunst-, Design- und Architekturschule denkbar. Nach dem Zweiten Weltkrieg fotografierte und dokumentierte sie unter anderem für die Unesco Kulturgut. Auch sie steht im Schatten der Bauhaus-Männer. Und nur Experten kennen Gertrud Grunow, Ré Soupault, Katt Both, Lotte Stam-Beese, Kitty van de Mijll Dekker, Michiko Yamawaki oder Lilly Reich.

Das Bild von einer Schule der Moderne

Genau 100 Jahre ist es her, dass der Architekt und Kriegsheimkehrer Walter Gropius im April 1919 in Weimar die Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule mit der Großherzoglich-Sächsischen Kunsthochschule zum Staatlichen Bauhaus Weimar vereinte. 14 Jahre sollte diese avantgardistische Schule zunächst in Weimar, später in Dessau und schlussendlich in Berlin bestehen.

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Danach arbeiteten Gropius und seine Kollegen – die meisten lebten mittlerweile in den USA – an dem Bild, das wir heute mit dem Bauhaus verbinden. Dem Bild von einer Schule der Moderne, von einer Schule, in der der neue Mensch wie auch eine neue Gesellschaft geformt werden sollten. Einer Schule, die Kunst, Design und Architektur revolutionierte.

Die Namen, mit denen wir das Bauhaus heute verknüpfen, lauten Walter Gropius, Paul Klee, Wassily Kandinsky, Oskar Schlemmer, Marcel Breuer, Lyonel Feininger und Ludwig Mies van der Rohe. Es sind alles Männer. Klar, die kugelförmige Teekanne von Marianne Brandt hat es zu einiger Berühmtheit gebracht. Aber der Großteil der Bauhaus-Frauen ist in Vergessenheit geraten.

Eine Abbildung aus dem Band „Frauen am Bauhaus. Wegweisende Künstlerinnen der Moderne“ von Patrick Rössler und Elizabeth Otto.

Eine Abbildung aus dem Band „Frauen am Bauhaus. Wegweisende Künstlerinnen der Moderne“ von Patrick Rössler und Elizabeth Otto.

Erst langsam – und in diesem Jubiläumsjahr nun mit einigem Schwung – ändert sich das. Zahlreiche Bücher erscheinen in diesen Monaten. Patrick Rössler und Elizabeth Otto veröffentlichen in Kürze „Frauen am Bauhaus“, und Ulrike Müller legt ihren Band „Bauhaus-Frauen“ wieder auf.

Anja Baumhoffs Buch „The Gendered World of the Bauhaus. The Politics of Power at the Weimar Republic’s Premier Art Institute“ von 2001 erscheint wieder, Ursula Muscheler hat sich in „Mutter, Muse und Frau Bauhaus“ mit der Rolle der Frauen um Walter Gropius beschäftigt. Jana Revedin und Theresa Enzensberger haben mit „Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus“ und „Blaupause“ Romane über Bauhaus-Frauen geschrieben.

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Eine neue Website informiert über Gertrud Grunow, Ausstellungen zeigen die Werke von Ida Kerkovius in Apolda und die Schau „4 Bauhausmädels“ in Erfurt. Die Tate Gallery in London hat Anni Albers gerade mit einer Retrospektive geehrt. Und am kommenden Mittwoch läuft in der ARD zur besten Sendezeit der Fernsehfilm „Lotte am Bauhaus“. Die Erinnerung an dieses bedeutende Stück deutscher Kulturgeschichte wird endlich vervollständigt.

„Kein Unterschied zwischen dem schönen und starken Geschlecht“

Aber wie konnten die Frauen an dieser als so fortschrittlich geltenden Kunstschule dermaßen ins Abseits geraten? Ist das Bild vom Bauhaus als progressive Avantgardekathedrale – zumindest was die Geschlechterfrage angeht – nichts anderes als ein gut gepflegter Mythos?

Es hatte alles so vielsprechend für die Frauen am Bauhaus begonnen. Im Programm von 1919 hieß es weltoffen: „Als Lehrling aufgenommen wird jede unbescholtene Person ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, deren Begabung und Vorbildung vom Meisterrat als ausreichend erachtet wird.“ Und in seiner Begrüßungsansprache versprach Gropius: „Kein Unterschied zwischen dem schönen und starken Geschlecht. Absolute Gleichberechtigung, aber auch absolut gleiche Pflichten.“

Absolute Gleichberechtigung, das klang modern in einer Zeit, in der Frauen gerade erst in der neuen Verfassung das Wahlrecht zugesprochen bekommen hatten und in der die Rollenaufteilung zwischen berufstätigen Männern und Frauen, die sich um Kinder und Küche kümmern, klar definiert war.

Frauen standen anfangs noch alle Werkbereiche offen

Schaut man sich Gropius’ Worte genauer an, klingt aber auch da schon eine klare Trennung der Geschlechter durch, denn er spricht – heute würden wir sagen klischeehaft – vom „schönen“ und vom „starken“ Geschlecht. Dieser Dualismus zwischen den Geschlechtern war typisch für die Zeit.

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Männer galten als vernunftbegabt und Kulturträger, Frauen als emotional und Naturwesen. Männer, so glaubten vor allem Männer, könnten dreidimensional sehen und daher Häuser und Skulpturen bauen, Frauen hingegen nur zweidimensional denken und sollten daher besser in der Fläche arbeiten.

In der Weimarer Anfangszeit waren die Frauen am Bauhaus in der Überzahl. 84 weibliche und 79 männliche Studenten hatten sich im Sommersemester 1919 eingeschrieben. Insgesamt studierten zwischen 1919 und 1933 exakt 462 Frauen am Bauhaus – das ist rund ein Drittel der Gesamtstudentenzahl. Den Frauen standen anfangs noch alle Werkbereiche offen – die Metallwerkstatt genauso wie die grafische Druckerei und die Werkstätten für Stein- und Holzbildhauerei.

Michiko Yamawaki studierte am Bauhaus vor allem in der Weberei, und wurde später zum Star der japanischen Modeszene.

Michiko Yamawaki studierte am Bauhaus vor allem in der Weberei, und wurde später zum Star der japanischen Modeszene.

Zu Beginn, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, sah Gropius Studentinnen noch gern. „Das Bauhaus brauchte diese Frauen damals, da man dort nach Kopf bezahlt wurde“, sagt Prof. Anja Baumhoff, eine der Pionierinnen der Bauhaus-Geschlechterforschung, die an der Hochschule Hannover Kunst- und Designgeschichte lehrt. „Das Bauhaus konnte Frauen erst peu à peu durch Männer ersetzen.“

Aber bereits ein Jahr später drehte sich der Wind. Gropius verlangte, die Zahl der Studentinnen zu reduzieren. Der neue Mensch, der am und mit dem Bauhaus wachsen sollte, sei in allererster Linie ein Mann gewesen, sagt Baumhoff, die im Mai ihr Buch „Der Neue Mann und das Bauhaus“ veröffentlichen wird. Zudem fürchtete Gropius, dass die große Anzahl von Frauen dem Image der Schule schaden werde, und forderte „eine scharfe Aussonderung gleich nach der Aufnahme, vor allem bei dem der Zahl nach zu stark vertretenen weiblichen Geschlecht“.

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Die Meister hatten Angst, die Frauen würden den Männern die Plätze wegnehmen. Der Vorschlag von Johannes Itten, erst einmal den Vorkurs – so etwas wie einen Grundkurs – abzuwarten, zu schauen, wer unabhängig vom Geschlecht talentiert war, und erst dann auszusortieren, wurde von Gropius und anderen Meistern abgelehnt.

„Wo Wolle ist, ist auch ein Weib“

Diese Entwicklung fand ihren Höhepunkt in der sogenannten Frauenklasse. Die meisten weiblichen Studenten landeten nun in der Weberei. Dem berühmten Maler und Bühnenbildner Oskar Schlemmer wird das Zitat zugeschrieben: „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib.“ Ein Satz, der in seinem Spott alles über das Frauenbild vieler Bauhaus-Männer aussagt.

Doch die Frauen machten aus der Weberei die erfolgreichste Werkstatt. Das notorisch klamme Bauhaus konnte das Geld, das durch den Verkauf der Arbeiten aus der Werkstatt hereinkam, sehr gut gebrauchen, aber Walter Gropius war auch dieser Erfolg nicht recht. „Die Frauen in der Weberei wurden abgewertet. Er sagte: Wenn Eure Produkte so viele Menschen kaufen, dann ist das nicht avantgardistisch genug“, betont Anja Baumhoff. „Walter Gropius fürchtete, dass die Weberinnen den Zeitgeschmack zu sehr bedienten.“

Richtig erfolgreich waren nur wenige Frauen am Bauhaus. So wurde Gunta Stölzl in Dessau Jungmeisterin. Sie verdiente aber weniger Geld als ihre männlichen Kollegen und erhielt lange nur zeitlich befristete Arbeitsverträge.

„Das Verhalten der Männer am Bauhaus ist durchaus typisch für die Zeit“

Männer, die ihre Machtposition ausnutzen. Männer, die Frauen den Zugang zu Leitungspositionen verwehren. Männer, die Frauen in Schubladen stecken. All dies erinnert an die #MeToo-Debatte der vergangenen Monate. Oder darf man Gegenwart und Vergangenheit nicht miteinander vergleichen? „Das Verhalten der Männer am Bauhaus ist durchaus typisch für die Zeit. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie aus dem Rahmen fallen. Deswegen sollte man ihnen heute auch gar keinen großen Vorwurf machen“, sagt Baumhoff.

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Aber sie sieht trotzdem auch Parallelen zu heute: „Zum Beispiel weiß ich aus meinem akademischen Alltag, dass Männer es einfacher finden, mit anderen Männern zusammenzuarbeiten.“ Vor allem aber, so Baumhoff, habe die Debatte wesentlich dazu beigetragen, dass sich jetzt so viele für die Frauen am Bauhaus interessieren.

Die Sozialwissenschaftlerin hat lange Zeit andere Erfahrungen machen müssen. „Ich habe vor etwa 30 Jahren angefangen, an dem Thema zu arbeiten. Damals haben mir alle abgeraten“, sagt sie. „Ich freue mich, dass jetzt so viel Interesse da ist, und glaube, dass #MeToo eine entscheidende Rolle gespielt hat.“ So wird das Bauhaus in Zukunft vielleicht nicht mehr nur mit den Namen Gropius, Klee und Kandinsky in Verbindung gebracht, sondern ganz selbstverständlich auch mit Buscher, Fehling und Moholy.

Von Kristian Teetz

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