Leugnen Corona nicht: Der Initiator von #allesdichtmachen verteidigt die Aktion
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Schauspielerinnen und Schauspieler kritisieren in einer Videoaktion die Corona-Maßnahmen – und sorgen damit für breite Kritik.
© Quelle: -/Internetaktion #allesdichtmach
München. Auf dem Instagram-Profil mit dem Namen „berndkwunder“ gibt es nur sechs Posts, doch die sind vielsagend. Der erste Beitrag, vom 17. Mai 2020, zeigt einen Mann, offenbar den Autor selbst, mit einem wuscheligen Hund vor dem Gesicht. Der dazugehörige Text endet mit den Worten: „Ist das euere Idee unserer Zukunft? Ist es wirklich das, was ihr wollt?“
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Nun könnte man sagen, klar. Hunde für die Zukunft. Wollen wir. Doch der Text ist noch ein bisschen länger. Er richtet sich laut Verfasser an „all diejenigen, die es immer so viel besser wissen“, an „die Mundschutzknappen“ und „selbsternannten Retter der Menschheit“. Folge man deren „dezidierter Einstellung“, müsse man in Zukunft damit rechnen, auch zur Grippesaison „Mundschutz“ tragen zu müssen „Restaurants nur teilweise“ zu öffnen, „Massenveranstaltungen einzustellen“ oder „Schulklassen zu halbieren“.
Genau das befürchtet der Autor auch: „Wenn Gesundheitsämter und RKI zu Beginn einer Grippesaison feststellen, dass man sich beim Impfstoff vertan hat (wie schon in 2017/18 geschehen) und die Bürger ‚nackt‘ dastehen, ohne Impfschutz, dann muss, nach der nun manifestierten Logik, in der das Leben absolut zu sein scheint, ein reduzierter Lockdown stattfinden!“ Zum Abschluss der Zeilen fragt der Autor seine Community, ob sie ein solches Szenario denn wirklich wolle.
Mitinitiator von #allesdichtmachen
An dem Post sind gleich mehrere Dinge bemerkenswert. Zum einen verbreitet er eine bekannte Erzählung, die seit Pandemiebeginn auch von der „Querdenker“-Bewegung immer wieder durchs Internet geraunt oder mit Aggressivität auf die Straße gebrüllt wird: Corona sei nicht schlimmer als eine Grippe. Das haben zahlreiche Untersuchungen längst widerlegt.
Der andere interessante Aspekt: Der Autor dieser Zeilen, der Menschen, die Maske tragen als „Mundschutzknappen“ bezeichnet, ist allem Anschein nach mindestens Mitinitiator der heftig diskutierten Schauspieleraktion #allesdichtmachen.
Übereinstimmenden Medienberichten zufolge gehört das Instagram-Profil „berndkwunder“ dem gleichnamigen Regisseur und Agenturinhalber Bernd K. Wunder. Der Investigativjournalist Daniel Laufer beispielsweise hatte auf Twitter darauf aufmerksam gemacht.
Wunders Name, und auch der Name seiner Agentur „Wunder am Werk“, sind auch im Impressum der Schauspieleraktion aufgeführt. Dem „Spiegel“ bestätigte Wunder zudem, dass seine Firma „dahintersteckt“, mehr wolle er dazu aber nicht sagen. Wunder wird mit dem Satz zitiert: „Das ist Kunst.“
Wunder drehte bekannte Musikvideos
Wer ist der Mann hinter der fragwürdigen Aktion? Wunder war in der Vergangenheit vor allem für einige Film- und Videoproduktionen verantwortlich, darunter etwa für den Streifen „The Man With The Camera“. Darin wird die Geschichte eines heimkehrenden Kriegsfotografen erzählt, den nach der Rückkehr in die Normalität seine Vergangenheit einholt. Laut Promotexten war „The Man With The Camera“ Wunders erster Film in Eigenregie.
Auch ein bekanntes Musikvideo drehte Wunder zusammen mit seiner Agentur „Wunder am Werk“: Den Clip zum bekannten Song „When I Wake Up“ von Lions Head für Sony Music.
Wunder ist zudem CEO der Firma „Cine Box“. Im Januar übertrug er mit seinem Geschäftspartner das Filmfestival „Max Ophüls Preis“. Das saarländische Wirtschaftsministerium bezuschusste dieses seinerzeit mit 56.000 Euro für den Aufbau einer Streamingplattform.
Fragwürdige Instagram-Posts
Doch so seriös die Arbeit Wunders ist, privat fischte er mit seinen Social-Beiträgen offenbar gern im Wasser von Corona-Leugnern und Verharmlosern der Pandemie. Fünf der sechs Instagram-Beiträge auf dem Profil „berndkwunder“ beschäftigen sich mit den Corona-Regeln, mal schießt der Regisseur gegen Karl Lauterbach, mal postet er das Bild eines Krankenhauses: „Investitionen in Krankenhäuser statt in Corona-Tests wären sinnvoller“, so sein Kommentar.
In einem längeren Post vergleicht Wunder die Corona-Maßnahmen mit einer entgleisten Straßenbahn. „Eine Straßenbahn ist außer Kontrolle geraten und droht, fünf Personen zu überrollen. Durch Umstellen einer Weiche kann die Straßenbahn auf ein anderes Gleis umgeleitet werden. Unglücklicherweise befindet sich dort eine weitere Person die sich mit dem Covid-19-Virus infiziert hat. Darf (durch Umlegen der Weiche) der Tod einer Person in Kauf genommen werden, um das Leben von fünf Personen zu retten?“, heißt es darin. Der Post endet mit einem Zwinker-Smiley.
In einem weiteren Beitrag postet Wunder das Foto von Kindern aus Thailand. Darauf ist zu sehen, wie die Kinder in einem Kindergarten in abgetrennten Bereichen spielen, die mit durchsichtigen Plastikvorrichtungen umhüllt sind. Wunder dazu: „Jeder der sich an dieser Panikmache beteiligt ist daran Schuld! Der Ausdruck Coronazi ist somit absolut gerechtfertigt...“
Was Wunder selbst sagt
Auch auf Facebook gibt es ein Profil mit dem Namen „Bernd Wunder“. Es zeigt den selben wuscheligen Hund des Instagram-Profils sowie ein Foto, das das Logo von Wunders Agentur „Wunder am Werk“ zeigt. Unter den öffentlichen Facebook-Seiten, die Wunder gefallen, befindet sich unter anderem auch die der Aktion „Widerstand2020″. Unter dem Namen hatten sich Corona-Leugner im vergangenen Jahr Pläne für eine eigene Partei geschmiedet.
In den sozialen Medien sorgt die offensichtliche Nähe des Mitinitiators zur Szene der Corona-Leugner für Diskussionen. Daniel Laufer beispielsweise fragt auf Twitter, an die teilnehmenden Schauspielerinnen und Schauspieler gerichtet: „Ihr habt wahrscheinlich nicht gewusst, mit wem ihr euch einlasst, stimmt’s?“ Auch der Sender Pro Sieben wies auf die fragwürdigen Instagram-Posts hin.
Wunder selbst äußerte sich am frühen Nachmittag gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) zu den Vorwürfen. Mindestens den Grippevergleich auf Instagram relativiert der Regisseur inzwischen. „So wie sich die Wissenschaft zu Beginn auch nicht ganz einig war in Bezug auf den Vergleich mit der Grippe, sehe ich das heute wesentlich differenzierter“, schreibt er. „Die Schwere einer Covid-19-Erkrankung ist mir wohl bewusst und sie mit der Grippe zu vergleichen völlig fehl am Platz.“
„Kein Verschwörungstheoretiker“
Auch zur Aktion selbst äußerte sich der Regisseur. Die Gruppe der Schauspielerinnen und Schauspieler habe seit Monaten auf eine solche Aktion hingearbeitet. Wer genau zum harten Kern der Gruppe gehörte, möchte er nicht preisgeben. Nur, dass die meisten der einminütigen Videos vom Berliner Regisseur Dietrich Brüggemann gedreht wurden.
Die Aktion sei als „einmaliges, künstlerisches Statement“ gedacht gewesen, Fortsetzungen seien nicht geplant. Die Wucht der Kritik habe Wunder und seine Mitstreiter überrascht: „Wir haben mit Gegenwind gerechnet, aber es ist ein Sturm geworden“, sagt er. Dass die Videos sarkastisch, manchmal zynisch sind, räumt Wunder ein: „Auch Zynismus ist Teil der Kunst.“
In die Ecke von „Verschwörungstheoretikern, Reichsbürgern und Corona- und Pandemieleugnern“ wolle man sich keinesfalls stellen lassen. „Nichts liegt uns Ferner. Es gibt im aktuellen Spektrum des Bundestages auch keine Partei, der wir ferner stehen als der AfD. Wir sind bei all jenen, die zwischen die Fronten geraten sind. Den Verängstigten, den Verunsicherten und Eingeschüchterten und jenen die verstummt sind“, teilt Wunder in einem Statement mit - teilweise wortgleich hatte sich auch Jan-Josef Liefers in einer „Klarstellung“ geäußert.
Im persönlichen Gespräch räumt Wunder ein, dass man mit Beifall aus „Querdenker“- und AfD-Kreisen durchaus gerechnet hat.“ Mehr als distanzieren können wir uns nicht.“ Und dann fällt ein Satz, der in seine Schlichtheit all diese Distanz wieder entwertet: „Man kann ja heute keine Kritik mehr äußern, ohne in die rechte Ecke gestellt zu werden“, sagt Wunder. Einen anderen Weg habe man nicht gesehen.
Sein Instagram-Profil hat Bernd K. Wunder inzwischen auf privat gestellt.