#allesdichtmachen: Verbände distanzieren sich – haben aber Verständnis für die Notsituation der Kulturbranche
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Frust in der Kulturbanche: Die Theater sind seit Monaten dicht.
© Quelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Für Aufregung haben 53 Schauspieler gesorgt, die am Donnerstagabend unter dem Hashtag #allesdichtmachen Videos von sich hochgeladen haben, in denen sie satirisch eine extreme Ausweitung des Lockdowns forderten, darunter namhafte Darsteller wie Jan Josef Liefers, Ulrich Tukur, Heike Makatsch, Meret Becker, Peri Baumeister, Wotan Wilke Möhring, Richy Müller und Kostja Ullmann. Heftige Kritik kam dafür unter anderem von Kollegen und aus der Kulturbranche. Der Vorwurf: Die Schauspieler würden das Leid der an Corona Erkrankten und den Verlust der Verstorbenen verharmlosen. Nach der Veröffentlichung und Jubel durch Rechte haben sich einige wie Heike Makatsch oder Meret Becker von der Aktion distanziert.
Der Schauspielverband BFFS reagiert auf Anfrage des RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) erst einmal verständnisvoll in Bezug auf die Notsituation vieler Schauspieler: „Den meisten von uns geht es wie vielen in unserem Land: Wir sehnen uns verzweifelt nach einem Ende der Pandemie“, heißt es im Statement des Bundesverbands Schauspiel mit Sitz im Berlin. Gleichzeitig betont der Verband, wie gefährlich die Pandemie sein kann: „Unsere Kinder leiden, unsere Angehörigen und Nachbarn leiden. In unserem Umfeld erkranken Menschen, manche sterben.“
„Wir müssen um den besten Weg aus der Pandemie streiten“
Dennoch sei eine differenzierte Diskussion über Corona-Maßnahmen wichtig: „Wir leben zum Glück in einer Demokratie und müssen um den besten Weg aus dieser weltweiten Pandemie ringen und streiten“, heißt es in der Stellungnahme. In diesen demokratischen Prozess werde sich der Verband mit seinen Tausenden Mitgliedern zusammen mit anderen Gewerkschaften „konstruktiv und leidenschaftlich“ einbringen.
#allesdichtmachen – Wie 53 Schauspieler die Corona-Politik in Deutschland kritisieren
Die mehr als 50 Promis, die in ironischen Clips mit der Corona-Politik abrechneten, lösten eine große Diskussionswelle im Internet aus.
© Quelle: RND
Der Interessenverband Deutscher Schauspieler war über die Aktion nicht informiert. Die zweite Vorsitzende, Kathrin Sude sagt im Gespräch mit dem RND: „Die Aktion polarisiert. Doch die Videos sind Geschmackssache. Nicht jeder Clip ist gut gelungen.“
Größeres Unverständnis für Corona-Maßnahmen
Doch kenne sie den Frust der Branche. „Die Film- und Fernsehproduktion ist nach einer kurzen Pause in der Pandemie erst einmal weiter gelaufen. Wirklich schwierig ist es aber für die Theaterschauspieler ohne festes Engagement.“ Doch dass die Kritik aus der Branche an den Corona-Maßnahmen bedeutend größer sei als in anderen Bevölkerungsgruppen, glaubt sie nicht. „Die Kritik gibt es wie in anderen Bereichen auch – und auch genauso viele verschiedene Haltungen dazu. Manche sehen, dass es Hygienemaßnahmen gibt, die nachweislich greifen und so Auftritte durchaus möglich machen könnten. Da gibt es durchaus größeres Unverständnis“, so Sude weiter.
Klare Worte hingegen findet Christian Bräuer, der Vorstandsvorsitzender des Verbands AG Kino: „Man kann vieles an der politischen Antwort auf die Pandemie kritisieren. Nichts davon rechtfertigt üble und zynische Kampagnen, die suggerieren, wir lebten in einer Diktatur.“ Weiter sagt er gegenüber dem RND: „Dabei wäre es so schön gewesen, wenn 53 Prominente ihren Auftritt für die Erhaltung von Kinos und einer lebendigen Kultur genutzt hätten.“
Gemeinsame Perspektiven statt Zynismus und Spaltung
Bräuer versteht durchaus den Frust von Kulturschaffenden: „Trotz guter Konzepte und Studien über geringe Risiken wurden die Kulturorte Anfang November geschlossen, mit dem Versprechen, so ein normales Weihnachtsfest zu ermöglichen. Das Ergebnis ist bekannt.“ Doch fänden sich in Land und Bund auch Politikerinnen und Politiker, die angeschlagene Kulturbetriebe unterstützen.
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„Anstatt uns von Zynismus und Sarkasmus spalten zu lassen, ist es an der Zeit, gemeinsam wirksame Perspektiven zum Wiedererstarken kulturellen Lebens auf den Weg zu bringen. Die kommenden Wochen müssen wir dafür verwenden, verlässliche Öffnungsstrategien für die Kultur zu entwickeln“, so Brauer.
Kinoverband fordert Zukunftsplan für die Kultur
Die Vielfalt der Kultur sei das Fundament einer lebendigen Demokratie. Dies gelte es ebenso anzuerkennen wie die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur. „Daher brauchen wir einen echten Zukunftsplan Kultur für die Zeit nach der Pandemie“, sagte Bräuer dem RND.
Die Initiative #AlarmstufeRot, die sich als Sprachrohr der Veranstaltungsbranche in der Corona-Pandemie zusammengeschlossen hat, möchte die Aktion #allesdichtmachen nicht direkt kommentieren. Aber auch hier gibt es Verständnis für die Notsituation: „Nach wie vor sind wir in der Situation, dass wir uns als Veranstaltungsbranche mit 15 Monaten im längsten Lockdown befinden“, sagt der Vorstandsvorsitzende Tom Koperek der Initiative gegenüber dem RND.
Gleichzeitig müsse es aber gelingen, Maßnahmen konstruktiv kritisieren zu können, ohne in die rechte Ecke gestellt zu werden: „Auch #AlarmstufeRot kritisiert bestimmte Corona-Maßnahmen, wir zeigen aber auch Alternativen auf. Die bloße Kritik an Maßnahmen darf nicht gleichbedeutend damit sein, dass wir die Existenz des Coronavirus leugnen würden oder seine Gefährlichkeit herunterspielen wollen.“