Pandemie im Frühjahr 2022 vorbei? Vier Szenarien, wie sich die Viruslage noch entwickeln könnte

Forscher der Universität Southampton haben mit mikroskopischen Fotos sichtbar gemacht, wie der Astrazeneca-Impfstoff in menschlichen Zellen wirkt. Von der Wirksamkeit der Vakzine wird auch in Zukunft viel abhängen.

Forscher der Universität Southampton haben mit mikroskopischen Fotos sichtbar gemacht, wie der Astrazeneca-Impfstoff in menschlichen Zellen wirkt. Von der Wirksamkeit der Vakzine wird auch in Zukunft viel abhängen.

Wann ist die Pandemie endlich unter Kontrolle? Das ist die eine große und entscheidende Frage. Das Ende verschiebt sich bisher leider immer weiter nach hinten. Nach dem Start der Impfkampagnen Anfang dieses Jahres und zunehmend mehr Impfstoff lag zunächst große Hoffnung auf dem Sommer. Dann kam Alpha, dann Delta. Trotzdem schien eine weitgehende Entspannung im Herbst kurze Zeit zumindest möglich. Nun rollt in Deutschland und vielen weiteren Ländern die vierte Welle an. Und inzwischen steht das Frühjahr 2022 als möglicher Zeitpunkt im Raum.

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Der Immunologe Anthony Fauci ist zumindest für die USA davon überzeugt, dass dann mehr Normalität möglich ist. Das Land hat aktuell mit rund 51 Prozent der Bevölkerung etwas weniger vollständig Geimpfte als Deutschland. Zum Vergleich: Hierzulande haben inzwischen rund 60 Prozent der Menschen den vollen Schutz vor Covid-19. „Ich denke, wir können einen gewissen allgemeinen Schutz der Gemeinschaft erreichen“, zeigte sich der US-Gesundheitsexperte trotzdem im Gespräch mit „CNN“ überzeugt. Die Voraussetzung für weitgehende Kontrolle bis Anfang kommenden Jahres? Die überwiegende Mehrheit der Amerikaner müsste sich impfen lassen. Und das Virus müsste nun weitgehend so bleiben wie es ist.

Pandemiekontrolle, wenn Corona gar nicht mehr verschwindet?

Faucis Annahme lässt sich auch auf Deutschland übertragen. Die Fachwelt geht davon aus, dass das Virus nicht mehr komplett ausgerottet werden kann, aber immer mehr seinen Schrecken verliert. Der Erreger wird wahrscheinlich weiter in der Welt zirkulieren – und sich auch verändern. Die offene Frage dabei: Wie stark? Ein konkretes Enddatum, gibt es bei Corona deshalb nicht. Auch Fauci zeigt mit seiner Aussage nur eines von mehreren möglichen Szenarien auf. Es ist eines der optimistischeren.

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Virusvarianten: Das große Risiko in dieser Phase der Pandemie

Doch ob es zu diesem optimistischen Szenario kommt, ist unklar. Denn das geht davon aus, dass sich das Virus nicht mehr wirklich weiterentwickeln wird. Sars-CoV-2 könnte jedoch Wege einschlagen, um trotz immer mehr Menschen mit Immunschutz möglichst lange mit pandemischem Potenzial in der Welt zu bleiben.

Eine Gruppe aus Forschenden hat daher verschiedene Szenarien für die Zukunft untersucht – und vier davon für realistisch befunden. Die „Scientific Advisory Group for Emergencies“ (SAGE) hat in ihrem Bericht aber auch Auswege gefunden – selbst wenn die Viruswellen bei sehr hoher Impfquote im Frühjahr 2022 womöglich doch nicht zum Stillstand kommen.

Szenario 1: Eine Variante setzt sich durch, die bei einem Großteil mit dem Virus Infizierter in der Bevölkerung häufiger schwere Erkrankungen verursacht.

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Vereinen sich bestimmte Mutationen aus mehreren bereits bestehenden Varianten, also etwa Alpha und Delta, könnte das zu einer noch stärkeren Vermehrung des Virus und geringerem Immunschutz führen – und in der Folge auch zu mehr an Covid-19 Erkrankten. Die Auswirkungen auf den Pandemieverlauf wären in so einem Fall stark.

Zwar schützen dann die Impfstoffe mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin in Teilen vor schweren Verläufen. Mehr Erkrankte und eine höhere Sterblichkeit wären aber trotzdem zu erwarten. Impfstoffe – wie bei der Delta-Variante bereits jetzt in Ansätzen zu beobachten – verhindern dann in den meisten Fällen nicht vollständig eine Infektion.

Was könnte man in so einem Fall tun? Neue Impfstoffbooster entwickeln und verimpfen, damit der Impfschutz in einem Großteil der Bevölkerung seine Wirksamkeit behält. Das Level an Ansteckungen durch Maßnahmen wie Abstand, Maske und Testen so niedrig wie möglich halten. Weiter an Medikamenten und Therapien forschen. Und bei mit so einer Variante Infizierten die Erkrankung genau beobachten.

Szenario 2: Eine Variante taucht auf, die die zugelassenen Impfstoffe umgeht.

Treffen verschiedene Viruslinien aufeinander, werden genetische Informationen miteinander ausgetauscht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen dann von einem Antigen-Shift. Dadurch wird zwar das Virus selbst nicht in jedem Fall tödlicher. Aber die Impfungen würden wenig bis im schlimmsten Fall gar nicht mehr wirken. Kommt es immer mal wieder punktuell zu Veränderungen im Virus, könnte sich der Impfschutz schleichend verringern – bis es irgendwann problematisch wird. Die Baupläne des für Impfstoffe wichtigen Spikeproteins könnten sich im Erreger aber auch in kürzester Zeit komplett verändern. Es bräuchte dann neue Impfstoffe inklusive neuer Impfkampagne – und erneut viel Zeit für Entwicklung und Umsetzung.

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Auf lange Sicht könnte sich das Virus auch, wie noch vor der Pandemie, erneut in Tieren breit machen. Findet erneut eine Zoonose statt, bringt das den Impfschutz beim Menschen in Gefahr. Suboptimal wäre es, wenn das eintritt, nachdem bereits Auffrischimpfungen in großen Teilen der Bevölkerung vollzogen wurden. Grundsätzlich empfehlen die Forschenden deshalb, auch auf lange Sicht damit zu rechnen, dass Impfstoffanpassungen nötig werden. Helfen könnte, die Funktionsweise nur auf das Spike-Protein auszurichten. Risikogruppen sollten regelmäßig geimpft werden. Einen komplett neuer Impfstoff bräuchte es dann aber wohl nicht.

Szenario 3: Es dominiert eine Variante, die resistent ist gegen wirksame Arzneimittel.

Medikamente könnten noch eine wichtige Rolle in dieser Pandemie spielen – vor allem wenn wirklich der Fall eintreten sollte, dass Impfstoffe ihre Wirksamkeit sehr stark verlieren. Vor allem antivirale Therapien könnten die Virenvermehrung im Körper verhindern. Ansätze in der Forschung gibt es viele, in der großflächigen Anwendung sind solche Mittel bislang allerdings nicht.

Wird demnächst ein Mittel von vielen Menschen genutzt, ist aber zu Bedenken: Es wird dadurch auch wahrscheinlicher, dass neue Varianten gegen einzelne Wirkstoffe resistent werden und ihre Wirksamkeit verlieren. Deshalb empfehlen die Forschenden das Entwickeln verschiedener Medikamente mit unterschiedlichen Wirkmechanismen. Es sei deshalb denkbar, antivirale Therapien lieber für den Notfall zurückzubehalten oder nur mit Bedacht einzusetzen, damit sie nicht unwirksam werden.

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Szenario 4: Das Coronavirus wird zur harmlosen Erkältung.

Das optimistischste Szenario, auf das auch der Immunologe Anthony Fauci anspielt, geht davon aus, dass Varianten womöglich zwar übertragbarer werden, aber Menschen nach einer Infektion weniger oft erkranken. Das Virus ist dann nicht mehr pandemisch und verbreitet sich unkontrolliert, sondern endemisch, weil immer mehr Menschen durch Impfung oder natürliche Infektion immun dagegen werden. Wie andere Coronaviren verursacht Sars-CoV-2 dann nur noch milde Symptome wie Erkältungen. Vereinzelt erkranken noch Ältere oder Menschen mit bestimmten Risikofaktoren schwer an Covid-19. Die kritische Infrastruktur und das Gesundheitssystem werden aber nicht mehr an ihre Grenzen gebracht. Maske tragen, Abstand halten, präventiv auf Kontakte verzichten? Das müsste bei so einer Art der Kontrolle wahrscheinlich nicht mehr sein.

Diese Situation zu erreichen, ist dem Bericht aus Großbritannien zufolge kurzfristig unwahrscheinlich, aber langfristig möglich. Bis dahin wird empfohlen, verstärkt weiter zu Vakzinen und Medikamenten zu forschen. Zwar schützen die Impfstoffe gegenwärtig zuverlässig vor Krankheit und Tod. Aber es ist nicht klar, welche der beschriebenen Szenarien noch eintreten.

Faktencheck: Wie gut wirkt die Corona-Impfung?

Immer wieder heißt es: Die Corona-Impfung sei nutzlos, weil auch Geimpfte an Covid-19 erkranken und sogar daran sterben können. Doch das ist falsch.

Es sollte dem Bericht zufolge deshalb weltweit dabei unterstützt werden, möglichst viele Menschen zu impfen. Denn nur, wenn überall auf dem Globus das Virus gebremst wird, sinkt auch die Gefahr, dass sich besorgniserregende Varianten bilden. Und Proben von infizierten Menschen sollten auf nationaler wie globaler Ebene beobachtet und so oft wie möglich untersucht werden.

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