EMA könnte Zulassung bald empfehlen

Warten auf den Corona-Impfstoff und die Normalität: Zurück ins Leben – aber wann?

Ein älterer Mann geht durch eine leere Straße. (Symbolbild)

Ein älterer Mann geht durch eine leere Straße. (Symbolbild)

Wenn der Bescheid kommt, kann alles ganz schnell gehen: Innerhalb weniger Stunden nach der Entscheidung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) könne man den auf Vorrat produzierten Impfstoff BNT162b2 ausliefern, versicherte Biontech-Finanzvorstand Sierk Poetting am Dienstag. Einen Tag zuvor hatte das Mainzer Unternehmen bei der EMA die Zulassung in Europa beantragt, genauso wie der Konkurrent Moderna. Läuft alles wie geplant, könnte der Tag X, an dem der Anfang vom Ende der Corona-Pandemie eingeläutet wird, noch in diesem Dezember liegen. In Großbritannien sind Biontech und Pfizer unter dessen schon weiter: Das Land hat am Dienstag den Corona-Impfstoff der beiden Firmen zugelassen.

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„Unser Ziel ist es, dass bereits im Januar die ersten Risikogruppen und Pflegebeschäftigten geimpft sind“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Dienstag.

Gibt es genug Impfstoff? Gibt es ausreichende Impfkapazitäten? Wer lässt sich impfen?

Doch wie lange wird es dann noch dauern, bis alle Beschränkungen fallen, bis ein normales Leben wieder möglich sein kann? Prognosen sind schwer, weil es nach wie vor zu viele Unbekannte gibt. Mindestens drei Nadelöhre gilt es zu bedenken: Gibt es genug Impfstoff? Gibt es ausreichende Impfkapazitäten? Und schließlich: Wie viele Menschen sind überhaupt bereit, sich impfen zu lassen?

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Zum jetzigen Zeitpunkt lassen sich am ehesten Hochrechnungen darüber anstellen, wie lange es dauern wird, bis die angestrebte Herdenimmunität in Deutschland erreicht ist. Die Bundesregierung geht wie die Weltgesundheitsorganisation WHO davon aus, dass das Land vor einer weiteren Verbreitung des Virus geschützt ist, wenn 65 Prozent der Bevölkerung – das wären etwa 54 Millionen Menschen – immun sind, sei es durch eine Impfung oder eine überstandene Infektion.

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Massenimpfung ist Ländersache

Die geplante Massenimpfung ist Ländersache. Detaillierte Pläne liegen allerdings erst aus wenigen Ländern öffentlich vor, etwa aus Berlin und Baden-Württemberg. Die Größenordnungen dürften sich aber für ganz Deutschland verallgemeinern lassen.

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Eine Modellrechnung am Beispiel Berlin: Der Stadtstaat plant sechs Impfzentren mit einer Kapazität von insgesamt rund 20.000 Impfungen am Tag. Die Stadt geht davon aus, dass in einem ersten Schwung 450.000 Menschen geimpft werden: medizinisches Personal, Risikogruppen sowie Personen mit wichtigen hoheitlichen Aufgaben, etwa Polizisten. Diesen Menschen müsste der Biontech-Impfstoff zweimal im Abstand von genau 21 Tagen gegeben werden – und so ergibt sich die notwendige Impfkapazität pro Tag.

Probe-Impfstraße in Mainz: So läuft eine Impfung ab

Der Corona-Impfstoff ist zwar in Deutschland noch nicht zugelassen. Die Vorbereitungen für die Impfungen laufen aber auf Hochtouren.

Modellrechnung: Berlin könnte Ende August immun sein

Geht man nun davon aus, dass ab Anfang Januar geimpft werden kann und die angestrebte Geschwindigkeit beibehalten wird, würde die Herdenimmunität in Berlin (2,4 Millionen Menschen, zweimalige Dosis) Ende August erreicht. Baden-Württemberg plant mit bis zu zwölf großen und 44 kleineren Impfzentren, die zusammen eine Tageskapazität von 45.000 Impfungen haben. Baden-Württemberg würde die Herdenimmunität (7,2 Millionen Menschen) dann bis Mitte/Ende November 2021 schaffen.

Diese Modellrechnungen lassen allerdings unberücksichtigt, dass außer in den Impfzentren auch durch mobile Teams geimpft werden soll. Zudem soll die Arbeit der Zentren im Jahresverlauf durch Impfungen bei den niedergelassenen Ärzten ergänzt werden. Steht ausreichend Impfstoff zur Verfügung, dürfte es so zu einer Beschleunigung kommen. Jens Spahn hat daran erinnert, dass die niedergelassenen Ärzte jedes Jahr in nur wenigen Wochen 20 Millionen Grippeschutzimpfungen schaffen.

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Herdenimmunität wäre 2021 erreichbar

Rein technisch scheint es also machbar, dass die Herdenimmunität noch im kommenden Jahr erreicht wird. Solange es ausreichend Impfstoff für Massenimmunisierungen gibt, hängt es von der Impfbereitschaft und damit von der Bevölkerung selbst ab, wann sie wieder in ihren gewohnten Alltag zurückkehren kann. Bislang aber ist die eher skeptisch, zeigt eine Umfrage der Universität Hamburg vom November: Jeder fünfte Deutsche lehnte eine Impfung ab – die meisten aus Sorge vor möglichen Nebenwirkungen.

Die wichtigsten Fragen rund ums Impfen:

Wann kommt die Zulassung?

Die Europäische Arzneimittel-Agentur teilte am Dienstag mit, eine Entscheidung über die Zulassungsempfehlung des Biontech-Impfstoffs „noch im Dezember“ treffen zu wollen. Zum Antrag des US-Konzerns Moderna werde eine Entscheidung bis zum 12. Januar erwartet. Moderna und Biontech/Pfizer haben Anträge auf eine „bedingte Zulassung“ eingereicht. Das heißt: Die Mittel können auch auf Grundlage weniger umfassender Daten zugelassen werden – wenn das Vakzin dringend gebraucht wird. Die Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit bleiben laut EMA aber unverändert hoch. Nach dem Prüfverfahren gibt der Ausschuss für Humanarzneimittel dann eine Empfehlung ab. Auf dieser Basis entscheidet die EU-Kommission final über die Zulassung des Impfstoffs.

Wann und wo geht es in Deutschland los?

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Stadien, geschlossene Möbelmärkte, leer stehende Schulen: In allen Bundesländern werden für das ambitionierte Vorhaben der Massenimpfungen unter Zeitdruck große regionale Impfzentren aufgebaut. Spahn und NRW-Ministerpräsident Laschet besichtigten gestern die Einrichtung der Merkur-Arena in Düsseldorf, in Hannover und Leipzig werden Messehallen ausgerüstet, in Kempten wird eine Artilleriekaserne umgewidmet. Die Länder haben dem Bund bislang rund 30 Anlieferstellen genannt. Nur dort und durch mobile Teams, die in Pflegeheime und Kliniken gehen, wird zunächst geimpft. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist damit beauftragt worden, „standardisierte Module“ zu entwickeln, damit Patienten telefonisch und digital Termine vereinbaren können. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

Der Weg bis zur Zulassung eines Impfstoffes in der EU ist aufwendig.

Der Weg bis zur Zulassung eines Impfstoffes in der EU ist aufwendig.

Die Impfzentren sollen ab Mitte Dezember einsatzbereit sein. Ihr großer Vorteil: Sie können den hohen logistischen Anforderungen eher gerecht werden als die Arztpraxen, die deshalb erst später einsteigen. Der Impfstoff von Biontech etwa wird in Boxen geliefert und kann in diesen mit Trockeneis bis zu 30 Tage im jeweiligen Impfzentrum gekühlt werden oder bis zu fünf Tage in einem handelsüblichen Kühlschrank. Gefrierschränke würden erst wichtig, wenn es um längere Lagerung gehe, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. „Die größte und komplexeste globale Logistikoperation, die jemals unternommen wurde“ – so nennt der internationale Airline-Verband Iata die Verteilung der Corona-Impfstoffe.

Wer wird zuerst geimpft?

Eine Impfpflicht werde es nicht geben, hat die Bundesregierung mehrfach betont. Es können aber auch nicht alle, die wollen, gleichzeitig geimpft werden. Zu Beginn werden nicht genügend Impfstoffdosen zur Verfügung stehen. Es müssen also Prioritäten gesetzt werden; diese Aufgabe übernimmt die Ständige Impfkommission (Stiko) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Ethikrat und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Das Gremium erarbeitet eine Empfehlung für die Bundesregierung, wer zuerst Anspruch auf Impfschutz haben soll. Mit den Impfungen werden vier Ziele verfolgt: die Verhinderung eines schweren Verlaufs von Covid-19, der Schutz von Personen mit hohem Ansteckungsrisiko bei der Arbeit, die Verhinderung der Übertragungen und die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens.

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Fest steht bereits: Priorität haben in Deutschland Gesundheitspersonal und Gruppen mit signifikant erhöhtem Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung, also Ältere und Patienten mit Vorerkrankungen. Die Details zur Reihenfolge stehen noch aus. Das hängt laut Stiko nicht zuletzt davon ab, welches Vakzin zuerst und in welchem Umfang verfügbar ist und für welche Gruppen es gut verträglich ist.

Wie wirksam sind die Impfstoffe?

Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna bieten laut Zwischenergebnissen der Hersteller einen hohen Schutz. Nach der Gabe von zwei Dosen liegt die Wirksamkeit bei rund 95 Prozent. Der von Astra Zeneca entwickelte Impfstoff liegt bei 70 Prozent. Wissenschaftler sprechen von grundsätzlich sehr ermutigenden Daten. „Ich rechne fest damit, dass die Impfstoffe funktionieren“, sagte Impfstoffforscher Erik Leif Sander von der Berliner Charité dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Die hohe Effektivität überrasche und erleichtere ihn.

Eine Herausforderung gerade mit Blick auf Risikogruppen für Covid-19: Ältere Menschen haben tendenziell schlechtere Impfreaktionen. Astra Zeneca berichtet aber auf Grundlage erster Studiendaten (Phase II), dass die über 70-jährigen Studienteilnehmer den Impfstoff ähnlich gut vertragen hätten wie die jüngeren. Auch von einer robusten Immunantwort ist die Rede. Auch Biontech/Pfizer hat nach Abschluss letzter Analysen bekannt gegeben, dass sein Vakzin über alle Altersgruppen und andere demografische Unterschiede hinweg ähnlich gut funktioniere. Der Impfschutz bei Menschen, die über 65 Jahre alt sind, liege bei über 94 Prozent.

Wie sicher ist die Impfung?

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Bislang gibt es aus allen Studien nur Berichte über milde, schnell abklingende Nebenwirkungen wie Gliederschmerzen oder Abgeschlagenheit. Eva Hummers, Mitglied der Ständigen Impfkommission, machte am Montag in der Talkshow „Hart aber fair“ aber auch klar: „Unproblematisch ist sie nicht, denn wir wissen noch nichts über die Langzeitfolgen.“ Es gebe viele Fragen, die bisher nicht sicher beantwortet werden könnten. Offen ist auch, ob die Impfstoffe den Krankheitsverlauf abmildern – oder eine Ansteckung mit Sars-CoV-2 grundsätzlich verhindern. Und wie lange hält der Impfschutz? Das wird wohl erst mit der Zeit absehbar werden.

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