Warum Zähneputzen nicht nur gut für die Mundhygiene ist
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Gepflegte Zähne können auch die allgemeine Gesundheit verbessern.
© Quelle: Foto: AOK/hfr
Wer auf seine Zahngesundheit achtet, beugt damit auch anderen Krankheiten vor. Und das Risiko für einen Herzinfarkt und Bluthochdruck lässt sich durch eine Zahnbehandlung oft senken. Ein Zusammenhang zwischen Zahnerkrankungen und anderen Leiden ist vor allem bei der Parodontitis erwiesen, einer chronischen Entzündung von Zahnfleisch und Zahnbett, die zum Verlust von Zähnen führen kann. Laut Bundeszahnärztekammer (BZÄK) leiden insgesamt 35 Millionen Menschen in Deutschland darunter.
„Das große Problem ist, dass Krankheiten immer noch einzeln und isoliert betrachtet werden“, sagt Romy Ermler, Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer. Bei Parodontitis gebe es aber viele Wechselwirkungen mit anderen Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Leiden oder Diabetes. Was auch daran liege, dass es die gleichen Lebensstil bedingten Risikofaktoren gibt – wie Rauchen, Alkoholkonsum, Bewegungsmangel und eine ungesunde Ernährung. Aber nicht nur.
Bakterien im Kreislauf fördern Bluthochdruck
Bei einer Parodontitis kommt es oft auch zu einer Bakteriämie, das heißt, die Bakterien gelangen in die Blutbahn. Dadurch könne sich die allgemeine Gesundheit verschlechtern. „Es gibt Studien, die einen signifikanten Zusammenhang belegen zwischen Herz-Kreislauf-Krankheiten und Paradontitis. Andere Studien konnten zeigen, dass sich das Risiko für Bluthochdruck umso stärker erhöht, je stärker die Parodontitis ausgeprägt ist“, so Ermler. Der Grund dafür seien Gefäßschäden, die durch die Bakteriämie entstehen. So kann Parodontitis Entzündungen und die Bildung von Plaques in den Blutgefäßen fördern, wodurch diese schlechter durchgängig werden. Außerdem steigt durch die Zahnerkrankung das Risiko, eine Endokarditis, also eine Entzündung im Herzinneren, zu entwickeln.
Bakterien auch im Gehirn nachgewiesen
Ermler verweist auf eine schwedische Kohortenstudie: Demnach hatten Personen, die zu Studienbeginn an einer Parodontitis litten, ein um 49 Prozent höheres Risiko in den nächsten sechs Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden als Personen einer Vergleichsgruppe. Je schwerer die Parodontitis ausgeprägt war, desto höher war das Risiko. In einer Metaanalyse war zudem der durchschnittliche Blutdruck von Menschen mit Parodontitis um 4,5 mmHg höher als bei Personen mit gesundem Zahnfleisch. „Das ist medizinisch bedeutsam, denn bei Bluthochdruck gibt es ein hohes Sterberisiko“, sagt Ermler. Schon ein Blutdruckanstieg von 5 mmHg könne die Wahrscheinlichkeit, durch Herzinfarkt oder Schlaganfall zu sterben, um 25 Prozent erhöhen. „Eine Parodontitisbehandlung kann also wichtig sein, um das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu minimieren“, so die Expertin.
Aber nicht nur Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems werden durch die Zahnfleischerkrankung begünstigt, sondern auch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes. Die Gründe sind ähnlich: Bakterien und Entzündungsbotenstoffe gelangen über die Blutbahnen aus dem Mund in andere Regionen des Körpers. Dadurch kann der Stoffwechsel des Hormons Insulin beeinträchtigt werden, das für die Regulierung des Blutzuckerspiegels wichtig ist. Auch bei der Entstehung von Rheuma könne sich die Paradontitis auswirken. „Dieselben Bakterien, die man bei den Patienten im Mund findet, wurden bei rheumatischen Erkrankungen auch in den Gelenken gefunden“, sagt Ermler.
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Sogar im Gehirn von Alzheimererkrankten wurde das Bakterium Porphyromonas gingivalis nachgewiesen, das eine wichtige Rolle bei der Parodontitis spielt. Porphyromonas gingivalis produziert Enzyme, die Proteine zersetzen und möglicherweise an der Entstehung von Plaques im Gehirn von Erkrankten beteiligt sein könnten, so das Ergebnis einer Studie. „Der Zusammenhang mit Alzheimer ist noch nicht ganz geklärt, aber man weiß eben, dass die Bakterien auch ins Gehirn gehen“, sagt BZÄK-Vizepräsidentin Ermler. Bei einer Alzheimererkrankung sei zudem eine Wechselwirkung wahrscheinlich. So könne eine dementielle Erkrankung dazu führen, dass die Zahnpflege vernachlässigt werde.
Bluthochdruck mögliche Folge von Parodontitis
Solche Wechselwirkungen gebe es auch bei Diabetes. „So eine Stoffwechselstörung kann das Immunsystem beeinträchtigen. Das kann dazu führen, dass die Zahl guter Bakterien im Mund abnimmt und sich schlechte Bakterien wie die Parodontitiserreger stärker vermehren“, sagt Ermler. Der Blutzucker werde durch eine Parodontitis direkt negativ beeinflusst und eine Parodontitisbehandlung wirke sich positiv auf den Blutzucker aus. Umgekehrt würden Diabetiker und Diabetikerinnen mit gut eingestellten Blutzuckerwerten wesentlich besser auf eine Parodontitisbehandlung ansprechen.
Und auch Bluthochdruck sei nicht nur eine mögliche Folge, sondern gleichzeitig ein Risikofaktor für Parodontitis. Diese immer besser bekannten Zusammenhänge gelte es bei der Behandlung zu berücksichtigen und Zahnmediziner und Zahnmedizinerinnen stärker einzubinden. „Parodontitis ist eine Volkskrankheit, das gleiche gilt für Herz-Kreislauf-Leiden. Deshalb sollten wir uns bei der Therapie besser vernetzen“, sagt Ermler.
Zusammenarbeit mit Kardiologen geplant
Ermler hat Patienten und Patientinnen schon oft zum Kardiologen oder Diabetologen überwiesen, wenn sie vermutet hat, dass diese an einer Zuckerkrankheit oder Bluthochdruck litten. Man müsse aber auch die Fachärzte und Fachärztinnen sensibilisieren, damit sie zum Beispiel bei Bluthochdruck und Diabetes die Patienten und Patientinnen nicht nur mit Medikamenten behandeln, sondern zusätzlich zum Zahnarzt oder zur Zahnärztin schicken. „Vor allem die, die da vielleicht nicht so gerne hingehen“, sagt sie. Die BZÄK und der Bundesverband der niedergelassenen Kardiologen hatten erst vor Kurzem gemeinsam erklärt, künftig stärker kooperieren zu wollen.
Zahnarzt und Zahnärztin können bei einer Parodontitis die bakteriellen Beläge regelmäßig entfernen und damit die Heilungsaussichten der Folgeerkrankungen verbessern. Allein damit sei es aber nicht getan. Um bei Parodontitis die Gesundheit von Herz und Gefäßen und den Insulinstoffwechsel zu verbessern, empfehle sich eine insgesamt gesunde Lebensweise: nicht zu rauchen, Alkohol zu meiden, sich gesund und nicht zu fett- und zuckerreich zu ernähren und regelmäßig zu bewegen.
Zwar sei die Parodontitis – genau wie Herz-Kreislauf-Krankheiten – nicht allein durch den Lebensstil bedingt. „Es gibt auch eine erbliche Veranlagung, das lässt sich nicht wegreden“, sagt Zahnärztin Ermler. „Das heißt aber nicht, dass man gar nichts tun kann, wenn es eine familiäre Veranlagung gibt. Im Gegenteil, wer ohnehin ein erhöhtes Risiko hat, sollte noch mehr für seine Zahnpflege tun, um vorzubeugen.“