Vaginale Blutungen nach Corona-Impfung: Mehr Aufklärung gefordert
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Eine junge Frau wird im Impfzentrum des Klinikums Stuttgart mit dem Corona-Impfstoff von Moderna geimpft.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Seit Monaten häufen sich in den sozialen Netzwerken Berichte über starke vaginale Blutungen und Zyklusstörungen, die nach der Corona-Impfung auftreten. Davon berichten nicht nur Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter, sondern auch solche, die längst in den Wechseljahren sind, und Transmänner. Bisher werden die Symptome aber bislang nicht als Nebenwirkung aufgeführt.
Größere Aufmerksamkeit bekam das Thema erstmals durch eine Aktion der amerikanischen Anthropologieprofessorin Kathryn Clancy. Bei Clancy selbst und in ihrem Bekanntenkreis waren nach der Corona-Impfung unregelmäßige Blutungen aufgetreten. Daraufhin hatte sie andere Frauen per Twitter gebeten, ebenfalls ihre Erfahrungen zu teilen.
In Hunderten Rückmeldungen beschrieben Twitter-Nutzerinnen daraufhin extrem heftige, unregelmäßige oder anhaltendende Blutungen nach der Impfung. Weitere Schilderungen finden sich unter anderem im Social-Media-Netzwerk Reddit. Eine betroffene Frau berichtet dort, dass sie mit Medikamenten behandelt werden musste, weil ihre Menstruationsblutung nach der Impfung fünf Wochen lang anhielt und anders nicht mehr zu stoppen war.
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Ähnliche Ergebnisse lieferte eine aktuelle Twitter-Aktion im deutschsprachigen Raum: Geimpfte Frauen schildern, dass ihre Periode zum falschen Zeitpunkt auftrat, schmerzhafter und heftiger ausfiel als sonst. Von einer „Mens des Todes“ oder einem „Blutbad“ ist die Rede. Auch von Blutungen bei Frauen nach der Menopause wird berichtet. Die Betroffenen sorgen sich, dass die Impfung bei einer Schwangerschaft zu Fehlgeburten führen könnte, und äußern Unverständnis, dass das Risiko für Zyklusstörungen „mit keiner Silbe in den Nebenwirkungen erwähnt wird“.
4000 Fälle an britische Behörden gemeldet
Tatsächlich gibt es bisher noch keine wissenschaftliche Untersuchung dazu, wie häufig Blutungen nach der Corona-Impfung auftreten, in den Zulassungsstudien wurden die Probandinnen nicht dazu befragt. Ob die geschilderten Symptome in Zusammenhang mit der Impfung stehen, ist also noch nicht geklärt.
Die ersten Meldungen gab es im Februar aus Israel, wo sehr früh viele junge Menschen geimpft worden waren. Damals kündigten die israelischen Behörden eine Auswertung der Daten an, die aber bis heute nicht veröffentlicht wurde.
Behörde: Meldungen im Vergleich nicht sehr hoch
In Großbritannien gibt die Behörde Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) in ihren Sicherheitsberichten an, ihr seien Menstruationsstörungen nach der Impfung mit allen drei dort eingesetzten Covid-19-Vakzinen (Biontech/Pfizer, Astrazeneca und Moderna) gemeldet worden, darunter verspätete, unerwartete und ungewöhnlich starke Blutungen. Im Verhältnis zur Zahl der Geimpften sei die Anzahl der Meldungen nicht hoch, so die Behörde, ohne aber genaue Zahlen zu nennen. Einem Artikel der „Sunday Times“ vom Juni zufolge sollen der MHRA aber bis Mitte Mai bereits rund 4000 Fälle von Blutungen und Zyklusstörungen nach der Corona-Impfung gemeldet worden sein.
Auf die Frage hin, warum die Zwischenblutungen nicht in die Liste der offiziellen Nebenwirkungen aufgenommen wurden, sagte die MHRA gegenüber der Zeitung, dies sei nicht nötig, da ein erhöhtes Risiko für Menstruationsstörungen nach der Impfung noch nicht belegt sei. Im selben Artikel zitiert die Zeitung allerdings auch eine Reproduktionsmedizinerin vom Imperial College London, die vermutet, dass viele Fälle gar nicht erst durch das offizielle System erfasst würden.
Höheres Risiko für Thrombosen?
Ähnlich lautet eine Einschätzung des britischen Pharmakologen Hamid Merchant, die im „British Medical Journal“ veröffentlicht wurde. Auch er schreibt, es sei davon auszugehen, dass längst nicht alle Fälle von Zyklusstörungen nach der Impfung offiziell als Nebenwirkungen gemeldet würden. Vielen Frauen sei es unangenehm, über vaginale Blutungen zu berichten, andere kämen gar nicht darauf, dass diese mit der Impfung zusammenhängen könnten. Er vermutet, dass Gerinnungsstörungen die Blutungen verursachen, die durch die Corona-Impfstoffen ausgelöst werden können und in einigen Fällen zu tödlichen Hirnvenenthrombosen geführt hatten. Gleichzeitig könne eine extrem starke Menstruationsblutung nach der Impfung das Risiko für Thrombosen „signifikant erhöhen“. Die Behörden sollten daher eine Warnung aussprechen und auf diesen Zusammenhang hinweisen, fordert Merchant.
Das in Deutschland für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut hat noch keine Zahlen zu vaginalen Blutungen nach der Impfung veröffentlicht. Auch von deutschen Fachverbänden gibt es bisher wenig Rat für betroffene Frauen. Der Vorsitzende des Berufsverbands der Frauenärzte (BVF), Christian Albring, vermutete im Gespräch mit dem SWR, Frauen würden womöglich deshalb nach der Impfung bluten, weil sie davor so aufgeregt seien. Eine eigene Datenanalyse zum Thema hat der BVF allerdings nicht vorgenommen.
Mehr Aufklärung gefordert
In einem Artikel in der Zeitung „Der Freitag“ beschreibt der Buchautor Linus Giese seine Erfahrung mit der Impfung. Giese ist ein Transmann, er hat noch eine Gebärmutter, nimmt aber Hormone, um seinen Körper äußerlich dem männlichen Geschlecht anzugleichen. Eine Periodenblutung hatte Giese schon seit drei Jahren nicht mehr. Doch nach der Corona-Impfung trat sie plötzlich wieder auf: Das Erlebnis sei für ihn traumatisch gewesen.
„Warum wird über dieses Phänomen nicht offensiver aufgeklärt?“, fragt Giese. Die Erklärung der deutschen Frauenärzte überzeugt ihn nicht: „Erstaunlich: Weltweit sollen Menschen mit Gebärmutter nach einer Impfung plötzlich so gestresst sein, dass sie plötzlich anfangen zu bluten?“ Giese fordert mehr Aufmerksamkeit für das Thema ein: „Ich wünsche mir, dass die Nebenwirkung ‚Menstruationsbeschwerden‘ genauso ernst genommen wird wie die Nebenwirkungen ‚Kopfschmerzen‘ und ‚Fieber‘. Und ich wünsche mir, dass Ärzt*innen darüber genauso ernsthaft aufklären.“