Chlorophyllwasser: Warum ein Ernährungsmediziner vom Tiktok-Hype abrät

Was ist dran am Hype um Chlorophyllwasser?

Was ist dran am Hype um Chlorophyllwasser?

Hannover. Ein flacher Bauch, reine Haut und im Allgemeinen ein besseres Wohlbefinden – was verlockend klingt, ist laut Tiktok-Usern nur ein paar Schlucke entfernt. Chlorophyllwasser ist derzeit der Drink der Stunde in den sozialen Medien. In Videos sieht man, wie die meist jungen Frauen, ein paar Tropfen dunkelgrünes flüssiges Chlorophyll in ein volles Wasserglas träufeln und es in einem Zug austrinken. Was ist dran am „Zauberdrink“?

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Den meisten wird der Begriff noch aus dem Biologieunterricht bekannt sein: Bei Chlorophyll handelt es sich um den Farbstoff, den Pflanzen bei der Fotosynthese für die Energiegewinnung nutzen. „Das, was für uns die roten Blutkörperchen sind, ist für die Pflanze das Chlorophyll. Darin wickelt die Pflanze ihren Stofftransport ab“, erklärt Matthias Riedl, Diabetologe, Ernährungsmediziner und Internist am Medicum Hamburg. Dementsprechend viel Chlorophyll finde man in grünem Gemüse, wie Broccoli oder Spinat.

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Keine Belege für alleinigen Effekt von Präparaten

Und das reine Chlorophyll ist nun die Wunderwaffe gegen Wehwehchen wie Pickel und schlechte Verdauung? Wohl eher nicht. „Es gab eine Studie – schon vor rund zehn Jahren –, die den theoretischen Hintergrund beleuchtet hat, dass Chlorophyll in der Lage sein könnte, Krebszellen am Wachstum zu hindern“, sagt Riedl. Tatsächlich sei Chlorophyll aus medizinischer Sicht durchaus „interessant“ und könne einen positiven Effekt auf Menschen haben.

„Aber das Problem an solchen Studien ist immer, dass ein nachgewiesener positiver Effekt schnell von der Industrie aufgegriffen wird und ein künstliches Produkt hergestellt wird.“ Dann gelte dieser Stoff als einziges Wirkungsziel, obwohl er wie beispielsweise Chlorophyll so gut wie nie alleine auftrete. „Es gibt keine Nachweise, dass diese dargestellten positiven Effekte allein durch ein Chlorophyllpräparat entstehen.“

Viele greifen eher auf Nahrungsergänzungsmittel zurück, anstatt auf etwas wirklich Effektives zu setzen: pflanzliche Ernährung.

Matthias Riedl, Diabetologe, Ernährungsmediziner und Internist

Positive Effekte werden verschenkt

Dieser „Mechanismus“, sich auf nur einen Stoff zu beschränken, sei allerdings bei vielen Menschen verankert. Das jedoch bringe keinen Effekt. „Damit verschenkt man die ganzen anderen positiven Effekte, die grüne Pflanzen noch mit sich bringen.“

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Wer einen grünen Salat esse, nehme beispielsweise nicht nur Chlorophyll auf, sondern auch viele sekundäre Pflanzenstoffe, Vitamine, Mineralien, Spurenelemente – „das macht nachher das ganze Feuerwerk der Pflanzenwirkung erst aus“, so der Ernährungsmediziner. „Viele greifen eher auf Nahrungsergänzungsmittel zurück, anstatt auf etwas wirklich Effektives zu setzen: pflanzliche Ernährung. Das ist ein Trugschluss und schadet eher, wenn Menschen meinen, dass ein paar Tropfen Chlorophyll 100 Gramm Spinat ersetzen.“

Ein Smoothie mit Spinat hat viele positive Effekte, weil eben nicht ein Stoff isoliert verzehrt wird. Er wirkt beispielsweise blutdrucksenkend und antientzündlich.

Matthias Riedl, Diabetologe, Ernährungsmediziner und Internist

Kann reines Chlorophyll schädlich sein?

Kann man sich mit dem Verzehr von Chlorophyll denn schaden? „Ich glaube es nicht, es gibt dafür eigentlich keinen Anhalt“, sagt Riedl. Bedenklich seien Konzentrate im Allgemeinen eher dann, wenn man sie in „immensen Mengen“ aufnehme. Denn während Menschen in der Regel gut an den Verzehr von Pflanzen adaptiert seien, sei eine Gefahr bei Konzentraten theoretisch nicht ausgeschlossen. In seltenen Fällen könnten laut Riedl Juckreiz, Bauchschmerzen oder Atemnot auftreten. „In der Literatur steht meistens, dass keine Nebenwirkungen auftreten. Aber erforscht ist das nicht.“

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Ein grüner Smoothie mit Spinat kann sehr viel mehr

Wenn man dagegen Chlorophyll in Form von grünem Gemüse aufnehme, sei das auf jeden Fall gesund. Neben einem grünen Salat empfiehlt der Ernährungsmediziner beispielsweise einen Smoothie mit Spinat. Dabei ist zu beachten, dass der Spinat nicht erhitzt, sondern tiefgefroren sein sollte, da Chlorophyll hitzeempfindlich ist. „Ein Smoothie mit Spinat hat viele positive Effekte, weil eben nicht ein Stoff isoliert verzehrt wird. Er wirkt beispielsweise blutdrucksenkend und antientzündlich.“

Zudem habe Salat und Spinat eine beruhigende Wirkung auf Magendarmentzündungen, „das hat Chlorophyll allein nicht“, so der Experte. Der gesündeste Weg sei also nicht auf Nahrungsergänzungsmittel zu setzen, sondern auf pflanzliche Kost – mit ausreichend echtem grünen Gemüse.

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