Impfkommission erklärt Astrazeneca-Empfehlung: Viel mehr Sinusthrombosen bei Frauen unter 60 als erwartet
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© Quelle: Robert Michael/dpa-Zentralbild/d
Vor über einer Woche hat die Ständige Impfkommission (Stiko) ihre Empfehlung zum Corona-Impfstoff von Astrazeneca geändert und das Vakzin nur noch für Menschen ab 60 Jahren in Deutschland empfohlen. Grund waren unter anderem Thrombosen, die nach der Impfung mit dem Vakzin bei wenigen Menschen auftraten. 31 Verdachtsfälle auf Hirnvenenthrombosen wurden bei gut 2,7 Millionen Geimpften gemeldet – eine seltene, aber schwere Nebenwirkung.
Eine wissenschaftliche Begründung zu der Empfehlung hat die Stiko noch nicht veröffentlicht, jedoch haben sich Mitglieder der Kommission nun zu der Entscheidung geäußert. Demnach zeichnete sich bei den Astrazeneca-Impfungen ein „ganz klares Risikosignal“ ab, sagte Christian Bogdan, Direktor des Mikrobiologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen und Mitglied der Stiko: Man habe zwanzigmal mehr Sinusthrombosen bei geimpften Frauen zwischen 20 bis 59 Jahren entdeckt als erwartet, wie er bei einer vom Science Media Center organisierten Pressekonferenz sagte.
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Stiko: Vakzin wegen höherer Sterblichkeit bei Covid-19 weiter für über 60-Jährige empfohlen
Marianne Röbl-Mathieu, Gynäkologin in München und ebenfalls Mitglied der Stiko, betonte ergänzend dazu, dass das Alter und das Risiko eines tödlichen Covid-19-Krankheitsverlaufs wichtige Rollen bei der Empfehlung gespielt hatten. Die Stiko hatte die Mortalitätsrate von über 60-Jährigen Menschen mit der Altersgruppe zwischen 18 und 59 Jahren bei einer Covid-19-Erkrankung verglichen.
„Das Risiko, an einer Covid-19-Erkrankung zu versterben, wenn man älter als 60 Jahre alt ist, ist fünfzigmal höher“, betonte Röbl-Mathieu. Um das Risiko eines schweren bis tödlichen Covid-19-Krankheitsverlaufs zu reduzieren, wurde die Astrazeneca-Impfung daher weiterhin für über 60-Jährige empfohlen. Die Stiko hat sich umgekehrt jedoch auch dazu entschlossen, Menschen unter 60 Jahren angesichts der Thrombosenfälle vor möglichen Nebenwirkungen der Impfung mit Astrazeneca zu schützen.
Hypothese: Sinusthrombosen könnten durch bekannten Mechanismus nach Impfung entstehen
Laut Bogdan müsse nun ein Mechanismus gefunden werden, der die Thrombosenentstehung nach den Impfungen erklärt. Der stellvertretender Vorsitzende der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH), Robert Klamroth, sagte bei der Pressekonferenz, dass ein bekannter Mechanismus die Blutgerinnsel nach der Astrazeneca-Impfung erklären könnte: Bei einer sogenannten Heparin-induzierten Thrombozytopenie (zu wenig Blutplättchen im Blut) verbinde sich der Plättchenfaktor 4 – ein wichtiges Protein der Blutplättchen für die Blutgerinnung – mit dem Gerinnungshemmer Heparin.
Dadurch könne dann ein Neoantigen entstehen, gegen das sich wiederum Antikörper bilden. Durch diesen resultierenden Antigen-Antikörper-Komplex können Thrombosen entstehen. Die Hypothese bei den Thrombosen nach der Astrazeneca-Impfung sei nun, dass sich nicht Heparin, sondern etwas anderes mit dem Plättchenfaktor 4 verbindet – und sich so ein Neoantigen bildet, durch das Thrombozyten-aktivierende Antikörper entstehen, sagte Klamroth. Ob das beispielsweise etwas vom Impfstoff, wie etwa ein Vektor oder Spikeprotein, oder eine Immunreaktion sei, müsse aber noch geklärt werden.