Steigende Fallzahlen: Indiens Krankenhäusern droht die Überlastung

Eine Beerdigung in Delhi.

Eine Beerdigung in Delhi.

Neu Delhi. Nach einer verzweifelten Suche nach einem Krankenbett ist eine schwangere Frau in Neu Delhi gestorben. Ihr Tod löste in ganz Indien Besorgnis aus: Wird das Land in der Lage sein, mit einer neuen Corona-Welle zurechtzukommen? “Wir sitzen auf einer tickenden Zeitbombe”, sagt der Arzt Harjit Singh Bhatti in Neu Delhi. Solange die Regierung nicht ihre Gesundheitsausgaben erhöht, würden sich die Dinge nicht ändern – und viele Menschen würden sterben. Nur mit einem entschlossenen landesweiten Vorgehen könne der Schaden begrenzt werden.

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Hohe Krankenhaus-Dichte in Neu Delhi – doch es fehlen die Betten

“Sie hat uns immer wieder angefleht, ihr Leben zu retten, aber wir konnten nichts tun”, sagt Shailendra Kumar, der Schwager der gestorbenen Frau Neelam. Er hatte Neelam und ihren Mann stundenlang von einer Klinik zur nächsten gefahren. Die Schwangere wurde in acht öffentlichen und privaten Krankenhäusern abgewiesen. Und das, obwohl Neu Delhi eine der Städte mit der höchsten Krankenhaus-Dichte in Indien ist. Die Hälfte der 8200 Krankenhausbetten für Covid-19-Patienten in der Hauptstadt ist bereits belegt. Die Behörden erwarten bis Ende Juli allein dort mehr als eine halbe Million Fälle.

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Private Krankenhäuser im Großraum Delhi teilten mit, dass alle ihre Betten belegt und alle Beatmungsgeräte im Einsatz seien. Auch staatliche Kliniken wiesen mehrere kranke Menschen ab. Die oppositionelle Kongresspartei sammelte unter dem Twitter-Hashtag #SpeakUpDelhi erschreckende Erfahrungsberichte von Angehörigen von Covid-19-Patienten, die über einen Mangel an Krankentragen und Sauerstoff und fatalen Verzögerungen bei der Versorgung berichteten.

10.000 neue Fälle pro Tag: Regierung lockert Regeln

Indien hat inzwischen Großbritannien bei der Zahl der bekannten Corona-Infektionen überholt. Am Freitag gab es in Indien nach offiziellen Angaben mehr als 297.000 nachgewiesene Fälle. Das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt mit 1,3 Milliarden Einwohnern liegt damit weltweit auf Platz vier – nach den USA, Brasilien und Russland. Die Zahl der Sars-CoV-2-Infektionen in Indien ist in den vergangenen Tagen rasch angestiegen – mit wiederholt rund 10.000 neuen Fällen pro Tag. Trotzdem lockert das Land die Maßnahmen zusehends – inzwischen sind Büros, religiöse Stätten, Restaurants und Shoppingzentren wieder offen.

Die Regierung von Ministerpräsident Narendra Modi war zuvor wegen des zehnwöchigen landesweiten Lockdowns in die Kritik geraten. Die Maßnahme legte die Wirtschaft lahm und löste eine humanitäre Krise aus, als Zehntausende plötzlich arbeitslos gewordene Wanderarbeiter zu Fuß in ihre Heimatdörfer aufbrachen. Die Regierung verteidigte die Restriktionen als Preis für den Schutz der 1,3 Milliarden Menschen im Land. Modi sagte in einer Fernsehansprache, das Opfer habe “die Nation gerettet”.

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Menschen in Indien sterben wegen Überfüllung der Kliniken

Doch seit der Lockerung der Beschränkungen hat sich die Lage deutlich verschärft. Überlastete Krankenschwestern drohten inzwischen mit Streiks, ein verzweifelter Arzt rief über WhatsApp zu Blutspenden für Patienten auf. Die Regierung erwägt nun, Luxushotels und Sportstadien in Lazarette umzuwandeln. Zwischenzeitlich hatte Delhi bekanntgegeben, dass alle Betten für Covid-19-Patienten ab sofort für Bewohner der Metropolregion reserviert seien. Modis Regierung hob diese Regelung aber am Montag auf: Die Krankenhäuser müssen weiterhin Patienten aus allen Teilen des Landes aufnehmen.

Der Bioethiker Anant Bhan sagt, den Krankenhauszugang auf Bewohner Delhis zu beschränken sei inakzeptabel. Viele Menschen im Norden von Indien seien bei allem, was über die Grundversorgung hinausgehe, dringend auf die medizinischen Einrichtungen in der Hauptstadt angewiesen. Es sei "sicher nicht ideal", dass Delhi und die Zentralregierung inmitten einer Gesundheitskrise im Streit lägen anstatt zusammenzuarbeiten.

Unterdessen sterben wegen der Überfüllung der Kliniken Menschen in Delhi und außerhalb. Experten beklagen einen Mangel an Schutzausrüstung und Tests. Der Anstieg der Corona-Fälle habe es für Patienten mit anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen viel schwerer gemacht, eine Behandlung zu bekommen, erklärt Bhan. Das sei besonders problematisch, da Indien kurz vor der Monsunzeit stehe, die Malaria, Denguefieber und viele andere Krankheiten mit sich bringt.

RND/AP/dpa

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