Gemeinnützig, pragmatisch, digital: Darum ist die Impfplattform sofort-impfen.de so erfolgreich
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Die Gründer: Oliver Mayer (Zweiter von links), Johannes Gerster (Vierter von links) und Martin Elwert (rechts).
© Quelle: privat
Es ist gar nicht so einfach, mit Johannes Gerster zu sprechen. Denn seit etwas über einer Woche hat der 39-Jährige eins kaum noch: Zeit. Zusammen mit Coffee-Circle-Gründer Martin Elwert und IT-Berater Oliver Mayer hat er die Plattform sofort-impfen.de gegründet. Hausarztpraxen und volljährige Impfwillige können sich dort registrieren und werden – wenn Impfstoff in der Nähe übrig ist – „gematcht“. Wie bei der beliebten Datingplattform Tinder also, nur eben für Corona-Impfungen. Damit soll verhindert werden, dass wertvoller Restimpfstoff verfällt.
Von der Idee zur Website
Dass die Initiative so gut ankommt, überrascht auch die Gründer: „Als wir die Website gebaut haben, hatte ich schon mal den Gedanken ,Okay, das kann schon funktionieren‘. Aber mit den Dimensionen haben wir natürlich nicht gerechnet“, so Gerster. „Bis es funktioniert hat, wussten wir nicht, ob es funktioniert.“
Ein Projekt, das schnell große Bekanntheit erlangt hat: Eine Million Mal wurde die Website seit der Einrichtung vor etwas über einer Woche angeklickt, 800.000 Impfwillige und knapp 500 Arztpraxen haben sich registriert (Stand: 14. Mai). Auch die Bundesregierung unterstützt die Plattform, etwa mit Netzwerken wie Update Deutschland oder der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Dabei ist die Idee eigentlich naheliegend: „Freunde von mir wurden extra von ihren Hausärzten angerufen, ob sie sich mit Restvakzinen impfen lassen wollten“, sagt Gerster. „Das ist ja ein recht großer Organisationsaufwand. Ich dachte, das muss doch relativ einfach mit einer digitalen Lösung abzubilden sein.“ Gedacht, gemacht. „Ich habe zwei Freunde angerufen, und wir haben einfach losgelegt“, erzählt der Unternehmer.
Zweieinhalb Wochen dauerte es, bis die drei Gründer aus der fixen Idee mit viel Leidenschaft und Pragmatismus Wirklichkeit geschaffen hatten – und einen 24/7-Job. Seit der Freischaltung verlassen Gerster und sein Team ihren Arbeitsplatz – meist ein Coworkingspace, manchmal die WG eines Teammitglieds – nur noch zum Schlafen.
„Wir fangen meist um 9 Uhr an und machen oft bis weit nach Mitternacht“, sagt Gerster. Neben der Arbeit an der Website kümmert sich das Team auch täglich um bis zu 3000 E-Mails. Viel Zeit bleibt da nicht: „Die Lieferdienste hier in München haben wir bald durchgespielt.“
Projekt von Schulfreunden
Das Team, das sind vor allem alte Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen Mitte dreißig, die neben ihren eigentlichen Jobs ehrenamtlich für die Plattform arbeiten. Die Gründer Gerster, Elwert und Mayer sind zusammen aufgewachsen, in der 50.000-Einwohner-Stadt Ravensburg am Bodensee. Das war vor 20 Jahren. „Wir sind zusammen zur Schule gegangen und kennen uns schon mehr als die Hälfte unseres Lebens“, sagt Gerster. „Das ist natürlich eine gute Basis, um so ein Projekt zu machen.“
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Hatte die Idee für sofort-impfen.de: Co-Gründer Johannes Gerster.
© Quelle: privat
Die Plattform ist eine Non-Profit-Initiative, Geld verdienen die Beteiligten damit nicht. Die laufenden Kosten finanzieren die Unternehmer hauptsächlich durch Spenden. „Das funktioniert grad ganz okay, weil wir alle erst mal privat in Vorleistung gegangen sind“, sagt Gerster. „So wie es gerade aussieht, können wir damit auch noch 450-Euro-Kräfte beschäftigen, um den Nachrichtenansturm ein bisschen abzufangen.“
Wie es weitergeht, ist noch unklar: „Wir hatten noch gar keine Zeit, langfristig zu planen“, sagt Gerster. „Wir reagieren gerade in erster Linie.“
Digital denken
Auf Länder-und Kreisebene gibt es bereits Plattformen, die die Impfterminvergabe regeln sollen. So erfolgreich wie sofort-impfen.de ist aber keins. Das erklärt sich Johannes Gerster vor allem mit der großen Digitalaffinität des Mittdreißigerteams: „Wir kommen alle mehr oder weniger aus dem Digitalbereich. Wir wissen also, wie solche Seiten aussehen sollten, damit sie auch genutzt werden“, sagt er.
Auch technisch klappt bisher alles. Trotz der hohen Zugriffszahlen laufe die Plattform stabil. „Das hat uns selbst auch ein bisschen überrascht“, sagt Gerster und lacht. „Unsere heimlichen Stars sind die Programmierer.“
Auch Datenschutz ist ihnen wichtig: Bis auf die E-Mail-Adresse und die Postleitzahl erhebt die Plattform keine Daten über ihre Nutzer. „Wir wollten die Seite so aufbauen, dass sie schnell ist, einfach verständlich und dass die Daten jederzeit sicher sind“, sagt Gerster. Wird ein Termin wahrgenommen, werden die Daten nach 24 Stunden automatisch gelöscht – so zumindest das Versprechen auf der Website.
Wie geht’s weiter?
Impftermine wurden noch keine vergeben. Die Plattform sammelt bisher lediglich die Registrierungen der Praxen und Impfwilligen. Das soll sich aber Anfang kommender Woche ändern: „Wir gehen davon aus, dass wir ab Dienstag die ersten Termine vermitteln können“, sagt Gerster. Was die hohen Nutzerzahlen aber jetzt schon zeigen: „Es gibt offenbar – Gott sei Dank – in Deutschland sehr viele Menschen, die sich impfen lassen wollen“, sagt Gerster.
Und die Plattform lässt sich weiter ausbauen, zum Beispiel zur zentralen Koordinationsstelle für Impftermine – nicht nur für Restvakzine. Zumal nicht alle Hausarztpraxen überhaupt genug Impfstoff haben, geschweige denn übrig gebliebene Impfdosen.
„Das haben wir bisher noch nicht so kommuniziert, weil wir die Impfreihenfolge nicht unterlaufen wollten“, sagt Gerster. „Aber da die Priorisierung bei Astrazeneca und Johnson & Johnson nun aufgehoben ist, können wir das jetzt natürlich tun.“
Es sieht nicht so aus, als ob Johannes Gerster bald mehr Zeit hätte. Aber das ist auch gar nicht so schlimm.