Divi-Präsident: „Viele schwer kranke Covid-19-Patienten bis in den Sommer“

Schwer kranke Covid-19-Patienten sind im Schnitt 18 Tage auf der Intensivstation – weitaus länger als beispielsweise bei einer ernsthaften Influenza-Erkrankung.

Schwer kranke Covid-19-Patienten sind im Schnitt 18 Tage auf der Intensivstation – weitaus länger als beispielsweise bei einer ernsthaften Influenza-Erkrankung.

Anfang Januar 2021 ist ein schwieriger Zeitpunkt, zu dem Prof. Gernot Marx das Amt als neuer Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) übernimmt. Für die kommenden zwei Jahre spricht er für die Ärzte und Pfleger auf den Intensivstationen. Und die haben seit Monaten mit einer hohen Anzahl schwerstkranker Covid-19-Patienten in dieser Pandemie zu kämpfen – sowie vieler weiterer akut Behandlungsbedürftigen.

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Im RND-Gespräch macht Intensivmediziner Marx vom Aachener Universitätsklinikum deutlich, dass es im weiteren Verlauf der Pandemie gerade sehr viele Ungewissheiten und Risiken gibt – und eine weitere Belastung für die Kliniken wirklich schwierig werden würde. Es gehe jetzt vor allem darum, durch den Lockdown Zeit zu gewinnen – und währenddessen möglichst viele Menschen zu impfen, sagt Marx.

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Herr Marx, wie beurteilen Sie die politischen Beschlüsse zum verschärften Lockdown bis Ende Januar?

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Ich bin sehr froh über diese Entscheidung. Die Kliniken sind wirklich voll. Aktuell sind weit über 22.000 Intensivbetten belegt, also mehr als 80 Prozent der Kapazitäten. Durch die kontinuierlich hohe Anzahl von fast 6000 betreuungsintensiven Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen sind die Ärzte und Pfleger inzwischen wirklich am Anschlag. Eine weitere Belastung mit noch mehr Erkrankten wäre wirklich schwierig.

Worauf kommt es im Januar-Lockdown an, um die Lage in den Kliniken zu entschärfen?

Das wichtigste Ziel bleibt, die Fallzahlen und den R-Wert deutlich unter die Sieben-Tage-Inzidenz von 50 zu senken. So können wir Zeit gewinnen und währenddessen möglichst viele Menschen impfen. Ein Problem ist, dass wir im Moment eigentlich gar nicht so richtig wissen, wie viele Neuinfektionen es gerade gibt. Zwischen Weihnachten und Neujahr gab es viel weniger Testungen. Erst Anfang nächster Woche lassen sich wahrscheinlich bessere Prognosen errechnen. Danach wissen wir auch besser, ob die verschärften Maßnahmen ausreichen oder womöglich noch einmal verschärft werden müssten.

Prof. Gernot Marx hat Uwe Janssens Anfang 2021 als neuer Präsident der Fachgesellschaft für Intensivmediziner abgelöst.

Prof. Gernot Marx hat Uwe Janssens Anfang 2021 als neuer Präsident der Fachgesellschaft für Intensivmediziner abgelöst.

Sind verschärfte Maßnahmen ohne eine eindeutige Datenlage zu Neuinfektionen trotzdem angebracht?

Die Entscheidung der Politiker ist richtig. Das ist gerade wirklich keine Zeit, um ein Risiko einzugehen. Es hat sich in den letzten Wochen gezeigt, dass drastische Einschränkungen für eine gewisse Zeit nachhaltiger sind als weniger konsequente Maßnahmen wie im November. Damals wurde das exponentielle Wachstum zwar immerhin gestoppt, aber die Inzidenz konnte nicht gesenkt werden.

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Haben Sie Sorge, dass die ansteckendere Virusvariante B.1.1.7 bald zu noch mehr Erkrankten in Deutschland führt?

Sobald wir wieder valide Zahlen haben, müssen wir dieses Thema unbedingt verfolgen, damit sich die Kliniken vorbereiten können. Wenn diese Mutante verstärkt in Deutschland auftaucht, ist eines besonders wichtig: Je mehr wir testen, desto besser, um Ausbrüche mit der Mutante frühzeitig zu erkennen und nachverfolgen zu können. Ich glaube nicht, dass man die Verbreitung von Mutationen mit Maßnahmen – mit Ausnahme der Impfung – verhindern kann. Aber man kann sie immerhin verzögern.

Corona-Lockdown bis 31. Januar – ungewiss, was danach kommt

Sollte sich die Bevölkerung darauf einstellen, dass sich eine Abfolge von Lockdown und Lockerungen weiter durch 2021 zieht?

Wir müssen uns eingestehen: Pandemie bedeutet grundsätzlich eine Zeit der Ungewissheit und Unwissenheit. Vieles wissen wir gerade einfach nicht. Es gibt derzeit sehr viele Unsicherheiten und Risiken. Ich halte den 31. Januar deshalb als eine vorläufige Befristung des Lockdowns für einen vernünftigen Zeitpunkt. Ob Deutschland danach lockert, den Lockdown beibehält oder noch einmal verschärft, kann dann anhand valider Daten wesentlich besser beurteilt werden.

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Für die Ärzte und Pfleger auf den Stationen ist das inzwischen mehr als ein Marathon.

Ist damit zu rechnen, dass der Druck auf die Kliniken im Winter trotz Maßnahmen hoch bleibt?

Die Herausforderung, viele schwer kranke Covid-19-Patienten zu betreuen, wird die Kliniken mindestens bis in den Sommer begleiten. Davon gehe ich aus. Für die Ärzte und Pfleger auf den Stationen ist das inzwischen mehr als ein Marathon. Das Personal ist physisch und psychisch wirklich am Anschlag.

Durch den verschärften Lockdown hoffe ich aber, dass die Schwelle von 6000 Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen bis Mitte Februar nicht überschritten wird. Es ist aber noch unklar, ob durch die Feiertage und Silvester mehr Ansteckungen stattgefunden haben. In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob die Zahl der schwerer Erkrankten noch zunimmt.

Gleichzeitig haben erste Impfungen stattgefunden. Bald gibt es hoffentlich weniger Menschen aus Hochrisikogruppen, die schwer an Covid-19 erkranken.

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Die Impfung ist für mich der entscheidende Punkt. Es ist zu hoffen, dass sich mindestens 60 Prozent der Bevölkerung impfen lassen. Das ist der Weg zu einer Art Normalität und zur Entlastung der Krankenhäuser. Aus intensivmedizinischer Sicht kann ich nur betonen, dass die Gefahren einer Covid-19-Erkrankung und Folgen durch Long Covid maximal größer sind als mögliche potenzielle Nebenwirkungen und Langzeitfolgen durch eine Impfung. Das ist eine ganz klare Risiko-Nutzen-Abwägung.

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