RKI-Chef zu Corona-Infektionen: „Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Lage noch verschlimmert“

Lothar Wieler gibt als Präsident des Robert-Koch-Instituts seit Pandemiebeginn regelmäßig Pressekonferenzen und berichtet über das Infektionsgeschehen in Deutschland.

Lothar Wieler gibt als Präsident des Robert-Koch-Instituts seit Pandemiebeginn regelmäßig Pressekonferenzen und berichtet über das Infektionsgeschehen in Deutschland.

Es könne noch nicht abgeschätzt werden, wie sich die neuen Virusvarianten in den nächsten Wochen in Deutschland ausbreiten und wie das die Infektionsdynamik beeinflussen könnte. „Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Lage noch verschlimmert“, sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, während einer Pressekonferenz am Donnerstag. Es sei auch sicherlich nicht die letzte Variante, die gerade in Brasilien aufgetaucht ist. Auch eine Verschärfung des Lockdowns sei in dieser Lage eine Option.

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Zu hohe Corona-Zahlen: RKI fordert mehr Homeoffice
14.01.2021, Berlin: Lothar Wieler (l), Pr���sident des Robert Koch-Instituts (RKI), gibt eine Pressekonferenz zur aktuellen Entwicklung bei den Corona-Zahlen. Angesichts weiterhin hoher Corona-Zahlen hat das Robert Koch-Institut (RKI) an Arbeitgeber appelliert, Besch���ftigten mehr Homeoffice zu erm���glichen. Foto: John Macdougall/AFP-POOL/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Das Robert Koch-Institut hält eine massive Verringerung der Fallzahlen für geboten - auch wegen noch unklarer Folgen von Corona-Mutationen.

Ein Großteil der bislang bemerkten Varianten in Deutschland sei auf Einreisen aus dem Ausland zurückzuführen. Nachgewiesen seien hierzulande bislang 16 Fälle mit der Variante aus Großbritannien, vier aus Südafrika. „Nach bisherigen Daten gehen wir davon aus, dass sich die Mutante aus Großbritannien um grob 50 Prozent besser überträgt“, so Wieler. Sprich: Wenn eine Person eine andere ansteckt, steckt diese wieder anderthalb weitere an. Das wäre dem RKI-Präsident zufolge ein erheblicher Unterschied.

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Kein sichtbarer Lockdown-Effekt? Mehr Homeoffice, weniger Reisen

„Wer nicht reisen muss, sollte deshalb auch nicht reisen“, so Wieler. Die Varianten könnten bei offenen Grenzen nicht ganz aufgehalten, aber die Ausbreitung immerhin verlangsamt werden. Deshalb seien Kontaktbeschränkungen und der Verzicht auf Reisen weiterhin elementar. „Dann geben wir dem Virus keine Chance“, bekräftigte Wieler. „Die Maßnahmen helfen auch gegen dieses Virus – wenn wir uns an diese Regeln halten.“

Mobilitätsdaten zeigten, dass dieser Lockdown nicht so effektiv wie der aus dem Frühjahr von der Bevölkerung mitgetragen werde. In allen Bereichen gebe es noch genug Luft nach oben, um Maßnahmen einzuhalten – „mit aller Konsequenz“. Wieler rief dazu auf, zuhause zu arbeiten, wann immer möglich. „Dafür brauchen wir noch mehr verantwortungsvolle Arbeitgeber“, sagte der RKI-Präsident. Heimarbeit brauche natürlich Digitalisierung und Vertrauen.

Weniger lange Reisen, aber mehr Tagesausflüge über die Feiertage

„Mobilität hat einen großen Einfluss auf das Infektionsgeschehen“, bestätigte bei der Pressekonferenz der RKI-Epidemiologe und Physiker Dirk Brockmann, der seit Pandemiebeginn Bewegungsdaten in Deutschland analysiert. Zwar sei die Mobilität in diesem Jahr über die Weihnachtszeit geringer ausgefallen als noch im Vorjahr, insbesondere habe es weniger Reisen über 100 Kilometer Entfernung gegeben. „Das ist ein gutes Signal“, so Brockmann.

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Allerdings seien die Bewegungen von einem Ort zum anderen nicht so stark gesunken wie noch im ersten Lockdown im Frühjahr 2020. Vor allem Tagesausflüge in die nähere Umgebung hätten in einigen Regionen in Deutschland häufiger stattgefunden als noch im Vorjahr - beispielsweise im Harz, auf Rügen und in Garmisch-Patenkirchen. Die Bewegungseingrenzung von 15 Kilometern um eine Gemeinde herum könne den Modellen zufolge rund fünf Prozent der Gesamtmobilität entfallen lassen. „Die Maßnahme hat also einen Effekt“, erläuterte Brockmann. „Wenn der Radius viel kleiner wird, wird es auch viel effizienter bei den Kontaktbeschränkungen.“

Corona zirkuliert weiter in allen Altersgruppen in Deutschland

Das Virus sei aber weiterhin in der gesamten Bevölkerung unterwegs, verbreite sich in allen Altersgruppen und führe auch bei den unter 60-Jährigen vermehrt zu schweren Covid-19-Verläufen. Erst in der kommenden Woche könnten die Infektionszahlen nach den geringeren Testungen und geschlossenen Arztpraxen über den Jahreswechsel mögliche Effekte des seit Mitte Dezember geltenden Lockdowns wirklich bewerten. „Es wird dauern, bis sich Effekte bemerkbar machen“, prognostizierte Wieler.

Ganz besonders betroffen von einer schwereren Covid-19-Erkrankung ist weiterhin die Altersgruppe der über 80-Jährigen. Stand Mittwoch sei der steile Anstieg bei der Bettenbelegung auf den Intensivstationen etwas ausgebremst, was auf erste Lockdown-Effekte schließen lassen könnte. Definitiv ließe sich aber noch nicht beurteilen, ob das ein anhaltender Trend bleibe.

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Intensivstationen am Limit

Die Kapazitäten auf Intensivstationen seien vielerorts ausgeschöpft. In 10 Bundesländern seien inzwischen mehr als 85 Prozent der Intensivkapazitäten belegt und der Notpuffer aufgebraucht, so Wieler. Vielerorts gebe es Engpässe, manche Kliniken fahren Notprogramme. Das medizinische Personal arbeite seit Wochen am Limit und immer mehr Mitarbeiter fielen aus - auch wegen Covid-19.

Zu erneuten Forderungen, Pflegeheime wegen der vielen Ausbrüche mit besseren Konzepten zu schützen, entgegnete Wieler: Solange die Inzidenzen in der Bevölkerung nicht massiv reduziert würden, gebe es auch keinen hundertprozentigen Schutz für die Heimbewohner. Es sei eine irrige Annahme, dass beispielsweise negative Schnelltests immer verlässlich seien. Das zeige das Beispiel Großbritannien, wo sehr viele Schnelltests in Einrichtungen durchgeführt würden, es aber trotzdem weiterhin zu Ausbrüchen in Pflegeheimen kommt. „Für einen kompletten Schutz müsste man das Personal und Betreuten komplett abriegeln“, erläuterte Wieler.

Gleiche Ziele trotz Mutationen: Kontakte beschränken, Abstand, Impfen

Am Ende dieses Jahres werden wir diese Pandemie kontrolliert haben.

Lothar Wieler, RKI-Präsident

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Das Ziel bleibe weiterhin das gleiche: Die Fallzahlen müssten in der Gesamtbevölkerung reduziert und niedrig gehalten werden. „Es gibt keinen anderen Weg“, sagte Wieler. Jede einzelne Infektion sei eine zu viel. „Am Ende dieses Jahres werden wir diese Pandemie kontrolliert haben“, gab sich Wieler optimistisch. Voraussetzung sei, dass sich ausreichend Menschen impfen lassen, der Wettlauf gegen die Mutationen gelinge und die Maßnahmen in den kommenden Monaten weiter mitgetragen werden. „Die Impfstoffe sind sicher, verträglich und schützen wirksam davor, an Covid-19 zu erkranken“, betonte Wieler.

Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als „sehr hoch“ ein. Die Zahl der ans Robert-Koch-Institut gemeldeten Corona-Todesfälle hat an diesem Donnerstag (14. Januar) einen Höchststand erreicht. Innerhalb eines Tages übermittelten die deutschen Gesundheitsämter 1244 neue Todesfälle, wie aus den RKI-Zahlen von Donnerstagmorgen hervorgeht. Zudem wurden 25.164 Neuinfektionen innerhalb eines Tages gemeldet.


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