Corona in den Niederlanden: Zweite Welle droht – kommt ein Ausgehverbot?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/QH37VO4LW5FXXPZHLS6RPBHVXQ.jpeg)
Die Niederlande haben mit steigenden Infektionszahlen zu kämpfen.
© Quelle: "koen Van Weel"/ANP/dpa
Den Haag. Die zweite Corona-Welle in den Niederlanden drohe zu einem Tsunami zu werden, wenn nicht sofort strengere Corona-Maßnahmen eingeleitet werden. Diesen Warnruf richtet die Vereinigung der Fachärzte Federatie Medisch Specialisten an die Haager Regierung. „Wir müssen gemeinsam die Verantwortung dafür übernehmen, um das zu verhindern. Es muss jetzt schnell gehandelt werden“, sagte Peter Paul van Benthem, der Vorsitzende der Fachärztevereinigung am Montag in einem Appell an den Haager Regierungschef Mark Rutte.
Der Appell ist gut geplant. Denn Rutte will Dienstag schärfere Maßnahmen ankündigen, da die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen am Montag auf 6846 Personen gestiegen ist. Die Niederlande haben mit Spanien und Frankreich derzeit die höchsten täglichen Steigerungsraten von Corona-Infektionen in Bezug auf die Einwohnerzahl.
Gefahr: mit Corona-Patienten überforderte Krankenhäuser
Es gibt jetzt noch immer einen Behandlungsstau, der durch die erste Corona-Welle ausgelöst wurde.
Peter Paul van Benthem,
Arzt
Wenn dieser Trend anhalte, so warnt die Fachärztevereinigung, „liegen im nächsten Monat mindestens 5000 Corona-Patienten in unseren Krankenhäusern. Das wäre eine Vervierfachung gegenüber dem jetzigen Stand. Dann müssen in den Krankenhäusern 70 Prozent der übrigen Tätigkeiten und Behandlungen eingestellt werden, mehr als bei der ersten Corona-Welle von März bis Mai dieses Jahres“, warnen die Fachärzte. Das wäre dann der prognostizierte Corona-Tsunami, den sie befürchten.
„Es gibt jetzt noch immer einen Behandlungsstau, der durch die erste Corona-Welle ausgelöst wurde. Patienten mit Tumoren oder Herzkrankheiten konnten nicht rechtzeitig behandelt werden. Einige davon sind deshalb gestorben. Andere müssen den Rest ihres Lebens nun mehr leiden, weil ihnen nicht rechtzeitig geholfen werden konnte“, stellt der Arzt Peter Paul van Benthem fest. Das dürfe nicht wieder passieren.
Sperrstunde und Ausgehverbot möglich
Der Haager Premierminister Mark Rutte berät sich bereits seit Sonntag mit dem nationalen Corona-Krisenstab und dem nationalen Gesundheitsamt RIVM. Erwartet wird, dass Rutte und die von ihm geführte christlich-liberale Regierung die Mobilität der Menschen in den Niederlanden weiter einschränken und das Versammlungsverbot weiter verschärft. Für die Gastronomie gelten bereits restriktive Regeln und Öffnungszeiten. So müssen Kneipen und Restaurants in den Niederlanden um 22 Uhr schließen, die Gäste in der Gastronomie müssen sich wieder registrieren lassen.
Premier Rutte spielt auch mit dem Gedanken, eine Sperrstunde einzuführen und ein Ausgehverbot zu einer festgesetzten abendlichen Stunde zu erlassen. Der Widerstand gegen so eine generelle Sperrstunde ist groß.
Wenige Intensivbetten in Holland verfügbar
Die Gefahr einer nicht mehr kontrollierbaren Infektionswelle ist durchaus real. Zum einen steigt die Zahl der täglich neu infizierten Personen stetig an. Zum anderen haben die Niederlande im europäischen Vergleich relativ wenige Intensivbetten in den Krankenhäusern. In Holland sind nur 6,4 Betten pro 100.000 Einwohner vorgesehen. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 29,2 IC-Betten je 100.000 Einwohner, in Luxemburg 24,8; in Österreich 21,8; in Belgien 15,9; in der Schweiz elf. Schlusslicht in Europa ist Portugal, das pro 100.000 Einwohner nur 4,2 IC-Betten in Krankenhäusern zur Verfügung hat.