Neue Phase der Epidemie: Höhere Todesraten in Deutschland erwartet

Christian Drosten, Direktor des Institutes für Virologie an der Charité Berlin, rechnet mit einem Anstieg der Corona-Fallsterblichkeit in Deutschland.

Christian Drosten, Direktor des Institutes für Virologie an der Charité Berlin, rechnet mit einem Anstieg der Corona-Fallsterblichkeit in Deutschland.

Berlin. Coronavirus-Fälle in deutschen Pflegeheimen markieren aus Sicht des Virologen Christian Drosten eine neue Phase in der Epidemie, die auch mit mehr gemeldeten Todesfällen einhergeht. “Wir sehen jetzt in diesen Tagen die Eintragungen zum Beispiel in Seniorenpflegeheime und haben hier den Beginn einer neuen Entwicklung”, sagte Drosten im täglich stattfindenden NDR-Podcast.

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Man sehe das jetzt schon an der Statistik: Die Fallsterblichkeitsrate liege nicht mehr wie Mitte März in Deutschland bei 0,2 bis 0,4, sondern im Bereich 0,8 Prozent. Diese Zahl nannte auch Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), bei einem Pressebriefing am Dienstag. Das heißt: Die Zahl von Toten gemessen an der Gesamtzahl der registrierten Fälle steigt.

Dieser Wert könne sich laut Wieler auch noch weiter ändern, weil die Meldungen der Todesfälle einen gewissen Zeitverzug haben und der Verlauf der Lungenkrankheit länger andauere. Wegen einigen Fällen in Pflege- und Altenheimen müsse man dadurch deshalb davon ausgehen, dass die Sterberate ansteigen werde.

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Wovon sind die Todesraten abhängig?

Ich glaube nicht, dass wir unsere jetzige Testkapazität realistischerweise noch deutlich steigern können.

Virologe Christian Drosten

Grundsätzlich habe Deutschland bisher ein bisschen Glück gehabt, erklärt Drosten. Infiziert hätten sich zunächst vor allem jüngere, sportliche Leute wie Skifahrer, die das Virus aus dem Urlaub eingeschleppt und es in ihren ungefähr gleichaltrigen Netzwerken verbreitet hätten. Diese Menschen erlebten zum größten Teil milde Krankheitsverläufe.

Hinzu komme, dass man bei der Diagnostik nicht mehr einer exponentiellen Entwicklung hinterherkommen könne: “Ich glaube nicht, dass wir unsere jetzige Testkapazität realistischerweise noch deutlich steigern können”, sagte Drosten mit Blick auf PCR-Tests. Davon könnten derzeit mehr als eine halbe Million pro Woche in Deutschland gemacht werden. Er sei aber unsicher, wie lange die Industrie dem großen Bedarf an Laborreagenzien noch nachkommen könne, so der Charité-Virologe.

Im weltweiten Vergleich fällt die Fallsterblichkeitsrate für Deutschland noch relativ gering aus. Im Schnitt liegt sie laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei 4 bis 4,7 Prozent. Besonders stark getroffen ist Italien. Bis vergangenen Dienstag hatte das Land nach Zahlen der Johns Hopkins Universität mehr als doppelt so viele Fälle wie Deutschland, die Fallsterblichkeit lag dort mehr als 20 Mal höher als in Deutschland.

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Warum genau das so ist, wissen die Experten nicht mit Gewissheit. Als wichtige Faktoren für die Epidemie-Entwicklung zählen bisherigen Erfahrungen nach das Alter der Patienten, die Ausstattung des Gesundheitssystems mit Beatmungsgeräten, der Zeitpunkt der Entdeckung von Fällen sowie die Testkapazitäten in den Laboren.

Bei all den Raten auch zu beachten: Zuletzt sind die vom RKI veröffentlichten Zahlen wegen Meldeverzug in Kritik geraten. Bemisst man beispielsweise die von den als verlässlich eingestuften Fallzahlen der John Hopkins University, fallen die Raten widerum anders aus. Deutschland liegt dann bei rund einem Prozent, Italien beispielsweise bei rund 11.

Diese Faktoren hat auch der in der WHO-Region Europa für das Management ansteckender Krankheiten zuständige Arzt Richard Pebody im Blick. Am Dienstag sagte er zum Unterschied der Todesraten in den einzelnen Ländern, es könne etwa daran liegen, dass die einzelnen Staaten die Fälle mehr oder weniger genau zählen. Ein weiterer Faktor könne auch die Qualität der Behandlung sein. „Wir müssen natürlich untersuchen, ob diese Unterschiede real sind“, sagte Pebody.

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RND/dpa/ sbu

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