Experte zu britischer Strategie: Empfehlung der Medikamente hat weder Hand noch Fuß

Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin des UKE, spricht bei einer Pressekonferenz.

Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin des UKE, spricht bei einer Pressekonferenz.

London. Der Experte für die Behandlung von Covid-19-Patienten, Stefan Kluge, hat Zweifel an der Entscheidung Großbritanniens, neue Medikamente gegen die Krankheit einzusetzen. „Das überrascht mich schon ein bisschen, dass der britische Premierminister den Einsatz der Medikamente schon empfiehlt“, sagte der Intensivmediziner Kluge, der in Deutschland die Leitlinien für die stationäre Behandlung von Covid-Patienten mitentwickelt hat, der Deutschen Presse-Agentur. Premier Boris Johnson hatte zuvor angekündigt, der britische Gesundheitsdienst NHS werde ab sofort die Medikamente Tocilizumab und Sarilumab gegen Covid-19 einsetzen. Diese kommen normalerweise bei rheumatischer Arthritis zum Einsatz.

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Johnson hatte die Präparate als „lebensrettend bezeichnet“ und sich auf Versuchsdaten bezogen, denen zufolge die Todesrate von Covid-19-Patienten mit den Medikamenten signifikant gesenkt sowie ihre Aufenthaltsdauer im Krankenhaus verkürzt werden könne. „Das Problem an der Studie, auf die Johnson sich bezieht, ist, dass sie noch nicht richtig begutachtet und in einer medizinischen Fachzeitschrift publiziert ist“, sagte Kluge, der am Uniklinikum in Hamburg-Eppendorf die Intensivmedizin leitet. Sie sei zwar wohl methodisch solide, habe allerdings nur recht kleine Fallzahlen an Patienten untersucht.

Studienergebnisse sind teils widersprüchlich

„Außerdem gibt es andere Studien, die diese Effekte so nicht finden konnten. Man hat also widersprüchliche Studienergebnisse. Das macht einen ein bisschen skeptisch“, so Kluge weiter. In einer aktuellen Studie im New England Journal of Medicine zum Medikament Tocilizumab konnte nicht belegt werden, dass das Mittel die Sterblichkeit von Covid-19-Patienten verringert. In Deutschland sei ein Einsatz der Medikamente auf dieser Basis derzeit nicht vorstellbar, sagte Kluge. „Wenn wir eine Empfehlung abgeben, dann muss das auch Hand und Fuß haben.“ Jedes Medikament habe schließlich Nebenwirkungen und koste Geld.

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Großbritannien zählt bereits mehr als 82.000 Menschen mit Covid-19 auf dem Totenschein. In den vergangenen Tagen wurden jeweils mehr als 1000 Todesfälle pro Tag gemeldet. Krankenhäuser insbesondere in London und im Süden Englands stoßen an ihre Belastungsgrenzen. Für die eskalierende Situation machen Regierung und Mediziner die in Großbritannien entdeckte, wohl deutlich ansteckendere neue Coronavirus-Variante verantwortlich.

RND/dpa

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