Lungenarzt berichtet: “Wir behandeln bisher vor allem junge Menschen”

Prof. Christian Karagiannidis im Interview.

Prof. Christian Karagiannidis im Interview.

Die durch das neuartige Coronavirus verursachte Krankheit Covid-19 greift bei Erkrankten mit schwereren Verläufen die Lunge massiv an. Prof. Christian Karagiannidis kennt sich inzwischen aus mit dem Virus. Er arbeitet als Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin am städtischen Krankenhaus Köln-Merheim. Als Lungenmediziner leitet Karagiannidis eine Station, die sich im Moment ausschließlich um Corona-Patienten kümmert. Im RND-Interview berichtet er von seinen Patienten und warum Beatmungsgeräte für sie überlebenswichtig sind.

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Herr Karagiannidis, wie würden Sie die aktuelle Situation im Klinikalltag beschreiben?

Mein Team behandelt gerade (Stand 27. März) sieben Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind. Wir werden jetzt noch nicht überflutet mit Patienten, haben in Deutschland aber schon Todesfälle auf den Intensivstationen gehabt. Auf meiner Station bislang noch nicht, aber die nächsten sieben Tage werden ganz entscheidend sein, um zu sehen, wie es weitergeht. Ich denke, das wird ein Marathon werden, der sich über die nächsten Monate hinzieht.

Prof. Christian Karagiannidis ist Facharzt für Lungenerkrankungen am Krankenhaus Köln-Merheim. Außerdem ist in der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) Sprecher der Sektion "Lunge – Sektion Respiratorisches Versagen“ und Mitinitiator sowie Sprecher des DIVI-Intensivregisters.

Prof. Christian Karagiannidis ist Facharzt für Lungenerkrankungen am Krankenhaus Köln-Merheim. Außerdem ist in der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) Sprecher der Sektion "Lunge – Sektion Respiratorisches Versagen“ und Mitinitiator sowie Sprecher des DIVI-Intensivregisters.

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Sie behandeln vorwiegend Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen?

Bisherige Erfahrungen zeigen ein anderes Bild. Wir behandeln bisher vor allem junge Menschen, das muss man klar sagen. Manche hatten Vorerkrankungen, aber einige hatten auch keine.

Welche Alarmsignale deuten auf einen schweren Covid-19-Verlauf hin?

Die Hauptsymptome sind Husten und Fieber. Entscheidend ist die Atmung. Normalerweise atmen wir so 15 Mal die Minute. Wenn jemand immer schwerer und schneller atmen muss, dann ist das ein Alarmzeichen. Ein rasselndes Geräusch bemerken wir aber eher nicht bei den Patienten.

Atemnot bei einem schweren Verlauf von Covid-19

Wie viele von den von Ihnen betreuten Erkrankten benötigen ein Beatmungsgerät?

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Es ist schwierig, vorherzusagen, wie sich das in den nächsten Tagen entwickelt. In Italien und China waren es rund fünf Prozent der Erkrankten. Das ist ziemlich viel. In Deutschland sind das bislang weniger. Ich habe das heute morgen aus unserem eigenen Register berechnet: Da liegen wir gerade bei etwas über einem Prozent, was ich immer noch sehr viel finde.

Auf welche Behandlungsmethoden greifen Sie zurück, wenn zu wenig Sauerstoff in der Lunge ankommt?

Es gibt vier verschiedene Stufen. Wenn jemand schlecht Luft bekommt, geben wir zunächst zusätzlich Sauerstoff über eine Nasenbrille. Wenn das nicht ausreicht, gibt es ein spezielles Gerät, womit man nochmal mehr Sauerstoff über die Nase geben kann. Das schafft schon richtig viel – bis zu 50 Liter pro Minute. Reicht auch das nicht aus, wird eine Maske mit Überdruck aufgesetzt. Dieser führt dazu, dass das, was in der Lunge an Entzündungen vorhanden ist, teilweise rausgedrückt wird. Dadurch geht der Sauerstoff im Blut nochmal bei vielen Patienten hoch. Das ist aber eine Methode, mit der wir wirklich aufpassen müssen. Es gibt dann das Risiko, dass sich die Infektion im Raum verteilt. Das wollen wir natürlich vermeiden.

Weswegen Sie bei der Behandlung von Covid-19-Patienten auf eine kontrollierte Beatmung setzen?

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Genau, das ist die höchste Stufe. Dabei lassen wir die Patienten richtig tief schlafen wie bei einer OP-Narkose. Sie bekommen einen Tubus, also einen Schlauch in den Hals. Und dann übernimmt die Maschine die Atmung des Patienten vollständig.

Corona-Patienten hängen zwei bis drei Wochen am Beatmungsgerät

Wir merken, dass das ein Krankheitsbild ist, bei dem sich die Entzündung nicht so schnell zurückbildet.

Prof. Christian Karagiannidis, Lungenarzt

Auch bei einer schweren Influenza kommen einige Patienten mit einer Lungenentzündung auf die Intensivstation. Was ist bei Covid-19 anders?

Die Patienten haben deutlich weniger Bakterien in der Lunge, seltener einen septischen Schock als bei der Influenza. Wir merken aber, dass das ein Krankheitsbild ist, bei dem sich die Entzündung nicht so schnell zurückbildet. Die Patienten hängen durchschnittlich zwei bis drei Wochen an einem Beatmungsgerät, in unterschiedlichen Schweregraden, vom Tiefschlaf bis hin zum völlständigen Wachzustand. Bei einer bakteriellen Pneumonie sind es meistens nur ein paar Tage. Wir geben ein Antibiotikum und dann löst sich die Erkrankung schnell auf. Bei Covid-19 haben wir aber noch kein Medikament, das gegen die Entzündung hilft.

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Wie lange überlebt das Coronavirus auf Oberflächen?

Das neuartige Coronavirus hält sich auf unterschiedlichen Oberflächen unterschiedlich lange. Eine wirkliche Gefahr einer Übertragung besteht allerdings nicht.

Aus Italien erreichen uns Bilder von Intensivstationen, in denen Patienten auf dem Bauch liegen und beatmet werden.

Wenn die Lunge so krank ist, dass nicht genügend Sauerstoff hineinkommt, sammelt sich dort auch viel Wasser, wenn man auf dem Rücken liegt. In der Bauchlage verteilt sich das besser. Außerdem hängt die Sauerstoffaufnahme von der Durchblutung der Lunge ab, auch das funktioniert in Bauchlage deutlich besser. Dann sinkt auch der Bedarf an der maschinellen Zugabe von Sauerstoff. Das wiederum verbessert die Prognose der Patienten deutlich.

Die Lunge hat gute Selbstheilungskräfte

Es könnte passieren, dass die Beatmungsgeräte bei Ihnen knapp werden und Sie über Leben und Tod entscheiden müssen. Was halten Sie von den gerade veröffentlichten Leitlinien?

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Wir befinden uns noch in einer guten Situation, weil wir überhaupt die Zeit haben, uns über Szenarien wie in Italien Gedanken zu machen. Ich finde das Signal sehr wichtig, zu sagen, wir können diese Entscheidung nicht vom Alter der Patienten abhängig machen. Stattdessen sind die Kriterien: Wie krank sind die Menschen, wie gebrechlich waren sie vorher und wie gut ist die Prognose nach dem Aufenthalt auf der Intensivstation? Ich kann zwar grundsätzlich jeden beatmen, und es kann auch sein, dass der Patient überlebt. Aber die Erfahrung zeigt, dass viele Menschen dann in den darauf folgenden Wochen versterben.

Was folgt für Patienten nach der Zeit am Beatmungsgerät?

Es gibt eine gute Nachricht: Die Lunge hat so viele Selbstheilungskräfte, dass sich die meisten Patienten nach der akuten Phase auf der Intensivstation wieder gut erholen. Es ist in der Regel aber nicht so, dass man nach der Zeit am Beatmungsgerät sofort nach Hause kann. Der gesamte Körper und die Lunge sind zunächst noch einige Zeit eingeschränkt in ihrer Leistungsfähigkeit, da gibt es Rehabilitations-Maßnahmen auf anderen Stationen im Krankenhaus.

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