Long Covid: Was inzwischen über Corona-Langzeitfolgen bekannt ist

Viele Betroffene berichten über Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen.

Viele Betroffene berichten über Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen.

Viele Menschen haben nach einer überstandenen Corona-Infektion mit Langzeitfolgen kämpfen. Die Studienlage zu Long Covid ist noch nicht eindeutig. Berichte von Betroffenen mehren sich aber und demonstrieren: Die Diagnose kann nach schwerem und leichtem Verlauf auftreten, sie kann Junge wie Alte treffen. Mediziner betonen, dass es zu diesem Zeitpunkt der Pandemie noch zu früh sei, um ausschließen zu können, dass Symptome dauerhaft bleiben. Was ist also nach mehr als einem Pandemiejahr bekannt zu diesem rätselhaften Phänomen?

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Ab wann spricht man von Long Covid?

Die Krankheit Covid-19 existiert erst seit Anfang 2020 und die Beobachtungen und Erfahrungen unterscheiden sich teils sehr. Deshalb gibt es bislang auch keine einheitliche Definition für die bei Long Covid auftretenden Beschwerden nach einer Corona-Infektion. Mediziner unterscheiden zur Beurteilung ihrer Patienten drei Phasen:

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  • Die akute Infektion mit dem Erreger Sars-CoV-2 und der daraus resultierenden Erkrankung Covid-19 wird für einen Zeitraum von vier Wochen nach dem Vorliegen des positiven Virusnachweis definiert.
  • Von einer weiterführenden Covid-Erkrankung sprechen Experten bis einschließlich der zwölften Woche nach dem Virusnachweis.
  • Bestehen nach Ablauf dieser ersten drei Monate nach Auftreten der Akutinfektion immer noch Symptome, sprechen Mediziner vom Post-Covid-Syndrom.
Was ist Long Covid? Und wer ist gefährdet?

Treten drei Monate nach einer Coronavirus-Infektion noch Symptome auf, spricht man vom Long Covid Syndrom. Betroffene werden zunehmend jünger, berichten Ärzte

Welche Symptome fallen unter Long Covid?

Während mehrjährige Studien zur Untersuchung von Langzeitfolgen überall auf der Welt zwar im Gange sind, basieren viele der bisher verfügbaren Informationen auf Berichten der Patienten selbst. Bekannt ist, dass Covid-19 vornehmlich eine Erkrankung der Atemwege ist, aber viele weitere Organe des Körpers befallen kann – wie Herz, Niere, Leber, Hirn. Ähnlich diffuse Krankheitsbilder beobachten Mediziner und Betroffene bei Long Covid.

Zu den häufigsten Beschwerden zählen Kopfschmerzen, Atemnot, Erschöpfung, verminderte Leistungsfähigkeit, Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, neurologische Defizite, Brustschmerzen, Verlust des Geruchsinns, Geschmacksstörungen, Muskelschmerzen. Betroffene berichten von einem Auftreten der Symptome in unregelmäßigen Abständen. Bei manchen treten sie unmittelbar nach Abklingen der akuten Infektion auf, bei manchen aber auch erst mit zeitlichem Abstand.

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Wie häufig ist Long Covid?

Da es noch keine klare Definition dazu gibt, was genau alles zu Long Covid zählt und Forschungsarbeiten noch rar sind, gibt es auch keine eindeutigen Zahlen dazu, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung nach einer akuten Corona-Infektion ist. Erste Studien geben aber einen Eindruck der möglichen Größenordnungen:

Eine der ersten größeren Übersichtsarbeiten zu klinischen Daten haben Forschende aus dem chinesischen Wuhan präsentiert. 1733 Patienten wurden dort von Anfang Januar bis Ende Mai 2020 beobachtet, Folgeuntersuchungen gab es zwischen Juni und September desselben Jahres. Alle Studienteilnehmer wurden im Krankenhaus behandelt. 76 Prozent von ihnen wiesen nach sechs Monaten noch mindestens ein Symptom auf. Am häufigsten wurden Müdigkeit und Muskelschwäche genannt, worunter 63 Prozent der Befragten litten. Angststörungen und Depressionen hatten 23 Prozent der Untersuchten, ein Viertel gab an, unter Schlafstörungen zu leiden.

In Großbritannien wurden 20.000 Studienteilnehmer in einer Stichprobe zwischen April 2020 und März 2021 befragt, die zuvor coronapositiv getestet worden waren. 14 Prozent der Menschen berichteten auch nach zwölf Wochen noch über Symptome. Die Angaben zu Symptomen seien achtmal höher gewesen als in einer Kontrollgruppe von Teilnehmern, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie Covid-19 hatten, heißt es in der Auswertung. Das erlebte Spektrum von Symptomen sei breit gewesen, darunter vor allem Müdigkeit, Muskelschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten. Vor allem Frauen haben demnach ein erhöhtes Risiko für Langzeitfolgen, auch fortgeschrittenes Alter und ein höherer BMI spielen eine Rolle. Aber auch schwere Verläufe machen Long Covid wahrscheinlicher.

Ist Long Covid auch nach milden Symptomen möglich?

Über den klinischen Verlauf von Covid-19 nach sehr milden Krankheitsverläufen oder asymptomatischen Infektionen ist bislang wenig bekannt. Es wird aber zunehmend beobachtet. „Auch bei milderen Verläufen kommen beispielsweise längerfristige Müdigkeitserscheinungen, Merkstörungen, Gedächtnisprobleme oder Wortfindungsstörungen vor“, heißt es auch im Steckbrief zu Sars-CoV-2 auf der Homepage des Robert Koch-Instituts.

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Davon berichtet auch der auf Long Covid spezialisierte Arzt Prof. Andreas Rembert Koczulla, Leiter des Zentrums für Lungenheilkunde an der Schön-Klinik im Berchtesgadener Land. „Wir wissen nicht wirklich gut, was mit den Patienten passiert, die sich zu Hause auskurieren“, sagt der Experte. „Es gibt auch Menschen, die mit leichten Erkältungs­symptomen durch die Covid-19-Erkrankung kommen, aber im weiteren Verlauf plötzlich Symptome entwickeln.“

Können auch Kinder und Jugendliche Long Covid bekommen?

Kinder und Jugendliche haben in der Regel nicht so schwere Krankheitssymptome nach einer Corona-Infektion wie Erwachsene, können aber an unterschiedlichen Folgeerkrankungen leiden. Dazu gehören beispielsweise Leistungsminderungen, Atembeschwerden und kognitive Einschränkungen, sagt Jördis Frommhold, Chefärztin der auf Long-Covid-Erkrankungen spezialisierten Median-Klinik in Heiligendamm.

Aus einer Studie zu Long Covid bei Kindern aus Italien geht hervor, dass mehr als die Hälfte der Kinder im Alter zwischen sechs und 16 Jahren, die sich mit dem Virus infizieren, mindestens ein Symptom hat, das länger als 120 Tage anhält. Die Zwischenergebnisse basieren auf regelmäßigen Untersuchungen von 129 Kindern, bei denen zwischen März und November 2020 am Gemelli-Universitätsklinikum in Rom Covid-19 diagnostiziert wurde. „Symptome wie Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Atemprobleme und Herzklopfen waren besonders häufig, wie auch bei Erwachsenen beschrieben“, resümieren die Forscher in ihrem Ende Januar 2021 veröffentlichten Preprint, das noch begutachtet werden muss.

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Kann eine Impfung bei Long Covid helfen?

Nach Ansicht der Ständigen Impfkommission in Deutschland sollen Personen mit einer labordiagnostisch nachgewiesenen Corona-Infektion frühestens sechs Monate nach der Akutinfektion geimpft werden – weil bei Genesenen ein vorläufiger Schutz vor erneuter Ansteckung angenommen wird und derzeit nicht genug Impfstoff für alle da ist. Bislang gebe es keine Hinweise darauf, dass die Impfung nach bereits durchgemachter Infektion mit Gefahren für Sicherheit, Wirksamkeit und Verträglichkeit verbunden wäre. Es braucht also auch bei der Vermutung, möglicherweise bereits infiziert gewesen zu sein, keinen Antikörpernachweis vor der Impfung.

Ich habe von Leuten gehört, die sagen, sie haben keinen Gehirnnebel mehr, ihre Magen-Darm-Probleme sind verschwunden oder sie leiden nicht mehr an Atemnot, mit der sie seit der Diagnose von Covid-19 gelebt haben.

Es gibt erste Wissenschaftler, die davon ausgehen, dass eine Impfung gegen für Long Covid typische Symptome sogar helfen könnte. Die US-Immunologin Akiko Iwasaki von der Yale School of Medicine hat dazu eine Studie gestartet. Auf der Universitätshomepage berichtet sie davon, dass 30 bis 40 Prozent derjenigen, die bereits den Impfstoff erhalten haben, Verbesserungen ihrer Symptome meldeten. „Ich habe von Leuten gehört, die sagen, sie haben keinen Gehirnnebel mehr, ihre Magen-Darm-Probleme sind verschwunden oder sie leiden nicht mehr an Atemnot, mit der sie seit der Diagnose von Covid-19 gelebt haben“, wird Iwasaki in einer Mitteilung von Mitte April zitiert. Es sei möglich, dass der Impfstoff dem Immunsystem hilft, eine schädliche Immunantwort zu stoppen, verbleibende Viren im Körper abzuwehren und diese Reste zu beseitigen.

Was sind die Ursachen für Long Covid?

Wissenschaftler vermuten verschiedene Gründe, warum Menschen nach einer Corona-Infektion weiterhin Symptome haben. Zum Beispiel können sie das Ergebnis einer Restinfektion oder einer Autoimmunreaktion sein. US-amerikanische Forscher des Memorial Sloan Kettering Cancer Centres (MSK) in New York vermuten die Ursache für kognitive Beeinträchtigungen in Entzündungsmolekülen, den sogenannten Zytokinen. „Wir fanden heraus, dass die Patienten anhaltende Entzündungen und hohe Konzentrationen von Zytokinen in ihrem Gehirnwasser hatten, was die Symptome erklärte“, sagte Jan Remsik, Erstautor der im Fachmagazin „Cancer Cell“ veröffentlichten Studie, die 18 Krebspatienten mit Covid-19 in den Blick genommen hat.

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Ein Forscherteam der Post-Covid-Ambulanz der Universitätsklinik Freiburg vermutet einen Zusammenhang zwischen neurologischen Symptomen und dem Hirnstoffwechsel. Die Wissenschaftler stellten in einer kleineren Studie mit 29 Probanden fest, dass eine kognitive Beeinträchtigung bei den Patienten besonders oft mit einer schlechteren Verstoffwechselung von Glucose in der Großhirnrinde einherging. Dabei schienen die Nervenzellen in der Hirnrinde nicht wirklich geschädigt zu sein. Sobald sich der Hirnstoffwechsel normalisierte, gingen auch die neurologischen Beeinträchtigung wieder zurück.

Long-Covid-Symptome: An wen wenden?

Bislang gibt es für Betroffene keine spezifische und evidenzbasierte Behandlung. Erste Kliniken haben spezielle Rehaangebote für stark Betroffene nach einem Klinikaufenthalt wegen Covid-19 entwickelt, die Plätze für Betroffene sind allerdings rar. Mediziner in Deutschland erarbeiten derzeit auch einen ersten Leitfaden zur Behandlung. Diskutiert wird dabei auch ein Vorschlag, künftig spezielle Post-Covid-Ambulanzen anzubieten, die den mannigfaltigen Problemlagen durch interdisziplinäre Ärzteteams gerecht werden können. Im Moment ist die erste Anlaufstelle, gerade bei milder Infektion, der Hausarzt.

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