Wegen BA.5: Muss Shanghai schon wieder in den Lockdown?
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Erst Ende Juni hatte etwa das Disneyland in Shanghai wieder geöffnet.
© Quelle: Getty Images
Für die meisten Bewohnerinnen und Bewohner im wohlhabenden Shanghai sind die obdachlosen Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten unsichtbar. Doch seit dem Ende des Lockdowns strömen sie jede Nacht in immer größerer Anzahl in die unterirdischen Gänge des Hongqiao-Bahnhofs: Einige schlafen in den gefliesten Gängen, andere quartieren sich in den Toilettenkabinen ein. Wie lokale Medien berichten, eint viele von ihnen dasselbe Schicksal: Nachdem sie sich während der jüngsten Corona-Welle mit dem Virus infiziert haben, finden sie keine Jobs mehr. Zu tief sitzt bei vielen Arbeitgebern die Paranoia vor Corona.
Und spätestens, seit am Freitag erstmals die hochansteckende Omikron-Subvariante BA.5 entdeckt wurde, hat sich die Alarmbereitschaft der Bevölkerung ein weiteres Mal verschärft. Bis zum Donnerstag führen die Behörden noch zwei Runden an PCR-Massentests durch, um die Ausbreitung der hochinfektiösen Virusvariante rechtzeitig einzudämmen. Dass das gelingen kann, scheint angesichts von Chinas epidemiologischen Erfolgen der letzten Monate durchaus möglich. Doch die eigentliche Frage, die die Menschen interessiert, ist vielmehr, ob dafür erneut ein stadtweiter Lockdown notwendig ist.
Etliche Wohnanlagen bereits abgeriegelt
Offiziell sind in den letzten zwei Wochen zwar nur knapp 400 Fälle in Shanghai registriert worden. Doch auf dem Chatdienst Wechat kursieren bereits tausendfach Textnachrichten von einem Arzt, der behauptet, dass die Infektionszahlen tatsächlich um ein Vielfaches über den offiziellen Statistiken liegen, jedoch aus Rücksicht auf die derzeit stattfindenden Abschlussprüfungen der Oberschülerinnen und Oberschüler nicht publiziert werden. Auch wenn sich die Aussage nicht verifizieren lässt, spricht allein schon die wachsende Beunruhigung innerhalb der Bevölkerung Bände. Und diese ist durchaus begründet: In mehreren Vierteln mussten bereits Fitnessstudios schließen, zudem sind etliche Wohnanlagen abgeriegelt worden.
Dabei ist erst seit wenigen Wochen überhaupt so etwas wie Normalität in die internationale Finanzmetropole eingekehrt. Zuvor waren die meisten Einwohnerinnen und Einwohner in Shanghai für zwei Monate in ihre Wohnungen eingesperrt – und durften diese nur für die nahezu täglichen PCR-Tests verlassen. In den chinesischen Staatsmedien wurde der wohl drastischste Lockdown in der jüngeren Menschheitsgeschichte euphemistisch als „statisches Management“ bezeichnet.
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China glaubt weiter an Null-Covid-Maßnahmen
Dass die Corona-Lage in ganz China wieder zu kippen droht, lässt sich empirisch relativ gut belegen. Die japanische Beratungsgesellschaft Nomura veröffentlicht etwa einen regelmäßigen Überblick über die verschiedenen Lockdowns im Land. Seit letzter Woche sind wieder knapp 115 Millionen Menschen von Ausgangssperren betroffen, immerhin 8 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Einerseits versucht die Zentralregierung in Peking, ihre Null-Covid-Maßnahmen weiter zu perfektionieren: Ausgangssperren sollen immer zielsicherer, Quarantänezeiten verkürzt werden. Doch an der groben Stoßrichtung ändert sich auch mittelfristig nichts: Die Volksrepublik möchte das Virus aus ihren Landesgrenzen verbannen. Fraglich, wie das bei Omikron möglich sein soll.
Niedrigste Impfrate bei älterer Generation
Eine schrittweise Exit-Strategie, wie sie etwa von der Europäischen Handelskammer empfohlen wird, könnte durch eine forcierte Impfkampagne erfolgen. Als bisher einzige Stadt hatte sich erst kürzlich Peking an eine Impfpflicht gewagt. Die Lokalregierung kündigte an, dass öffentliche Orte wie Kinos und Einkaufszentren nur mehr mit Impfnachweis besucht werden dürfen. Doch die Regel hielt keine 48 Stunden, ehe sie zurückgezogen wurde – nachdem die Bevölkerung auf den sozialen Medien ihren Unmut geäußert hatte.
Denn insbesondere unter chinesischen Seniorinnen und Senioren, die vorwiegend traditioneller Medizin vertrauen und gleichzeitig anfällig für die Gerüchte auf sozialen Medien sind, ist die Skepsis gegenüber den Covid-Vakzinen weit verbreitet. Ihre Alterskohorte weist dementsprechend die niedrigste Durchimpfungsrate von allen auf.
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