Kostenlose Corona-Tests in Bayern: Die wichtigsten Fragen und Antworten
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Der Freistaat Bayern bietet bald kostenlose Corona-Tests für jedermann an.
© Quelle: Pablo Gianinazzi/KEYSTONE/dpa
Ob mit oder ohne Symptome, in Bayern sollen sich bald landesweit alle Einwohner auf das Coronavirus testen lassen dürfen. Das Kabinett des Freistaates hat an diesem Dienstag das entsprechende Testkonzept beschlossen. Im Kern fußt der Plan auf einer am Mittwoch in Kraft tretenden Vereinbarung Bayerns mit der Kassenärztlichen Vereinigung. Diese sieht Testmöglichkeiten bei niedergelassenen Vertragsärzten vor.
Um welches Testverfahren handelt es sich?
Die Rede ist vom PCR-Test, mit dem das Erbgut des Coronavirus nachgewiesen werden kann. Diese Methode basiert auf einem Nasen-Rachen-Abstrich. Im Labor werden die Proben mithilfe molekularer Tests, sogenannter “Real-time Reverse Transkriptase Polymerase-Kettenreaktionen” (RT-PCR), untersucht. In der Regel vergehen von der Probenentnahme bis zu den Ergebnissen zwischen 24 und 48 Stunden.
Wie zuverlässig sind die PCR-Tests?
Es ist wichtig zu wissen, dass PCR-Tests immer nur eine Momentaufnahme widerspiegeln. Das heißt, ein positiver Test sagt aus, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der Probenentnahme infiziert war. Allerdings ist eine Infektion mit dem Sars-CoV-2-Erreger auch bei einem negativen Testergebnis nicht ausgeschlossen.
Forscher der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland fanden heraus, dass die PCR-Tests meist nicht aussagekräftig sind, wenn noch keine Beschwerden auftreten. In ihrer Studie in der Fachzeitschrift “Annals of Internal Medicine” schreiben die Wissenschaftler, dass am ersten Tag nach der vermuteten Infektion alle Tests negativ ausfielen, obwohl die Patienten infiziert waren.
Der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité erklärte in seinem NDR-Podcast: “Die PCR im Rachenabstrich ist nur in der ersten Woche zuverlässig positiv, dann verschwindet bei einigen Patienten im Hals das Virus.”
Während der Inkubationszeit vermehrt sich das Virus unter der Nachweiszeit.
Alexander Dalpke, Direktor des Instituts für Virologie der Technischen Universität Dresden
Auf das Vorkommen von falsch negativen Ergebnissen macht auch der Direktor des Instituts für Virologie der Technischen Universität Dresden, Alexander Dalpke, im MDR-Interview aufmerksam: “Während der Inkubationszeit vermehrt sich das Virus unter der Nachweiszeit.”
Zu frühe Tests sind dementsprechend unwirksam. “Ein negatives PCR-Ergebnis schließt die Möglichkeit einer Infektion mit Sars-CoV-2 nicht aus”, teilt ebenfalls das Robert-Koch-Institut (RKI) mit.
Wer trägt die Kosten für die Corona-Tests?
Anfangs wurden Corona-Tests nur von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlt, wenn ein Patient Symptome hatte, die auf eine Sars-CoV-2-Infektion hindeuteten. Mit Inkrafttreten der “Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2″ am 14. Mai ist es auch asymptomatischen Personen ermöglicht worden, sich auf das Virus testen zu lassen. Vorausgesetzt, die Tests finden im Rahmen einer Einweisung ins Krankenhaus statt oder werden vom zuständigen Gesundheitsamt veranlasst.
Im Fall der Massentests in Bayern übernimmt der Freistaat jene Kosten, die nicht von der Krankenkasse bezahlt werden.
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Wie viele Tests sollen pro Tag durchgeführt werden?
Dem “Tagesspiegel” (Dienstag) sagte Söder, Bayern wolle “bis zu 30.000 Tests pro Tag anbieten”. Damit verdreifache der Freistaat seine Kapazitäten seit Ende März. Zuletzt teilte das bayerische Gesundheitsministerium mit, dass mehr als 21.000 Corona-Tests pro Tag durchgeführt werden könnten. Bislang hat das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mehr als eine Million PCR-Tests in Bayern registriert.
Wie sinnvoll sind Massentests?
Hinter den Massentests steht immer die Frage: Wie hoch ist die Dunkelziffer – also wie viele unerkannte Infektionen gibt es bei denjenigen, die nicht getestet werden? Gleichzeitig muss aber auch der hohe finanzielle Aufwand einer solchen Teststrategie berücksichtigt werden.
“Die Testung aller rund 13 Millionen Menschen in Bayern würde Kosten von etwa 650 Millionen Euro verursachen”, rechnet Infektiologe Matthias Stoll von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) vor. “Wenn man mit der Massentestung mehr erreichen will als eine Momentaufnahme der Covid-19-Rate in Bayern, so wäre eine regelmäßige Wiederholungstestung empfehlenswert, idealerweise ein- oder zweimal in der Woche, damit die Menschen einigermaßen sicher sein können, sich (weiterhin) nicht infiziert zu haben.”
Ich kenne keine medizinische Maßnahme, die nur der Diagnostik dienen würde, die bei einem solchen immensen Aufwand als kosteneffektiv bewertet worden wäre.
Matthias Stoll, Infektiologe der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)
Damit würden die Kosten für die Corona-Tests aber weiter steigen. Stoll appelliert, die Gelder in alternative und “nachhaltiger wirksame Strategien” zu investieren: “Ich kenne keine medizinische Maßnahme, die nur der Diagnostik dienen würde und bei einem solchen immensen Aufwand als kosteneffektiv bewertet worden wäre.”
Er weist zudem auf logistische Probleme hin, die sich im Kreis Gütersloh gezeigt haben. Nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück bildeten sich vor den Testzentren mehrere Hundert Meter lange Warteschlangen.
Lange Schlange vor Corona-Testzentrum in Gütersloh
Einige Bundesländer hatten erklärt, Menschen aus dem Kreis nicht aufzunehmen. Auch Österreich verhängte für Nordrhein-Westfalen eine partielle Reisewarnung.
© Quelle: Reuters
Hinzu kommt die geringe Sensitivität der Tests. “Mindestens 10 Prozent aller Infektionen – im Alltag einer Massentestung vermutlich deutlich mehr – werden nicht als positiv erkannt und sind ‘falsch negativ’ im Ergebnis”, sagt Stoll. Mehrfache Tests könnten hingegen eine größere Sicherheit schaffen.
Bei den Massentests in Bayern seien negative Testergebnisse “statistisch mit über 99 Prozent zu erwarten”. Grund seien die derzeit geringen Infektionszahlen im Freistaat. “Das negative Testergebnis ist aber dennoch wenig geeignet, um jemanden ‘gesund’ zu testen”, meint der Infektiologe.
Gibt es noch andere Bundesländer, die Corona-Tests für alle anbieten?
Nein. Bisher ist Bayern das einzige Bundesland, das Corona-Tests für jedermann anbietet. Zuletzt hatten sich unter anderem Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gezielt dafür ausgesprochen, keine Massentests anzubieten.
“Die überwältigende Mehrheit aller namhaften Epidemiologen und Gesundheitsexperten hält nichts von einer flächendeckenden Testung ins Blaue hinein”, sagte beispielsweise eine Sprecherin des baden-württembergischen Sozialministers Manne Lucha (Grüne).
Welche Kritik gibt es an den PCR-Massentests?
Aus Sicht der Hausärzte sollte es bei den Tests eine bundesweit einheitliche Regelung geben. “Momentan herrscht in vielen Hausarztpraxen, also bei Hausärzten wie auch bei ihren Patienten, aufgrund des regionalen Flickenteppichs an sich ständig ändernden, zum Teil noch halb fertigen Regelungen große Verunsicherung”, sagte der Chef des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, der Düsseldorfer “Rheinischen Post” (Dienstag).
Auch Ärztepräsident Klaus Reinhardt rät von Corona-Tests für alle ab. “Wir sollten lieber einmal zu viel testen als zu wenig. Trotzdem ist es wichtig, dass wir systematisch vorgehen”, sagte er der “Rheinischen Post” und verwies auf die beschränkten Kapazitäten: “Wir brauchen die Testkapazitäten, damit für Verdachtsfälle, Risikogruppen und Klinikpatienten ausreichend Tests zur Verfügung stehen und vor allem eine schnelle Testauswertung möglich ist.”
Der Präsident der Bundesärztekammer betonte: “Massentests für alle würden sicherlich interessante wissenschaftliche Erkenntnisse liefern, solange aber die Kapazitäten begrenzt sind, halte ich schnelle und gezielte Testungen von klar definierten Bevölkerungsgruppen für sinnvoller.”
Einfach nur viel testen klingt gut, ist aber ohne systematisches Vorgehen nicht zielführend.
Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister
Für eine gezielte Teststrategie spricht sich auch das RKI aus: “Von einer ungezielten Testung von asymptomatischen Personen wird aufgrund der unklaren Aussagekraft eines negativen Ergebnisses (lediglich Momentaufnahme) in der Regel abgeraten.”
Ähnlich äußerte sich auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf Twitter: “Einfach nur viel testen klingt gut, ist aber ohne systematisches Vorgehen nicht zielführend.”
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Gibt es noch weitere Testverfahren, die eine Covid-19-Infektion nachweisen können?
Ja. Zum einen können Antikörpernachweise Auskunft über eine bereits überstandene Corona-Infektion geben. Sobald das Virus in den Körper eindringt, reagiert das Immunsystem mit der Bildung von Antikörpern, die als Teil der Immunabwehr im Blut nachgewiesen werden können. Unklar ist aber noch, ob jeder Infizierte nach einer Infektion auch Antikörper bildet.
“Antikörpernachweise dienen aktuell primär infektionsepidemiologischen Fragestellungen”, erklärt das RKI. Die Tests können beispielsweise in einem Corona-Hotspot einen Überblick darüber geben, wie viele Menschen sich bereits mit dem Virus angesteckt haben, ohne Symptome zu zeigen.
Eine Antikörperstudie der Medizinischen Universität Innsbruck zeigte zum Beispiel, dass in dem ehemaligen Corona-Hotspot Ischgl mehr als 42 Prozent der Bewohner Antikörper gegen das Coronavirus entwickelt haben – sogar mehr Menschen, als bei den offiziellen PCR-Tests bestätigt waren.
Inzwischen gibt es auch im Internet erhältliche Antikörpertests für zu Hause. Von diesen Testmöglichkeiten raten Gesundheitsbehörden und Mediziner allerdings ab.
Zum anderen könnten bald Antigentests Fragmente des Coronavirus mithilfe eines Nasen-Rachen-Abstrichs nachweisen. Dieses Testverfahren ist derzeit noch in der Entwicklung. “Diese neuen immundiagnostischen Point-of-Care-Tests sollten nur in Forschungsumgebungen eingesetzt werden”, rät die Weltgesundheitsorganisation. “Sie sollten nicht für die klinische Entscheidungsfindung herangezogen werden.”
Bereits Mitte Mai hatte die US-Arzneimittelbehörde FDA einen Antigentest zugelassen. “Einer der Hauptvorteile eines Antigentests ist die Geschwindigkeit des Tests, der Ergebnisse in Minuten liefern kann”, schreibt die FDA dazu. Hierzulande spielen die Tests allerdings noch keine Rolle.
Laura Beigel mit dpa