Keine Zeit fürs Zögern: Auch Astrazeneca rettet Leben
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Die Impfgeschwindigkeit ist entscheidend beim Wettlauf gegen die Mutationen.
© Quelle: Michael Sohn/POOL AP/dpa
Während Forscher damit rechnen, dass sich die dritte B.1.1.7-Infektionswelle im Frühjahr mit erneuter Brutalität entfaltet, bleibt in Deutschland Mitte Februar Impfstoff ungenutzt. Genauer: AZD1222, das Vektorvakzin des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca, das seit Wochen zu unrecht mit Negativschlagzeilen dominiert. Dass die kostbaren Dosen nun aufgrund von Misstrauen getriebener Terminabsagen in einigen Impfzentren vergammeln, ist eine Enttäuschung sondergleichen und angesichts der Herausforderungen im zweiten Pandemiejahr nur schwer hinzunehmen.
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Die Pandemie und wir
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Es geht dabei vor allem um Akzeptanz. Der Ruf von Astrazeneca ist – nicht zuletzt wegen Verteilungsdebatten mit der EU, neuen Studien zur geringeren Wirksamkeit bei neuen Virusvarianten und Berichten über Nebenwirkungen bei einzelnen Geimpften – inzwischen viel schlechter als das Mittel selbst. Mit Konsequenzen: Medizinisches Personal verzichtet trotz hoher Infektionsgefahr am Arbeitsplatz auf den schützenden Piks. In Umfragen gibt ein Großteil der Befragten derweil an, bevorzugt auf die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna warten zu wollen, als jetzt das Mittel von Astrazenca gespritzt zu bekommen.
Dabei ist auch das in Großbritannien entwickelte Mittel auf Grundlage bisheriger Daten ausreichend wirksam, verträglich und sicher, um gegen Sars-CoV-2 zu bestehen. Das Astrazeneca-Vakzin bietet seriösen Studien zufolge dem Einzelnen Schutz und bekämpft in der Summe die Pandemie. Das befindet nicht nur die Ständige Impfkommission in Deutschland. Impfexperten auf der ganzen Welt haben sich die Zulassungsstudien der Oxford-Forscher im Detail angeschaut. Sowohl die Arzneimittelbehörden in der EU und Großbritannien sowie auch die Weltgesundheitsorganisation empfehlen AZD1222.
Der Virologe Christian Drosten betonte diese Woche im NDR-Podcast trotz einer neuen Studie aus Südafrika, die Zweifel an der Wirkung gegen die dort vorherrschende neue Variante B.1.351 weckt: „Wir sollten unbedingt auf diese Astra-Vakzine bauen in Deutschland. Ich finde, das ist ein sehr guter Impfstoff nach vielen Dingen, die ich sehe.“ Was er damit sagen will: Die Studie liefert keine Belege dafür, dass der Impfstoff gegen die südafrikanische Variante tatsächlich unwirksam sein muss. Der Unterschied liegt vielmehr im Detail: Die Daten deuten daraufhin, dass das Vakzin gegen diese Mutante weniger wirksam sein könnte als andere Mittel. Das muss allerdings zumindest zum aktuellen Zeitpunkt kein Problem sein: Denn die südafrikanische Corona-Variante wurde erst bei 1,5 Prozent der Infektionen in Deutschland nachgewiesen.
Alle Impfstoffe schützen vor schwerem Covid-19-Verlauf
Es gibt zwar noch Fragen, die sich – wie so oft – erst im weiteren Pandemieverlauf mit einer solideren Datenlage eindeutig klären lassen. Etwa, ob ältere Menschen eine ähnlich robuste Immunantwort mit dem Astrazeneca-Mittel haben wie die unter 65-Jährigen, weshalb die Ständige Impfkommission in Deutschland den Stoff vorerst den Jüngeren vorbehält. Klar ist aber, dass der Impfstoff viel besser wirkt, als die meisten Experten noch vor wenigen Monaten erwartet hatten.
Selbst im Herbst 2020 hatten viele Wissenschaftler nicht damit gerechnet, Anfang 2021 überhaupt schon einen geeigneten Impfstoff in den Händen zu halten, und wenn, dann hofften sie auf eine Wirksamkeit von gerade einmal 50 Prozent. Bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna gehen die Behörden nun von einer Effektivität von rund 95 Prozent aus. Bei Astrazeneca geht die Ständige Impfkommission auf Grundlage der Zulassungsstudien immerhin auch von einer Impfeffektivität von 71 Prozent aus. Das heißt laut RKI übersetzt: Von 1000 geimpften Erwachsenen erkranken fünf an Covid-19. Von 1000 nicht geimpften Personen erkranken dagegen 18. Das ist ein Erfolg.
Wir haben also ein Luxusproblem. Während anderswo in der Welt frühestens für das Jahr 2022 mit dem Impfstart gerechnet werden kann, werden in deutschen Impfzentren gleich drei Mittel verimpft. Astrazeneca ist zusammen mit Biontech und Moderna ein sehr großer Erfolg, ein Baustein von vielen, der uns stückchenweise aus dieser Pandemie führen kann. Ja, die Vakzine unterscheiden sich im Detail, auch bei den erwarteten Nebenwirkungen. Die Impfstoffe haben aber eine wichtige Sache gemein: Sie schützen vor einem schweren Covid-19-Verlauf. Sprich: Aus der langwierigen Lungenkrankheit mit Atemnot wird quasi eine Erkältung.
Wie entsteht ein Impfstoff?
Nach einem Impfstoff gegen Covid-19 wird unnachgiebig geforscht. Innerhalb von nur einem Jahr war bereits der erste Kandidat in der Zulassungsphase.
Corona-Impfung: Risiken gegen Nutzen abwägen
Jede einzelne Impfung verhindert damit weitere schwere Covid-19-Verläufe und Tote. Eine Entscheidung gegen die Impfung ist deshalb auch nichts persönliches. Auch wenn das individuelle Risiko gering sein mag, schwerer an Covid-19 zu erkranken, geht es bei dem kurzen Piks auch darum, andere Menschen zu schützen, deren Immunsystem vielleicht weniger robust ist. Es gibt Risiken und Nebenwirkungen – wie auch bei anderen Schutzimpfungen wie Grippe und Masern. Aber die gilt es gegen den Nutzen abzuwägen. Die Wahl liegt zwischen einer recht hohen Wahrscheinlichkeit, zwei Tage Fieber, Schüttelfrost und Schmerzen an der Einstichstelle zu haben – oder im schlimmsten Fall wochenlanger künstlicher Beatmung auf der Intensivstation und Long Covid im Anschluss.
Einmal Astrazeneca heißt nicht zwangsläufig immer Astrazeneca. Sollte sich herausstellen, dass die Schutzwirkung von Astrazeneca nicht ausreicht, um gegen neue Mutationen zu bestehen, kann mit veränderten Bestandteilen des Herstellers nachgeimpft werden. Immunologen gehen auch davon aus, dass der durch den Vektorimpfstoff aufgebaute Immunschutz ohne Probleme mit einem mRNA-Impfstoff später noch einmal verstärkt werden kann.
Das Virus verändert sich rasant, wie die neuen Varianten aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien gerade auf eindrückliche Weise demonstrieren. Das Impfen ist ein Wettrennen mit der Zeit. In dieser Phase der Pandemie gibt es keinen Spielraum fürs Abwarten auf Wahlmöglichkeiten. Nur wenn sich so schnell wie möglich so viele Menschen wie möglich impfen lassen, gibt es Perspektiven für ein Leben ohne Kontaktbeschränkungen, ewige Lockdowndebatten und erschöpfende Corona-Regeln. Die Perspektive, die uns das Impfen eröffnet, ist großartig: Es ist die Rückkehr in ein normales Leben.