Vorbild Israel: fünf Lehren aus dem Booster-Erfolg

Die dritte Impfdosis könnte bald Standard sein.

Die dritte Impfdosis könnte bald Standard sein.

In Deutschland wird noch darum gerungen, ob nun alle Menschen einen Impfbooster, also eine dritte Dosis, erhalten sollten. In Israel hingegen wird bereits seit Ende Juli die dritte Impfschleife für alle Bevölkerungsgruppen parallel zu den Erstimpfungen vorangetrieben. Jeder und jede ab einem Alter von zwölf Jahren kann sich mit dem Mittel von Biontech/Pfizer boostern lassen, wenn die Impfung mindestens fünf Monate zurückliegt. Diese Strategie ist mit Blick auf Erkrankungsrisiko und Infektionsdynamik offensichtlich ein Erfolg.

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Der Impfstoffforscher Erik Leif Sander von der Berliner Charité brachte es am Mittwoch auf den Punkt. „Israel hat sich aus der Delta-Welle effektiv rausgeboostert“, sagte er bei einer Bundespressekonferenz, bei der auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und RKI-Chef Wieler zugegen waren. Damit bezieht sich Sander auf jüngste Auswertungen von Real-World-Daten aus dem Land. Dabei handelt es sich um eine erste solche bevölkerungsweite Analyse. Bislang gab es nur klinische Studien zur Wirksamkeit vom Boostern. Was zeigen die Erfahrungen aus Israel?

1) Was hat die Studie aus Israel untersucht?

Ein Forschungsteam vom Clalit Research Institute in Tel Aviv hat untersucht, welchen zusätzlichen Schutz ein dritter Impfbooster mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer hat. Dafür verglichen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Wirksamkeit des Mittels von 728.321 dreifach Geimpften mit der von ebenso vielen fünf Monate zuvor zweifach Geimpften. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „The Lancet“ zugehörigen Studie nachzulesen.

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Die Probanden wurden eine Woche nach Verabreichung für rund zwei Wochen beobachtet. Es wurde auch darauf geachtet, dass Altersgruppen, Vorerkrankungen und das Geschlecht nach Risikofaktoren für Covid-19 vergleichbar waren. Die Studienautorinnen und -autoren zeigten dabei, dass ein Impfbooster den Schutz vor schwerem Covid-19 infolge einer Delta-Infektion noch einmal deutlich verstärkt, verglichen mit den zweifach Geimpften.

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Heißt in Zahlen: In der Gruppe der Drittgeimpften kamen 29 Menschen mit Covid-19 ins Krankenhaus, in der Gruppe der zweifach Geimpften waren es 231. Von den dreifach Geimpften hatten 17 einen schweren Verlauf, bei den doppelt Geimpften waren es 157. Sieben dreifach Geimpfte starben im Zusammenhang mit Covid-19 – während es bei den zweifach Geimpften 44 Tote gab.

Die Forschenden resümieren daraus, dass beim Booster mit einer 93-prozentigen Wirksamkeit gegen Krankenhauseinweisung, einer 92-prozentigen gegen schweres Covid-19 und einer 81-prozentigen vor Tod im Zusammenhang mit Covid-19 ausgegangen werden könne. Die Daten zeigten zudem, dass auf den Start der dritten Impfung in Israel die Zahl der Coronavirus-Infektionen, also die Inzidenz, in den jeweiligen Altersgruppen zurückgingen. Das legt nahe, dass die dritte Impfung auch einen eindämmenden Effekt auf das Infektionsgeschehen haben kann.

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2) Wieso ist ein Booster wichtiger geworden?

Ich gehe fest davon aus, dass sich für die mRNA-Impfstoffe ein Drei-Dosis-Regime etablieren wird.

Leif Erik Sander

, Impfstoffforscher

Die Zweifachimpfung gegen Covid-19 mit den zugelassenen mRNA-Impfstoffen schützt zwar weiterhin gut vor schwerem Covid-19 und Tod. Allerdings haben mehrere Studien inzwischen gezeigt, dass die Wirkung nach fünf bis sechs Monaten wieder auf ein Basislevel absinken kann. Insbesondere Ältere und Menschen mit Risikofaktoren könnten dann wieder eher schwer erkranken. Bei manchen Menschen kann sich auch kein ausreichender Schutz wegen Immunschwäche aufbauen. Und die Hinweise mehren sich, dass bei der Delta-Variante der Schutz vor Infektion mit der Zeit stärker abnehmen könnte als zunächst angenommen.

„Mit der Booster-Impfung kann man dem effektiv entgegenwirken“, sagt Impfstoffexperte Sander. Die Drittimpfung könne den Impfschutz noch einmal um das bis zu 20-Fache verbessern – verglichen mit der Zweifachimpfung. „Ich gehe fest davon aus, dass sich für die mRNA-Impfstoffe ein Drei-Dosis-Regime etablieren wird.“ Die Ausweitung der Auffrischungsimpfungen für alle würde nach seiner Auffassung Sinn ergeben – um das Erkrankungsrisiko zu senken und einen dämpfenden Effekt auf die Virusverbreitung in der Bevölkerung zu erzielen.

3) Wie könnten die Israel-Daten die Booster-Strategie in Deutschland verändern?

Man sieht am Beispiel Israel, dass das Boostern einen echten Unterschied macht.

Jens Spahn

, Bundesgesundheitsminister

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Laut dem RKI-Impfquotenmonitoring haben bislang 6,7 Prozent der über 60-Jährigen und 1,3 Prozent der 18 bis 59-Jährigen in Deutschland eine Auffrischimpfung wahrgenommen (Stand: 3. November). Die Ergebnisse aus Israel haben deshalb auch Einfluss auf Überlegungen zur Impfstrategie in Deutschland. Die Warnungen vor einer starken Pandemiewelle in der Vorweihnachtszeit werden angesichts steigender Infektionen, schwer an Covid-19 Erkrankten und Toten wieder lauter.

„Man sieht am Beispiel Israel, dass das Boostern einen echten Unterschied macht“, betonte vor diesem Hintergrund auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er wirbt für möglichst viele und zeitnahe Auffrischimpfungen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte Anfang Oktober bereits ihre Empfehlung zu Auffrischimpfungen ausgeweitet. Ein Booster wird darin explizit empfohlen für besonders Gefährdete für einen schweren Verlauf: Menschen ab 70, Menschen mit geschwächtem Immunsystem, Bewohner von Pflegeheimen, Pflegepersonal und medizinisches Personal mit direktem Kontakt zu Patienten. Auch Menschen, die den Impfstoff von Johnson & Johnson bekommen haben, können ihren Schutz mit einer Dosis mRNA-Impfstoff verbessern.

Die Impfverordnung sieht die Möglichkeit zur Auffrischung zudem grundsätzlich für alle vor, für die es zugelassene Impfstoffe gibt. Noch zögern aber viele Ärztinnen und Ärzte damit, auch andere zu impfen, solange die Empfehlung der Stiko nicht eindeutig ausfällt. Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens hat aber bereits angekündigt, dass das Gremium derzeit prüfe, ob die Booster-Impfung grundsätzlich für alle empfohlen werden sollte – weniger wegen des individuellen Schutzes, sondern wegen der dann geringeren Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung. Auch er verwies mit der Begründung auf entsprechende Erfahrungen in Israel.

4) Was spricht gegen den Impfbooster für alle?

Die Studie aus Israel macht selbst darauf aufmerksam, dass neben den Vorteilen für das Infektionsgeschehen und den Gesundheitsschutz Einzelner auch ein Argument gegen die Booster-Strategie für alle ins Gewicht fällt. „Es liegt außerhalb des Rahmens dieser epidemiologischen Analyse, auf die komplexen ethischen Fragen einzugehen, die mit dieser Debatte verbunden sind, aber es besteht ein dringender Bedarf an verstärkter Produktion, Verteilung und Zugang zu Impfstoffen weltweit“, heißt es in der Analyse.

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Damit spielen die Autorinnen und Autoren auf die ungerechte Verteilung der Impfstoffe in der Welt an. Beginnen einzelne Länder mit Booster-Impfungen, könnte anderswo der Impfstoff noch knapper werden. Das befürchtet beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation. Laut der „Our World in Data“-Statistik der Oxford-University haben inzwischen rund 50 Prozent der Weltbevölkerung eine erste Impfstoffdosis erhalten – aber nur 4 Prozent der Menschen in ärmeren Ländern (Stand: 3. November).

5) Was entscheidet noch über den Corona-Winter?

Neben den Booster-Plänen von Bund, Ländern und Stiko bleibt vor allem entscheidend, wie viele Menschen sich in diesem Winter überhaupt noch für eine Erstimpfung entscheiden und damit besser vor Corona-Infektion, Krankheit und Tod geschützt werden. Die Zahl der Ungeimpften ist Expertinnen und Experten zufolge noch viel zu hoch, auch in den Risikogruppen der über 60-Jährigen. Die Folge ist ähnlich wie im vergangenen Winter spürbar: mehr an Covid-19 Erkrankte und zunehmend belastete Arztpraxen, Krankenhäuser und Intensivstationen.

Laut Impfdashboard-Monitoring sind rund 15 Prozent der über 60-Jährigen nicht geimpft, 27 Prozent der 18- bis 59-Jährigen und 58 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen (Stand: 3. November). Wie im vergangenen Winter bleibt aber auch das Verhalten aller wichtig – ob geimpft oder ungeimpft: Also etwa, wie viele Kontakte es gibt, ob Maske getragen wird, regelmäßig getestet und Abstand gehalten wird.

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