Hirnschäden bei Covid-19: Antikörper könnten neurologische Symptome verursachen
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Binden gewisse Antikörper in Folge einer Covid-19-Erkrankung an Gehirnzellen? Das könnte die Ursache für neurologische Beschwerden sein, die bei einigen Patienten auftreten. Das erforschte ein Team von DZNE-Wissenschaftlern.
© Quelle: imago images/YAY Images/Mario Aurich/Alexander Limbach/RND Montage Behrens
Lähmungserscheinungen, epileptische Anfälle, Schwindel, Verwirrtheit oder Schädigungen des Gehirns: Einige Covid-19-Patienten mit schweren Verläufen haben auch neurologische Beschwerden. Ein Symptom, das auch bei Patienten mit milderen Verläufen beobachtet wird, sind Störungen des Geruchs- und Geschmacksinns. Warum und wie genau eine Infektion mit dem Coronavirus das Nervensystem schädigt, war bislang aber unklar.
Ein Team aus Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Charité-Universitätsmedizin Berlin hat nun eine mögliche Erklärung gefunden. So könnten bestimmte Antikörper, die Gehirnzellen angreifen, mit den neurologischen Symptomen im Zusammenhang stehen. Das Brisante daran: Mit einigen dieser Antikörper wollten Forscher auch einen Impfstoff entwickeln.
Antikörper könnten bei Impfung helfen, binden aber auch an Nerven
Antikörper sind ein wichtiger Teil des körpereigenen Immunsystems. Sie werden vom Organismus beim Kontakt mit Viren oder Bakterien gebildet und haben die Aufgabe, Infektionen abzuwehren. Im Blut zirkulierende Antikörper binden an die Krankheitserreger, um sie unschädlich zu machen. Bei sogenannten Passiv-Impfungen macht man sich diesen Effekt zu Nutze. Die Idee, die Forscher dabei verfolgen: Antikörper, die sonst nur im Blut von Genesenen vorkommen, werden unter Laborbedingungen künstlich hergestellt und dann akut Erkrankten oder präventiv verabreicht. Das könnte vor einer Infektion schützen und den Krankheitsverlauf abmildern.
Die Forscher von DZNE und Charité versuchen momentan, einen solchen Impfstoff zu entwickeln. Sie hatten dazu fast 600 verschiedene Arten von Antikörpern aus dem Blutplasma von Covid-19-Patienten gewonnen. Diese wurden im Tierversuch an Hamstern getestet. Mit den Antikörpern, die am besten gegen das Virus zu wirken schienen, machten die Wissenschaftler weitere Tests – um Nebenwirkungen auszuschließen. Dabei zeigte sich, das gleich vier von 18 gut wirksamen Antikörpern nicht nur an das Virus banden, sondern auch an Nervengewebe aus dem Gehirn. Einige banden zusätzlich an das Gewebe von Lunge, Herz, Niere oder Darm. Im lebenden Organismus würde das einen Angriff des Immunsystems auf diese Organe auslösen – und auf das Gehirn.
Binden Antikörper an körpereigenes Gewebe?
Ob die Antikörper tatsächlich diesen Effekt haben, muss man aber noch überprüfen.
Jakob Kreye, beteiligter Charité-Forscher
Mit ihrer Studie haben die Wissenschaftler also eine mögliche Erklärung für die neurologischen Komplikationen bei Covid-19-Patienten gefunden. Wenn von den Kranken selbst produzierte Antikörper an Gehirnzellen binden und Immunzellen Hirnstrukturen angreifen, könnte es einen Zusammenhang mit neurologischen Symptomen geben. „Ob die Antikörper tatsächlich diesen Effekt haben, muss man aber noch überprüfen“, sagt Jakob Kreye, einer der beteiligten Forscher.
Die Antikörper-Studie hat aber nicht nur eine vielleicht wichtige wissenschaftliche Erkenntnis geliefert: Sie macht auch die Risiken von Impfstoffen und Medikamenten auf Antikörperbasis deutlich. Wenn solche Antikörper in hoher Konzentration verabreicht werden, die an körpereigenes Gewebe binden, könnte das zu schweren Nebenwirkungen führen. „Das Binden von Antikörpern an körpereigene Zellen kann tatsächlich ein unerwünschter Effekt dabei sein“, sagt Jakob Kreye. An der Charité seien die Antikörper deshalb schon in einem frühen Stadium auf mögliche Nebenwirkungen hin untersucht worden. Aus den Antikörpern, die an körpereigenes Gewebe banden, soll keine passive Impfung entwickelt werden.
Wie die Studie von DZNE und Charité zeigt, sind viele Immunreaktionen des Körpers auf eine Corona-Infektion noch nicht gut erforscht. Vieles deutet aber darauf hin, dass überschießende und fehlgeleitete Reaktionen der körpereigenen Abwehr zu schweren Verläufen beitragen – die untersuchten Antikörper sind nur ein Beispiel dafür. Bei der Entwicklung von Impfstoffen, die ja eine Immunantwort auslösen oder imitieren, kann das das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen.
Deshalb müssten Impfstoffentwickler weltweit eigentlich besondere Vorsicht walten lassen. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. So waren bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Corona zum Teil schon Tierversuche übersprungen worden, weil die Hersteller so große Eile an den Tag gelegt hatten.