Angst vor Corona-Ansteckung: Hälfte der Herzinfarkt-Patienten meidet Krankenhäuser
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Bei einem Herzinfarkt sollte schnellstmöglich der Notruf gewählt werden.
© Quelle: dpa
Während der Corona-Pandemie sind viele Menschen auch mit einem Herzinfarkt nicht ins Krankenhaus gegangen – das ist zumindest der Eindruck von Klinikärzten und Pflegepersonal. Einer weltweiten Umfrage der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zufolge habe sich die Zahl der Hilfesuchenden während der Pandemie erheblich verringert, im Schnitt um etwa die Hälfte, berichten Wissenschaftler im “European Heart Journal”. Viele Betroffene seien zudem später als gewöhnlich im Krankenhaus angekommen, was die Therapiechancen verschlechtere.
Sicherheit von Kliniken zu wenig kommuniziert
“Das ist der bisher stärkste Beweis für den durch die Pandemie verursachten Kollateralschaden”, erläutert ESC-Präsidentin Barbara Casadei in einer Mitteilung. “Aus Angst, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, gehen Menschen selbst während eines lebensbedrohenden Herzinfarkts nicht für eine lebensrettende Behandlung ins Krankenhaus.”
Es sei in der Öffentlichkeit zu wenig deutlich gemacht worden, dass alle Anstrengungen unternommen worden seien, um die Krankenhäuser für Nicht-Covid-19-Patienten sicher zu machen.
STEMI-Fälle um 40 Prozent zurückgegangen
Die Einschätzung der Mediziner beruht auf einer Umfrage unter Krankenhauspersonal in 141 Ländern. Insgesamt 3101 Klinikmitarbeiter füllten den elektronischen Fragebogen aus, gut 90 Prozent waren Ärzte, 10 Prozent Pfleger und Wissenschaftler. Zum Zeitpunkt der Befragung zwischen dem 16. und dem 26. April befanden sich die meisten Länder in irgendeiner Form des Lockdowns.
Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, dass ihrer Wahrnehmung zufolge die Zahl der Patienten mit einem schweren Herzinfarkt – dem sogenannten ST-Streckung-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) – um mehr als 40 Prozent zurückgegangen ist.
Viele Abteilungen wurden umstrukturiert
Bei diesem besonders schweren Infarkt-Typ sollte die Behandlung möglichst schnell erfolgen, um eine unwiderrufliche starke Schädigung des Herzmuskels zu verhindern. Üblicherweise wird das verschlossene Blutgefäß, das zum Infarkt führte, medikamentös oder mit einem Stent wieder geöffnet.
Das Risiko an einem Herzinfarkt zu sterben ist weitaus größer als das, an Covid-19 zu sterben.
Barbara Casadei, ESC-Präsidentin
Knapp die Hälfte aller Betroffenen kam seit Beginn der Pandemie allerdings später als sonst üblich in die Klinik, wenn der optimale Behandlungszeitraum schon vorbei war, gab die Mehrheit der Befragten an. “Wir werden Zeuge eines unnötigen Verlusts an Leben”, sagt Casadei. “Das Risiko an einem Herzinfarkt zu sterben ist weitaus größer als das, an Covid-19 zu sterben.”
Die meisten Befragten sagten weiter, ihre Abteilung sei im Zuge der Pandemie zumindest teilweise umstrukturiert worden.
Deutsche Herzstiftung rät: Notruf wählen bei Herzinfarkten
Die Untersuchung zeigte über sechs Kontinente hinweg ähnliche Ergebnisse, so die Forscher. Sie beruhten zwar nur auf einer Befragung, deckten sich aber mit objektiven Statistiken europäischer und US-amerikanischer Register, die etwa einen Rückgang von 25 bis 40 Prozent der Patienten mit einem STEMI-Infarkten verzeichnet hätten, so die Forscher.
Auch in Deutschland hatten Kardiologen bereits davor gewarnt, dass Menschen aus Angst vor einer Ansteckung die Krankenhäuser meiden könnten. So wies die Deutsche Herzstiftung schon frühzeitig darauf hin, auch in Corona-Zeiten bei Verdacht auf einen Herzinfarkt sofort den Notruf zu wählen.
RND/dpa