Frugan essen: Schmeckt das oder kann das weg?
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Früchte und Gesundes, so weit das Auge reicht: Jessica Orlowicz wagt den Selbsttest und lebt vier Wochen als Frutarierin. Das ist nicht immer leicht.
© Quelle: Jessica Orlowicz/RND
Hannover. Gyros mit Zwiebeln und Zaziki: Das war meine letzte Mahlzeit vor meinem vierwöchigen Selbsttest als Frutarierin. Noch nie habe ich über einen längeren Zeitraum hinweg als Vegetarierin, geschweige denn als Veganerin gelebt. Da ich trotzdem wenig Fleisch esse, dachte ich: „So sehr wird es mir schon nicht fehlen.“ Schließlich sind außer Obst auch Hülsenfrüchte, Gemüse, Nüsse und Samen erlaubt. Die Auswahl ist also größer als viele annehmen.
Was eine frugane Ernährung ausmacht und welche Beweggründe Frutarier für diesen Lebensstil haben, lesen Sie hier:
Der Selbsttest: Mein Startgewicht
Meinen Selbsttest starte ich mit einem Körpergewicht von 61 Kilogramm bei einer Größe von 1,60 Metern. Mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 23,8 für meine Altersklasse bin ich also die Inkarnation des Normalgewichts. Für meinen Selbsttest muss ich außerdem meine Berufs- und Freizeitaktivität einem sogenannten PAL-Wert zuordnen. PAL steht für Physical Activity Level.
PAL-Wert | Beispiele |
---|---|
1,2 bis 1,3 | Gebrechliche, immobile, bettlägerige Menschen (ausschließlich sitzende oder liegende Lebensweise) |
1,4 bis 1,5 | Büroangestellte, Feinmechaniker (ausschließlich sitzende Tätigkeit mit keiner oder nur wenig anstrengender Freizeitaktivität) |
1,6 bis 1,7 | Laboranten, Studenten, Fließbandarbeiter (sitzende Tätigkeit, aber zeitweilig auch zusätzlicher Energieaufwand für gehende und stehende Tätigkeiten, keine oder nur wenig anstrengende Freizeitaktivität) |
1,8 bis 1,9 | Verkäufer, Kellner, Mechaniker, Handwerker (überwiegend Arbeit, bei der man steht und geht) |
2,0 bis 2,4 | Bauarbeiter, Landwirte, Waldarbeiter, Bergarbeiter, Leistungssportler (körperlich anstrengende Arbeit oder sehr aktive Freizeittätigkeit) |
Ich habe mich für einen PAL-Wert von 1,6 entschieden. Diese Angaben schicke ich Dorothee Hensgens vom BerufsVerband Oecotrophologie (VDOE). Sie sind die Basis für meinen Ernährungsplan, der auf meinen täglichen Nährstoffbedarf zugeschnitten wird und mir mein Leben als Frutarier so angenehm und gesund wie möglich machen soll.
Der Frutarier-Speiseplan
Sich frugan zu ernähren, bedeutet nicht, nur Obst zu essen: Das Menü kann ausgewogen sein.
© Quelle: Dorothee Hensgens/VDOE
Der Plan ist auf eine Woche ausgelegt. Dementsprechend wiederhole ich ihn drei Mal.
Woche 1: Meine erste Bilanz
Die erste Woche als Frutarierin ist hart. Mir werden permanent Fragen gestellt – à la „Was darfst du denn essen? Nur Obst?" oder „Bist du überhaupt Frutarierin, wenn du nicht nur Rohkost isst?" Die Antwort lautet: Ja, ich darf verarbeitete Lebensmittel zu mir nehmen. Auf den Inhalt kommt es an.
Eines wird mir schnell klar: Frugane Ernährung kostet Zeit. Der Besuch im Supermarkt wird zum täglichen Ritual, weil alles frisch sein muss und mein persönlicher Vorrat an Klassikern wie Kichererbsen und Haferflocken aufgefüllt werden muss. Dabei stehe ich gefühlte Ewigkeiten vor den Regalen und suche nach Lebensmitteln, die ich noch nie gekauft habe, geschweige denn jemals etwas von deren Existenz gehört habe, zum Beispiel Hefeflocken. Und auch Mandelmus hat es bislang nie in meinen Vorratsschrank geschafft. Möglicherweise konnte ich es mir bisher schlicht nicht leisten, diesen Produkten in den Regalen Aufmerksamkeit zu schenken. Denn obwohl ich immer zielstrebig zu den günstigsten Angeboten greife, kommt mir der Einkauf unglaublich teuer vor. Sieben Euro für 100 Gramm Mandelmus sind wohl nicht nur für eine Studentin ein beträchtliches Sümmchen.
Frutarismus ist zeitintensiv: Dreimal täglich kochen
Ein weiterer Faktor in Sachen Zeitkonto: Mindestens dreimal am Tag stehe ich am Herd – und bereite dabei auch mein Essen für den nächsten Tag vor, weil der Großteil der Mahlzeiten in der Kantine tabu ist. Mein neuer bester Freund: der Mixer, den ich mir von meinen Eltern geliehen habe. Von meinem Frühstückssmoothie bis zur „Käsesauce“, die aus Cashewkernen, Mandelmilch, Hefeflocken und Gewürzen besteht – der Mixer rödelt unermüdlich. Ich habe das Gefühl, die Hälfte meiner Mahlzeiten wandert vorab durch die Püriermesser. Wer ungern kaut oder seinen Zähnen eine Auszeit gönnen will, der ist mit dem Frutariertum gut bedient.
Meine Lieblingsfrage: „Bist du nicht ständig hungrig?"
Darauf gibt es eine klare Antwort: nein. Ein besonders ausgeprägtes Hungergefühl habe ich bislang nur selten – nur dann, wenn ich eine Mahlzeit aus Zeitmangel nach hinten verschiebe. Dann lässt auch meine Konzentration zu wünschen übrig. Im Allgemeinen haben meine Verdauungsorgane das Experiment bisher aber gut aufgenommen. Und nicht nur das: Sie wurden durch Leinöl, Chiasamen und Co. sogar angeregt. Schon in der ersten Woche nehme ich 1,5 Kilogramm ab.
Joghurtdressing: Die erste Sünde
Am fünften Tag meines Selbsttests werde ich von einer Freundin, die Geburtstag feiert, zum Essen eingeladen. Ausgerechnet zum Griechen, dem Paradies für Fleischplattenliebhaber. „Wenn dir das zu blöd ist, mit uns essen zu gehen, während du dein Experiment als Frutarierin machst, dann verstehe ich das“, sagt sie immerhin mitfühlend. Ich bin stark und gehe trotzdem mit. Beim Griechen hält sich meine Auswahl in Grenzen. Ich esse brav gebratene Peperoni und Tomatensuppe – ohne Brot natürlich, weil es mir unangenehm ist, zu fragen, ob das Weißbrot Milch enthält. Und dann passiert es doch: Die Salatgarnitur wurde mit Joghurtdressing beträufelt – meine erste und bisher einzige kleine Sünde. Auch wenn ich gestehen muss: Der Appetit auf gebackenen Schafskäse ist selten so groß gewesen wie an diesem Abend.