RKI warnt vor Gewitterasthma: Was ist das?
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Eine Frau benutzt einen Inhalator.
© Quelle: Getty Images/iStockphoto
Es ist der Abend des 21. Novembers 2016, als in Australien eine Epidemie ausbricht. In den Krankenhäusern in Melbourne und Geelong melden sich Dutzende Patientinnen und Patienten mit Atemwegsbeschwerden. Innerhalb von 30 Stunden steigt die Zahl der Fälle um 672 Prozent. Am Ende müssen mehrere Tausend Menschen behandelt werden, zehn von ihnen sterben.
Was sich damals in Australien zugetragen hat, war die weltweit tödlichste Epidemie von „Gewitterasthma“. Auslöser für die Symptome war – wie der Name schon verrät – ein Gewitter, das Stunden zuvor über die Region hinweggezogen war und Starkregen, Windböen und große Hagelkörner gebracht hatte. Diese Wetterbedingungen hatten dafür gesorgt, dass sich Allergie auslösende Pollen besser verbreiten konnten.
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Im Zuge des Klimawandels könnten es Mediziner und Medizinerinnen immer häufiger mit Gewitterasthma zu tun bekommen, warnt das Robert Koch-Institut (RKI) im zweiten Teil seines Sachstandsberichts „Klimawandel und Gesundheit“. Zu den Risikopersonen zählen vor allem Menschen mit Heuschnupfen und allergischem Asthma – genauso wie Menschen, die nur unter Heuschnupfen leiden.
Die wichtigsten Fragen zu Gewitterasthma
- Wie kommt es zu Gewitterasthma?
- Wie gefährlich ist Gewitterasthma?
- Wie kann man Gewitterasthma vorbeugen?
Wie kommt es zu Gewitterasthma?
Wie Gewitterasthma entsteht, ist noch nicht vollständig verstanden. Es gibt jedoch einige Merkmale, die das Phänomen kennzeichnen:
- Gewitterasthma tritt vorwiegend im späten Frühjahr und Sommer auf.
- Zu den ersten Symptomen kommt es meist innerhalb der ersten 20 bis 30 Minuten nach Beginn eines Gewitters.
- Gewitterasthma kann mit schweren Asthmaanfällen oder starken Symptomen einer allergischen Nasenschleimhautentzündung wie Juck- und Niesreiz einhergehen.
Nicht jedes Gewitter löst wohlgemerkt Gewitterasthma aus. „Damit es zu Gewitterasthma kommt, müssen viele verschiedene Faktoren aufeinandertreffen“, sagt Christina Endler vom Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes, die am RKI-Sachstandsbericht beteiligt gewesen ist. Eine Voraussetzung sei, dass viele Allergene, also Allergie auslösende Stoffe wie Pollen oder Pilzsporen, in der Luft sind – zum Teil auch schon Tage vor dem Unwetterereignis.
Das Risiko für Allergiker und Allergikerinnen ist dann ohnehin schon erhöht; durch das Unwetter nimmt es noch weiter zu. „Durch Wetteränderungen wie Niederschlag, Zunahme der Feuchtigkeit und Blitzaktivität können Pollen fragmentiert werden“, schreibt das RKI in seinem Bericht.
Heißt: Die Pollen platzen und noch kleinere Partikel entstehen, die tiefer in die Lunge eindringen können. Schwere Atemwegsbeschwerden werden damit wahrscheinlicher. Starke Fallwinde, die sich bei Gewittern entwickeln, drücken die Kleinstpartikel schließlich zu Boden.
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© Quelle: dpa
Vor allem Gräserpollen stehen in Zusammenhang mit Gewitterasthma. Bei hoher Luftfeuchtigkeit saugen sie sich mit Wasser voll, quellen auf und zerbersten. Auch Baum- und Kräuterpollen sowie Pilzsporen können bei der Krankheit eine Rolle spielen.
Wie gefährlich ist Gewitterasthma?
Gewitterasthma sei „relativ selten“, heißt es im RKI-Sachstandsbericht. Weltweit wurden seit 1983 rund 30 Gewitterasthma-Ausbrüche gemeldet, darunter der in Australien.
„Das heißt aber nicht, dass das die Einzigen sind“, merkt Endler an. Sie geht von einer Dunkelziffer bei den Gewitterasthma-Fällen aus, unter anderem deshalb, weil die Symptome nicht immer so ausgeprägt sind, dass Betroffene sofort die Notaufnahme aufsuchen. Damit werden die Fälle jedoch nicht offiziell registriert.
„Ich gehe schon davon aus, dass das Phänomen des Gewitterasthmas an Bedeutung gewinnen wird“, sagt die Expertin. Das sei nicht zuletzt davon abhängig, wie sich Wetterextreme wie Gewitter im Zuge des Klimawandels verändern.
Klimaforschende prognostizieren, dass es in Zukunft noch häufiger zu Gewittern kommen wird. Weil sich die Luft zunehmend erwärmt, ist sie in der Lage, mehr Feuchtigkeit zu speichern. Die Luftmassen werden instabiler, Gewitter wahrscheinlicher. 2014 hatten vier US-amerikanische Forscher im „Science“-Magazin gewarnt, dass die Zahl der Blitzeinschläge mit jedem Grad globaler Erwärmung um etwa 12 Prozent zunehmen könnte.
Folglich könnte auch die Zahl der Gewitterasthma-Fälle zunehmen. Momentan zeigt sich dieser Trend aber noch nicht: „Eine deutliche Häufung von Asthma-Anfällen bei Gewitter zur Pollenzeit können wir aktuell wissenschaftlich nicht bestätigen“, sagte Torsten Bauer, Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie.
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© Quelle: RND
Nichtsdestotrotz: Die Atemwegsbeschwerden als „harmlos“ abzutun, sei falsch, betont Endler. „Das sind sie nicht.“ Die Asthmaanfälle, die bei Gewitterasthma auftreten können, könnten durchaus schwerwiegend sein.
Wie kann man Gewitterasthma vorbeugen?
Die beste Präventivmaßnahme ist simpel: „Den Pollen aus dem Weg gehen“, rät Endler.
Heißt: Menschen mit einer Allergie wie Heuschnupfen oder allergischem Asthma sollten die Gewitterwarnungen beachten und während des Unwetters nicht vor die Tür gehen und die Fenster geschlossen halten.
Für den Fall, dass dennoch asthmatische Beschwerden auftreten, ist es wichtig, die richtigen Medikamente zu Hause zu haben. Welche Arzneimittel für wen geeignet sind, sollte zuvor mit einem Arzt beziehungsweise einer Ärztin abgeklärt werden.
Im Freien kann es sinnvoll sein, die Atemwege besonders zu schützen. „Grundsätzlich kann das Tragen einer Mund-Nasenschutz-Maske Asthmatikern in der Pollenzeit helfen, durch Allergene hervorgerufene Reize abzumildern“, sagte Lungenfacharzt Bauer. Aus Angst vor Gewitterasthma Zuflucht in einem Auto oder Gebäude zu suchen, ist hingegen unangemessen. „Da weder Gewitter noch starker Regen ein lebensbedrohliches Atemwegsproblem für Asthmatiker sind, ist ein besonderer Schutz wie die Flucht in ein Auto nicht zwangsläufig notwendig.“