Fall Nawalny: Was passiert, wenn ein Patient aus dem künstlichen Koma aufwacht?
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Beim russischen Kremlkritiker Nawalny ist das künstliche Koma beendet worden. Was bedeutet das medizinisch?
© Quelle: Fabian Sommer/dpa
Nach zwei Wochen haben die Ärzte der Berliner Charité das künstliche Koma des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny beendet. Am Montag teilte die Charité mit, es gehe dem 44-Jährigen besser und er sei ansprechbar. Wie wird ein künstliches Koma beendet und was passiert in der anschließenden Aufwachphase? Ein Überblick.
Künstliches Koma kann Leben retten
Das künstliche Koma ist eine bewährte Behandlungsmethode der Intensivmedizin, die nach schweren Erkrankungen oder Unfällen dazu dient, Langzeitschäden zu verhindern. Durch die Gabe von Schmerz- und Betäubungsmitteln wird der Patient in einen Zustand der kontrollierten Bewusstlosigkeit versetzt. Dieser Zustand – das künstlich eingeleitete Koma – kann über mehrere Wochen hinweg aufrechterhalten werden. In dieser Zeit wird der Patient künstlich beatmet und ernährt.
Das Aufwachen wird erst eingeleitet, wenn der gefährliche Zustand der Akutphase unter Kontrolle ist. Mit kurzen Narkoseunterbrechungen – dem sogenannten neurologischen Fenster – wird überprüft, ob der Patient auf Außenreize reagiert und seine Bewegungen steuern kann. Fällt der neurologische Test zufriedenstellend aus und die Vitalwerte sind zudem stabil, wird die Aufwachphase eingeleitet.
Reduktion der Medikamente leitet Aufwachphase ein
Sobald sich der Zustand des Patienten stabilisiert hat, werden die über den Zeitraum des künstlichen Komas verabreichten Schmerz- und Narkosemittel schrittweise reduziert. Dabei kann der Patient bereits auf Berührungen oder Ansprache reagieren, wie es derzeit bei Alexej Nawalny der Fall ist.
Da die Atemmuskulatur durch die lange Zeit der künstlichen Beatmung geschwächt ist, muss sich der Körper erst wieder daran gewöhnen, selbstständig zu atmen. Nawalny werde nun schrittweise von der maschinellen Beatmung entwöhnt, teilten die Charité-Mediziner am Montag mit. Diese Entwöhnung kann einige Wochen in Anspruch nehmen. Der Beatmungsschlauch kann erst entfernt werden, wenn der Patient in der Lage ist, wieder vollständig selbst zu atmen.
Delir: Patienten können orientierungslos sein
Wie lange die Aufwachphase dauert, ist höchst individuell und hängt auch von den Umständen der Erkrankung ab. Beim Aufwachen kommt es in den meisten Fällen zu einem Durchgangssyndrom, dem sogenannten Delir. In diesem Zustand zwischen Schlaf und Wachsein kann der Patient Wahrnehmungsstörungen erleiden, halluzinieren und orientierungslos sein. Unter Umständen kann es vorkommen, dass Angehörige nicht erkannt werden und sich der Patient nicht an Ereignisse erinnern kann, die vor dem künstlichen Koma passiert sind.
Nawalny war am 20. August auf einem Flug in Russland ins Koma gefallen und später auf Drängen seiner Familie in die Berliner Charité verlegt worden. Die Bundesregierung hatte nach Untersuchungen eines Speziallabors der Bundeswehr mitgeteilt, dass sie es als zweifelsfrei erwiesen ansehe, dass Nawalny mit dem militärischen Nervengift Nowitschok vergiftet worden sei.
RND/dpa