Erste Daten zum Impfschutz: Omikron konnte Antikörperlevel deutlich senken
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Die Impfung bleibt auch bei neuen Virusvarianten wie Omikron das Mittel der Wahl, betonen Forschende.
© Quelle: Bernd Weißbrod/dpa
Erste Labordaten geben Hinweise darauf, welchen Einfluss die Omikron-Variante auf den Immunschutz haben könnte. Die Mutante könnte die Immunantwort demnach deutlich beeinflussen und den Schutz reduzieren. Laut vorläufigen Ergebnissen einer südafrikanischen Studie, die noch auf eine Begutachtung durch Expertinnen und Experten wartet, waren die Antikörperspiegel im Blut von Geimpften nicht mehr ausreichend. Auch die Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt veröffentlichte erste Ergebnisse, die eine schwächere Abwehrreaktion gegen die neue Variante vermuten lässt.
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Biontech und Pfizer haben am Mittwoch ebenfalls erste Daten veröffentlicht. Die Impfstoffhersteller gehen von einer geringeren Wirksamkeit ihres Covid-19-Impfstoffs gegen die neue Omikron-Variante aus. Vorläufige Laborstudien zeigten, dass zwei Dosen deutlich geringere Neutralisierungstiter gegen Omikron aufweisen. Demnach konnten aber drei Dosen des Impfstoffs die Variante neutralisieren. Die Daten zeigten auch, das eine Dritte Dosis die neutralisierenden Antikörpertiter im Vergleich zu zwei Dosen um das 25-fache erhöhe.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch das Forschungsteam unter der Leitung von Alex Sigal vom Africa Health Research Institute. Sie untersuchten in der am Dienstag veröffentlichten Analyse 14 Blutproben von zwölf Geimpften. Sechs von ihnen waren zuvor auch mit dem Coronavirus infiziert. Im dazu veröffentlichten Paper ist die Rede von einer 41-fachen Reduzierung von für die Immunantwort relevanten neutralisierenden Antikörpern.
Hoffnung bei Omikron: Keine vollständige Immunflucht
Bei einem Großteil derjenigen, die zuvor bereits infiziert waren, zeigten sich jedoch auch bei Omikron noch relativ hohe Neutralisationstiter. „Eine vorherige Infektion, gefolgt von einer Impfung oder Auffrischung wird wahrscheinlich den Neutralisationsgrad und den Schutz vor schweren Erkrankungen bei einer Omikron-Infektion erhöhen“, heißt es in der Zusammenfassung der Untersuchung. Zudem banden die Antikörper noch an den für den Aufbau des Immunschutzes wichtigen ACE2-Rezeptor.
Die Daten bestärken, dass die Entwicklung eines an Omikron angepassten Impfstoffs sinnvoll ist.
Sandra Ciesek,
Virologin
Das Team um die Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt isolierte das Virus aus Proben einer sehr früh am Frankfurter Flughafen entdeckten Person mit Omikron-Infektion – und züchtete es im Labor an. Am Mittwoch veröffentlichte sie ebenfalls erste Ergebnisse, die eine deutlich reduzierte Antikörperantwort auf die neue Variante zeigen. Auch bei Menschen mit Auffrischungsimpfung gebe es eine Reduktion.
„Die Daten bestärken, dass die Entwicklung eines an Omikron angepassten Impfstoffs sinnvoll ist“, schrieb Ciesek dazu auf Twitter. Die Virologin betonte aber auch, dass aus ihrer Auswertung nicht herauszulesen sei, ob Geimpfte bei Omikron vor einem schweren Verlauf geschützt sind. Die Immunantwort beruhe nicht nur auf Antikörpern, sondern beispielsweise auch auf T-Zellen. Die Daten sind bislang auch nicht begutachtet oder in einem Fachmagazin veröffentlicht worden. „Sehr wichtige Daten“ seien das, schrieb der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité bei Twitter. „Sieht nicht gut aus für zweimal geimpft. Dritte Dosis erforderlich.“
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Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Studienleiter Sigal aus Südafrika. Die Ergebnisse würden darauf hinweisen, dass die neutralisierende Wirkung durch die Biontech-Impfung bei Omikron sehr stark zurückgegangen ist – im Vergleich zum Ursprungsvirus, machte er auf seinem Twitter-Account klar. Komplett umgehe die Variante den Immunschutz aber nicht – vor allem nicht bei denjenigen, die mehrfach geimpft und genesen waren. Sigal schrieb, die vorläufigen Ergebnisse seien besser, als er von der Omikron-Variante erwartet habe. Die Tatsache, dass der ACE2-Rezeptor weiterhin wichtig sei und die Immunflucht unvollständig, bedeute, dass es bereits Werkzeuge gebe, um das Problem eines sinkenden Immunschutzes zu lösen.
Klinische Studien fehlen noch – aber geringerer Impfschutz bei Omikron wahrscheinlich
Um die Wirkung eines Impfstoff gegen eine bestimmte Variante von Sars-CoV-2 zu untersuchen, machen Forschende in der Regel sogenannte Neutralisationstests. Es wird geschaut, wie viele Antikörper ein Geimpfter im Blut hat, die sich an die Virusvariante binden können und sie damit ausschalten. Der tatsächliche Schutz von Geimpften kann damit aber nicht bestimmt werden.
Aussagen zu den klinischen Auswirkungen im Zusammenhang mit diesen wichtigen Labordaten brauche es noch, sagte Professor Willem Hanekom, geschäftsführender Direktor des Africa Health Research Institute. Damit spielt er darauf an, dass die Aussagekraft der Neutralisationstests im Labor nur begrenzt ist. Um den tatsächlichen Schutz von Geimpften und die Krankheitslast zu bestimmen, bräuchte es noch klinische Studien mit Tausenden Probanden sowie epidemiologische Auswertungen des laufenden Infektionsgeschehens.
Wir werden mit Omikron noch mehr Durchbruchsinfektionen sehen.
Carsten Watzl,
Immunologe
Aber: „Es ist wahrscheinlich, dass das Ergebnis ein geringerer Impfschutz gegen Infektion und Krankheit wäre“, wird Hanekom in einer Mitteilung zur Studie von Sigal zitiert. Wichtig sei, dass die meisten Vakzinologen sich einig sind, dass die aktuellen Impfstoffe angesichts einer Omikron-Infektion immer noch vor schweren Krankheiten und dem Tod schützten. „Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass jeder geimpft wird“, betonte Hanekom.
Die Impfungen seien nicht nutzlos, sagte auch Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie dem Science Media Center. Die Daten zeigten aber, dass selbst zweifach Geimpfte oft nicht genügend Antikörper haben, um Omikron zu neutralisieren. Erst nach einem Booster oder nach der Kombination aus Infektion plus zweifacher Impfung seien genügend vorhanden. „Das bedeutet, dass wir mit Omikron noch mehr Durchbruchsinfektionen sehen werden“, prognostiziert der Corona-Experte. „Die Inzidenzen könnten daher noch mal deutlich steigen.“
Auch seiner Meinung nach wird es notwendig sein, die Impfstoffe an Omikron anzupassen. Ein Booster mit einem angepassten Impfstoff würde dann genau die Gedächtniszellen stimulieren, die Antikörper produzieren, die auch Omikron neutralisieren können. Mit einer Anpassung sei aber frühestens im Februar oder März zu rechnen – man sollte deshalb auch angesichts der Delta-Welle jetzt nicht mit der Impfung oder dem Booster warten, empfiehlt Watzl.