Herzmuskelentzündung: EMA sieht Zusammenhang mit Impfung
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Ein Junge wird mit dem Corona-Impfstoff Comirnaty von Biontech-Pfizer geimpft.
© Quelle: David Young/dpa
Die europäische Arzneimittelagentur EMA hält Herzmuskelentzündungen für eine mögliche Nebenwirkung der Corona-Impfung mit mRNA-Vakzinen. Sie ruft medizinisches Personal dazu auf, bei Geimpften auf die ersten Symptome einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis) zu achten. Dazu können unter anderem Atemlosigkeit, ein starker und unregelmäßiger Herzschlag und Brustschmerzen gehören. Sie fordert zudem, einen entsprechenden Warnhinweis in die Produktinformation der Impfstoffe aufzunehmen. Zuvor hatte bereits der Ausschuss für Impfstoffsicherheit der Weltgesundheitsorganisation WHO mitgeteilt, dass die Corona-Impfungen wahrscheinlich Herzmuskelentzündungen auslösen können.
Zu einer ähnlichen Einschätzung wie die EMA war auch bereits die amerikanische Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) gekommen. Sie hatte beobachtet, dass Herzmuskelentzündungen bei jüngeren Geimpften deutlich häufiger auftreten, als normalerweise in dieser Altersgruppe und hielt einen Zusammenhang für wahrscheinlich. Bereits im April war zudem aus Israel über Herzmuskelentzündungen nach einer Impfung mit mRNA-Impfstoffen speziell bei jüngeren Geimpften berichtet worden. Mindestens zwei junge Geimpfte waren an den Folgen gestorben. Israelische Gesundheitsexperten hatten einen Zusammenhang mit den Impfungen vermutet. Die EMA hatte hingegen zuerst noch gesagt, es gebe keine Hinweise darauf, dass die Impfungen die Herzmuskelentzündungen auslösen würden.
Inzwischen hat der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA 164 Fälle von Herzmuskelentzündungen und 157 Fälle von Herzbeutelentzündungen genauer ausgewertet, die nach der Impfung mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna aufgetreten waren. Betroffen seien insbesondere junge Männer, und die Erkrankung sei meist nach der zweiten Impfung ausgebrochen, heißt es in einer Erklärung des PRAC. Fünf der genauer untersuchten Fälle waren tödlich verlaufen. Bei den tödlich verlaufenen Fällen habe es sich um Geimpfte mit Vorerkrankungen oder im höheren Alter gehandelt, teilte der PRAC mit, ohne hierzu genauere Angaben zu machen. Ob auch die Vakzine von Johnson & Johnson und Astrazeneca Herzmuskelentzündungen auslösen können, wolle man noch prüfen.
Bis zu einem von 3000 Geimpften könnte erkranken
Aus den Zahlen der EMA geht nur hervor, wie viele Fälle von Herzmuskelentzündungen genauer untersucht wurden, nicht aber, wie viele solcher Fälle bisher bei jüngeren Geimpften in Europa auftraten und wie viele junge Menschen geimpft wurden. Einer Einschätzung der israelischen Behörden zufolge ist die Wahrscheinlichkeit, nach der Impfung mit der Vakzine von Biontech/Pfizer an einer Myokarditis zu erkranken, für junge Männer um das Fünffache bis 25-Fache erhöht (in Israel wurde fast ausschließlich dieser Impfstoff eingesetzt). Bei jungen Männern zwischen 16 und 24 könnte den israelischen Behörden zufolge bis zu einer von 3000 Geimpften eine Myokarditis entwickeln.
Einer Auswertung der CDC zufolge war die Wahrscheinlichkeit, eine Myokarditis zu entwickeln, in der Gruppe der Zwölfjährigen bis 24-Jährigen männlichen Geimpften 25- bis über 200-mal höher als bei Ungeimpften. Bei jungen Frauen und Mädchen in diesem Alter war das Risiko dreimal bis 20-mal höher als bei nicht Geimpften. Die großen Spannen sind darin begründet, dass man nicht weiß, wie häufig eine entsprechende Erkrankung generell ist.
In Deutschland ist das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) für die Überwachung von Impfstoffen zuständig. Dem bisher letzten Sicherheitsbericht des Instituts ist zu entnehmen, dass auch dem PEI bis Ende Mai 92 Fälle einer Myokarditis bei Geimpften gemeldet worden waren. Bezogen auf die Gesamtzahl der Geimpften ergibt sich dadurch kein erhöhtes Risiko, so waren zu diesem Zeitpunkt fast 14 Millionen Menschen in Deutschland vollständig geimpft. Aber auch das PEI hatte eine auffällige Häufung der Fälle in den jüngeren Altersgruppen beobachtet, obwohl diese damals erst einen sehr kleinen Teil der Immunisierten ausmachten. Die Zahl der tatsächlich Betroffenen dürfte zudem höher sein, als die offiziell gemeldete Zahl der Fälle: Es sei von einer Dunkelziffer auszugehen, da milde Verläufe einer Myokarditis nicht immer erfasst würden, schreibt das Institut. Zu welchem Anteil genau bei jüngeren Geimpften in Deutschland Herzmuskelentzündungen gemeldet werden, könne das PEI aber wegen fehlender Daten noch nicht berechnen, heißt es in dem Bericht. Mindestens ein junger Mann musste nach der Impfung mit Biontech/Pfizer in Deutschland bereits wegen einer Myokarditis intensivmedizinisch behandelt werden. Das PEI hatte aber trotz der internationalen Berichte bisher noch keine offizielle Warnung ausgesprochen.