Eine neue Normalität
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Eine Besucherin des Impfzentrums Tübingen geht in der Paul-Horn-Arena zur Impfung.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Liebe Leserinnen und Leser,
die Sehnsucht nach Normalität ist groß – und absolut verständlich. Mit ihr wächst auch die Sehnsucht nach all dem, was wieder Normalität wiederherstellen könnte. Mittel, mit denen die Pandemie irgendwie erträglich werden sollte, die „ein Stück Normalität“ versprachen, gab es in den vergangenen Monaten ja einige.
Da war die Corona-Warn-App, die im Sommer große Aufmerksamkeit genoss und inzwischen stark in Vergessenheit geraten ist (obwohl sie inzwischen zum Beispiel auch eine Check-in-Funktion hat). Da sind die Schnelltests in Schulen, Innenstädten und Theatern, die den Alltag trotz hoher Inzidenzen erlauben sollten, aber eben keine hundertprozentige Sicherheit bieten können. Trotzdem lautet, wann immer eine neue technische Hilfestellung wie etwa die Luca-App vorgestellt wird, die immer gleiche Frage: Ist das nun endlich das Mittel, das uns eine Rückkehr zur Vorpandemiezeit erlaubt?
Die Antwort ist leider Nein. Hilfsmittel sind eben nur das: eine Unterstützung auf einem langen, schweren Weg. Man kann Schnelltests und Apps nutzen, um sich Zeit und ein bisschen mehr Sicherheit zu verschaffen. Um zu verhindern, dass die Infektionszahlen explodieren. Aber beenden können diesen Ausnahmezustand am Ende nur: ausreichend viele geimpfte Menschen.
Das Gute ist: So langsam werden Impfungen zum neuen Alltag. Das merkt man zum Beispiel daran, dass sie inzwischen ganz selbstverständlich ein geeignetes Smalltalkthema geworden sind. Wer wurde wann wo geimpft? Mit welchem Mittel? Wann ist die zweite Impfung? Alles gut vertragen? Das alles sind inzwischen Fragen und Themen, die fast so üblich wie das Gespräch über das Wetter sind.
Die Zahl derer, die zumindest eine Impfdosis erhalten haben, liegt mittlerweile bei 17.932.380 (Stand 21. April). Das sind mehr als 21 Prozent der Bevölkerung. Es sind aber vor allem Freunde, Großeltern, Bekannte – Menschen, um deren Gesundheit man sich jetzt ein kleines bisschen weniger Gedanken machen muss. Eine Entlastung, auch wenn man selbst noch nicht geimpft ist. Eine Normalität, an die man sich durchaus gewöhnen kann, oder?
Anna Schughart
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Die Pandemie und wir
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Erkenntnis der Woche
Am Mittwoch hat der Bundestag eine Bundesnotbremse gegen die dritte Welle beschlossen, am heutigen Donnerstag hat der Bundesrat das geänderte Infektionsschutzgesetz passieren lassen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnete das Gesetz anschließend, das jetzt nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden muss. Die Bundesnotbremse sieht unter anderem in Regionen, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz drei Tage hintereinander über 100 Fällen pro 100.000 Einwohner liegt, Ausgangsbeschränkungen ab 22 Uhr vor. Schulen müssen ab einem Inzidenzwert von 165 den Präsenzunterricht einstellen. Die Maßnahmen sind bis vorerst 30. Juni befristet.
Aber was werden sie nutzen? Meine Kollegin Saskia Bücker hat einen Blick auf die möglichen Pandemieszenarien bis zum Sommer geworfen. Die Experten, mit denen sie gesprochen hat, zeichnen ein durchwachsenes Bild: Ab Mitte Mai ist auf einen Rückgang der Intensivbettenbelastung durch den einsetzenden Impfeffekt zu hoffen, doch die verschiedenen Corona-Varianten stellen ein schwer kalkulierbares Restrisiko dar. Und: Mit der aktuellen Impfquote gebe es „noch keinen großen, signifikanten Einfluss auf das Infektionsgeschehen, auf die Fallzahlen“, sagt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.
Auch inwiefern die Ausgangssperren tatsächlich einen Effekt haben werden, ist umstritten: In anderen Ländern hat sich zwar durchaus gezeigt, dass nach der Einführung einer nächtlichen Ausgangssperre die Zahlen der Corona-Neuinfektionen sanken. Aber es ist bisher nicht geklärt, wie viel Anteil daran diese eine Maßnahme hatte. Denn oft wurden die Ausgangssperren von weiteren Maßnahmen flankiert.
Pandemie in Zahlen
Alltagswissen
Auch wenn die Versuchung, die Freude über die eigene Impfung öffentlich zu teilen, groß ist: Bilder des eigenen Impfpasses sollte man besser nicht in sozialen Medien posten. Die Gefahr ist, dass Kriminelle zum Beispiel aus ersichtlichen Informationen wie der Chargennummer oder dem Stempel gefälschte Impfpässe herstellen. Aber auch aus Gründen des eigenen Datenschutzes sollte man die Impfpasspostings besser unterlassen: „Niemand ist davor geschützt, dass persönliche Gesundheitsdaten missbräuchlich verwendet werden. Deshalb ist bei hochsensiblen Daten im Netz auf Sparsamkeit und Vorsicht zu achten“, warnt Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz.
Zitat der Woche
Das ist sicherlich ein Problem: Durch diese ganzen Medienberichte und die Aufmerksamkeit auf dieses Thema wird das eigene Risiko, an einer Thrombose zu erkranken, eigentlich überschätzt.
Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek warnt davor, die Gefahr von Impfungen zu überschätzen.
Forschungsfortschritt
Bei vielen Covid-19-Patienten treten neben Atemwegsbeschwerden auch neurologische Symptome auf: Besonders häufig sind das Störungen des Geruchs-und Geschmackssinns, aber auch Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Abgeschlagenheit und Konzentrationsstörungen kommen vor, berichtet meine Kollegin Irene Habich. Bei schweren Verläufen kann es sogar zu Bewusstseinsstörungen und Störungen der Hirnfunktion kommen.
Ein Forscherteam um Jonas Hosp, Leiter der Post-Covid-Ambulanz der Universitätsklinik Freiburg, hat nun einen Zusammenhang zwischen neurologischen Symptomen bei Covid-19 und dem Hirnstoffwechsel gefunden. Die gute Nachricht der Studie: Neurologische Symptome, die im Zuge einer Covid-19-Erkrankung auftreten, sind per se reversibel. Sie können sich also wieder zurückbilden – nur kann das eben dauern. In einigen Fällen, so die Forscher, haben Betroffene auch nach sechs Monaten ihr Normalniveau nicht wieder erreicht.
Pandemie im Ausland
Indien hat am Donnerstag mehr als 314.000 neue Corona-Fälle binnen 24 Stunden und damit einen globalen Tagesrekord bei Neuinfektionen gemeldet. Mehr als 2100 Menschen sind innerhalb eines Tages nachweislich mit oder an einer Corona-Infektion gestorben. Indien erlebt gerade eine Corona-Katastrophe, berichtet unsere Korrespondentin Agnes Tandler. In sozialen Netzwerken suchen Menschen verzweifelt nach Krankenhausbetten, medizinischem Sauerstoff, Arzneimitteln und Plasma von Genesenen. Aus mehreren Gebieten gibt es Berichte, wonach Krematorien überlastet sind. Doch auf großflächige Lockdowns will Premier Modi weiterhin verzichten.
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Menschen in Mumbai lesen an einem Tor vor einem Impfzentrum angebrachte Schilder, auf denen Informationen zu einer Knappheit an Corona-Impfstoffen zu lesen sind. Indien hat mit einer hohen Zahl täglicher Corona-Neuinfektionen zu kämpfen.
© Quelle: Rafiq Maqbool/AP/dpa
Gleichzeitig steht eine Corona-Variante aus Indien neu in der öffentlichen Aufmerksamkeit: Die Variante B.1.617 trägt zwei Mutationen an einem Oberflächenprotein, die von anderen unter Beobachtung stehenden Linien bekannt seien, erläutert das RKI. Beide würden „mit einer reduzierten Neutralisierbarkeit durch Antikörper oder T-Zellen in Verbindung gebracht, deren Umfang nicht eindeutig ist“. Das heißt: Möglicherweise könnten Geimpfte und Genesene vor einer Ansteckung mit dieser Variante weniger gut geschützt sein. Für eine Einstufung als „besorgniserregend“ fehle bislang jedoch „die entsprechende Evidenz“, so das RKI am Mittwoch.
Was kommt
Wird die Impfung schon bald für alle zugänglich? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte am Donnerstag, dass die Priorisierung im Juni aufgehoben werden könne. Nach den laufenden Impfungen alter und chronisch kranker Menschen in den ersten zwei Prioritätsgruppen solle im Mai die dritte und letzte Prioritätsgruppe geöffnet werden. Dazu gehören über 60-Jährige und auch bestimmte Berufsgruppen.
Kommt dann auch schon Sputnik V zum Einsatz? Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte auf seiner Moskau-Reise, er hoffe, dass der Impfstoff im Mai seine Zulassung in der EU erhalte. Dann könnte Deutschland laut Kretschmer drei mal zehn Millionen Impfdosen bekommen. Derzeit führt die Europäische Arzneimittelagentur EMA Gespräche in Moskau im Zusammenhang mit der Zulassung von Sputnik V in der Europäischen Union.
Was die Pandemie leichter macht
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Der Hula-Hoop-Reifen ist schon seit geraumer Zeit vor allem auf Social Media ein beliebtes Fitnessgerät.
© Quelle: picture alliance / dpa Themendie
Das Fitnessstudio ist geschlossen, statt mit dem Rad zur Arbeit zu fahren, bleibt man zu Hause einfach am Küchentisch sitzen. Im Lockdown fehlt vielen Menschen die Bewegung. Wer keine Lust mehr hat, für Ausgleich nur beim täglichen Spaziergang zu sorgen, kann zum Beispiel Yoga ausprobieren. „Das Gute an Yoga ist, dass auch Untrainierte jederzeit damit beginnen können“, sagt Jessica Fink, Sprecherin des Berufsverbandes der Yogalehrenden in Deutschland. „Es gibt zahlreiche Übungen, die ganz individuell je nach Fitness und Alter angepasst werden können.“ Dabei gibt es auch hilfreiche Übungen gegen Homeoffice-Beschwerden, wie etwa der Blick in die vier Himmelsrichtungen oder die Mobilisierung der Lendenwirbelsäule. Genaue Anleitungen und Übungen zum Nachmachen finden Sie hier.
Eine weitere Trendsportart, die sich gerade im Lockdown großer Beliebtheit erfreut, ist Hula-Hoop. Der Reifen dient nicht nur dem Spaß, sondern kann tatsächlich Muskeln in Bauch, Po, Oberschenkeln sowie dem Rücken stärken. Wer Anfänger ist, sollte darauf achten, die richtige Größe und das passende Gewicht auszuwählen. Anleitungen für das erste Work-out und weitere Tipps für Hula-Hoop-Beginner finden Sie hier.
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